Pro und Kontra: Haushaltssperre und Häme – Hat die Ampel fertig?
Die Haushaltssperre ist das nächste Warnsignal: Steht die Ampel vor dem Aus, wie die CSU meint? Ein Pro und Kontra aus der Merkur.de-Redaktion.
Es ist eigentlich nur das letzte äußerliche Zeichen einer Koalitions-Krise: Deutschland hat eine Haushaltssperre, Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat nach der Schuldenbremse nun auch die Notbremse gezogen.
Das kann ein folgenloses Intermezzo bleiben – oder der Sargnagel der Ampel-Koalition werden. Dann nämlich, wenn sich die ungleichen Bündnispartner SPD, Grüne und FDP nicht zur allseitigen Zufriedenheit und zum Wohle des Landes auf ein weiteres Vorgehen einigen. Ohne Geld läuft nichts, mit oder ohne formale Haushaltssperre. Schaffen die Koalitionäre die Wende, oder hat die Ampel fertig, wie man flapsig fragen könnte? Ein Pro und Kontra.
Pro: Die Ampel ist mit der Haushaltssperre am Ende – Überleben statt Vertrauen

Es sind Bilder aus einer fernen Zeit – rein politisch jedenfalls: Ende September 2021 lichteten sich Robert Habeck, Annalena Baerbock, Christian Lindner und Volker Wissing als informelle „Zitrus-Koalition“ ab. Entspannt, lächelnd und ausgeschlafen. Womöglich waren da App-Filter im Spiel. Aber eben auch die unkonventionelle Idee, die Platzhirsche Union und SPD bei der Mehrheitsfindung erstmal auszubooten und ein „Projekt“ von den entfernten Seiten her zusammenzudenken.
Knapp zwei Monate später das erfrischende Ampel-Koalitions-Versprechen: keine nächtlichen Marathonsitzungen mehr. Keine peinlichen Durchstechereien von Interna. Schluss ohnehin mit den Zeiten, in denen ein Koalitionspolitiker die Partnerpartei „Gurkentruppe“ nennt.
Mittlerweile ist die „Gurkentruppe“-Schelte das Einzige, was noch zum kompletten Ampel-(Un)Glück fehlt. Nicht nur die MPK schlug sich unlängst die Nacht um die Ohren. Mit dem vorab geleakten – aber auch tatsächlich mehr als unausgegorenen – Heizungsgesetz lieferte die Ampel die Mutter aller Durchstechereien, wie Horst Seehofer womöglich sagen würde. Vor allem aber die Mutter allen Misstrauens. Intern wie auch in der Bevölkerung. Hinzu kommen Peinlichkeiten wie das Chaos um die Zukunft des Verbrenners.
Ampel-Koalition am Ende: Noch beim Krisen-Statement blitzt Häme durch
Die überschaubare Zahl an Überzeugungstaten im Koalitionsvertrag scheint in großen Teilen versumpft: Die „Verantwortungsgemeinschaft” verschollen, die Entbürokratisierungspläne nebulös und eher kompliziert, die Cannabis-Legalisierung entkernt und wacklig. Dass die Bertelsmann-Stiftung jüngst einen hohen Umsetzungsgrad von Ampel-Versprechen attestierte, dürfte die Koalitionäre selbst überrascht haben.
Mittlerweile ist die „Gurkentruppe“-Schelte das Einzige, was noch zum kompletten Ampel-(Un)Glück fehlt.
Das Debakel um das Verfassungsgerichtsurteil ist das letzte Mosaiksteinchen: Die Ampel-Koalition ist vorerst nahezu handlungsunfähig, die Haushaltssperre nur das drastischste Signal dafür. Das Kunstgriff-Mäntelchen über grundverschiedenen Politik-Ansätzen ist davongerutscht. Und noch bei den Krisen-Statements schien es, als fühle sich FDP-Chef Christian Lindner insgeheim bestätigt und Vizekanzler Habeck sich vom Koalitionspartner ausgehebelt. Gemeinsame Verantwortung sieht anders aus.
Ampel gebeutelt von den Krisen: Der Hinweis hilft in der B-Note, aber nicht dem Land
So geht es nicht. Dass die Ampel stark an externen Notfällen (Ukraine-Krieg, Krieg in Israel, Energiepreise, Flucht) leidet, hilft vielleicht in der B-Note, aber nicht beim Fazit im Zwischenzeugnis: Versetzung stark gefährdet. Angesichts der Umfragewerte hat längst der Überlebenskampf eingesetzt; jeder für sich. Das wäre ein äußerst ernüchternder Ausgang des Experiments „Ampel“. Und ein politisch gefährlicher: Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik ist in einer Demokratie essenziell – und bereits angekratzt, wie Umfragen zeigen.
Eine GroKo könnte die passende Lösung für die Zeit sein, mittlerweile scheint sie sogar wieder erwünscht. Das sagt einiges über Deutschland. Aber es hilft nichts: Historisch betrachtet war die GroKo oft eine Koalition für die Krise. Und an denen mangelt es bekanntlich nicht. Ein weiterer Aspekt: Mit den Grünen hätte eine rot-schwarze Regierung eine mutmaßlich recht kooperative Opposition – jedenfalls abseits der Migrationsfragen. Gerade Habeck gibt sich schon jetzt staatstragend. Und die Partie fährt damit in Umfragen nicht schlecht. Bleibt nur die Frage: Riskieren SPD und FDP Neuwahlen bei ihren miesen Werten? Ein Weitermachen aus Angst und in Lähmung wäre freilich der schlechteste Weg.
Florian Naumann
Kontra: Die Ampel wird die Haushaltssperre überleben – mangels Alternative

Endlich Kanzler? Gut möglich, dass Friedrich Merz dieser Tage öfter diesem Gedanken hinterher schwelgt. Das von ihm angezettelte Karlsruhe-Urteil zum Klimafonds stiftet ordentlich Chaos. Denn der Bund musste eine umfassende Haushaltssperre verhängen. Erst mal geht in der Koalition nichts mehr. „Die Ampel hat fertig”, frohlockte Merz-Adlatus Alexander Dobrindt (CSU) bereits. Doch die Jubelstimmung könnte verfrüht sein. Denn die Aussicht auf einen Regierungswechsel ist weiterhin sehr dünn. Richterspruch hin oder her.
Probleme bei der Schuldenbremse, der Energiewende, dem Atomstreit oder der Verkehrswende – die Ampel-Koalition wurde schon öfter totgesagt. Bislang fanden die Partner immer einen Ausweg. Die Strategie: Nach nächtelangen Sitzungen bekam am Ende jeder ein kleines Zugeständnis. Geld war ja da, damit ließ sich noch jedes Problem lösen. Zugegeben, das geht nun nicht mehr. Insofern ist die Regierungskrise kolossaler als zuvor. Doch das Scholz-Kabinett hat noch eine Chance.
Neuwahlen? Diese Alternative stellt sich für die schwächelnden Ampel-Parteien gar nicht
Jetzt geht es halt ans Eingemachte. Die Koalition kann sich nicht mehr im Kleinklein verlieren, sondern sie muss sich jetzt endlich auf das besinnen, für das sie vor zwei Jahren angetreten ist: das Land als Fortschrittskoalition zu modernisieren. Dafür muss sie an einem Strang ziehen.
Die Probleme verschwinden nicht, weil die Regierung wechselt.
Anders geht es nicht. Denn was wäre die Alternative? Neuwahlen? Partnertausch? Für SPD und Grüne stellt sich diese Option nicht angesichts der miesen Umfragewerte. Die Grünen sind nach dem Dauerfeuer um das Heizungsgesetz angeschossen, die SPD ringt mit der AfD um Platz zwei. Den Sozialdemokraten bliebe in einem schwarz-roten Bündnis nur die Juniorrolle. Doch von der Großen Koalition ist die Partei bis heute nachhaltig traumatisiert.
Zünglein an der Waage ist und bleibt die FDP, die sich offenkundig am unwohlsten in der Dreier-Konstellation fühlt. Doch die Liberalen sind in den Umfragen in der Bedeutungslosigkeit verschwunden und bei den meisten Landtagswahlen aus den Parlamenten geflogen. Es ist kaum vorstellbar, dass sie bei einer Neuwahl mit satten Zugewinnen rechnen könnten.
Ampel-Koalition vor dem Aus? Nur der rechtspopulistische Rand um die AfD dürfte profitieren
Denn in der Regel läuft es so: Die Wählerinnen und Wähler bestrafen Regierungschaos. Der Reformstillstand wird allen demokratischen Parteien angelastet werden. Lediglich der rechtspopulistische Rand rund um AfD und Freie Wähler dürfte enorm profitieren. Und selbst wenn es für Schwarz-Gelb reichen würde, bliebe die Frage: und dann? Die Probleme verschwinden nicht, weil die Regierung wechselt. Russland macht keine Anstalten, den Ukraine-Krieg zu beenden. Die Energiepreise bleiben hoch. Und der Klimawandel stoppt auch nicht, nur weil eine andere Regierung im Kanzleramt sitzt.
Alle Parteien müssen deswegen jetzt Geld auftreiben und erklären, wie sie die Energiewende erreichen und finanzieren wollen. Nicht nur SPD, Grüne und die FDP, sondern auch die Dobrindts von der CDU und CSU. Das haben sie aber noch nicht getan. Nur Dagegen-sein und Schadenfreude verbreiten reicht nicht.
Konzepte zur Lösung der Krise hat die Union bislang nicht vorgelegt. Insofern sind auch keine schwarz-gelben, schwarz-roten oder schwarz-grünen Projekte in Sicht. Erst wenn die Union geliefert hat, lässt sich daraus vielleicht eine neue Fortschrittskoalition ersinnen. Vorher nicht. Solange bleibt die Kanzlerschaft für Friedrich Merz nur ein Traum.
Jens Kiffmeier