Erdogan macht Ernst: Imamoglu muss vor Gericht – massive Proteste erwartet
Istanbuls Oberbürgermeister Ekrem Imamoglu steht ab heute vor Gericht. Dem Gegenspieler von Präsident Erdogan drohen Haft und Politikverbot.
Istanbul – Am heutigen Freitag starten zwei Prozesse gegen Ekrem Imamoglu. Dem vor Wochen abgesetzten und seitdem inhaftierten Bürgermeister Istanbuls drohen dabei Haftstrafen und ein Politikverbot. Imamoglu galt bis zu seiner Verhaftung als der wohl bedeutendste Gegenspieler des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Die Anklagen gegen Imamoglu sind weitreichend. Dem Politiker der türkischen Oppositionspartei CHP wird in einem Verfahren Betrug bei Ausschreibung in seiner Zeit als Bezirksbürgermeister im Istanbuler Stadtteil Beylikdüzü vorgeworfen. In einem anderen Prozess, der ebenfalls am Freitag beginnt, wird er der Bedrohung eines Staatsanwalts beschuldigt. Sollte Imamoglu in einem der beiden Prozesse verurteilt werden, droht ihm eine langjährige Haftstrafe und ein politisches Betätigungsverbot. Beide Verfahren haben jedoch nichts mit der jüngsten Festnahme İmamoğlus am 19. März zu tun, die vor allem in Istanbul zu massiven Protesten gegen die Politik in der Türkei unter Präsident Erdogan geführt haben.
Prozess gegen Imamoglu beginnt – Protest gegen Erdogan wird fortgesetzt
Die Verhandlungen sollen um 10.00 Uhr sowie in zwei Fällen um 15.00 Uhr Ortszeit (14.00 Uhr MESZ) beginnen. Wie der in einem Gefängnis in Silivri inhaftierte 53-Jährige an den beiden gegen ihn gerichteten Verhandlungen teilnehmen soll, ist noch unklar. Die Entscheidung ist aber bislang nicht rechtskräftig.
Die Proteste gegen die Inhaftierung Imamoglus und gegen die Regierung von Erdogans AKP sollen in der Türkei fortgesetzt werden. Laut Informationen der ARD ist für das Wochenende eine Großkundgebung in der Stadt Samsun im Nordosten der Türkei angekündigt. Imamoglu Partei, die CHP, fordert dessen Freilassung und vorgezogene Neuwahlen in der Türkei.
Name | Ekrem Imamoglu |
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Partei | Cumhuriyet Halk Partisi (CHP) |
Geburtsdatum | 4. Juni 1970 in Akçaabat |
Amt | Oberbürgermeister Istanbuls (2019 bis 23. März 2025) |
Offiziellen Angaben des türkischen Innenministers Ali Yerlikaya zufolge wurden insgesamt mehr als 1400 Personen im Zusammenhang mit den Protesten von der Polizei festgenommen. Bei einem Großteil soll es sich um Studierende gehandelt haben. Etwa 100 Studierende sollen inzwischen wieder aus dem Hochsicherheitsgefängnis Silivri entlassen worden sein.
„Er ist sehr verängstigt“ – Proteste gegen Erdogan sollen Wirkung zeigen
Laut der Opposition haben die massiven Proteste gegen die Regierung bereits eine Wirkung auf Präsident Erdogan. „Er ist sehr verängstigt! Aber ich möchte ihn noch mal erinnern: Wir werden nicht aufhören, bis wir unseren Ekrem-Bürgermeister zu unserem Präsidentschaftskandidaten machen“, sagte CHP-Parteichef Özgür Özel nach einem Bericht der Tagesschau auf einer Kundgebung vergangene Woche.
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In dem aktuellen Prozess gegen Imamoglu geht es vor allem um Vorwürfe, die aus den 2010er Jahren datieren. Fachleuten gelten sie als vorgeschoben. Der 53 Jahre alte CHP-Politiker gilt als wichtigster Konkurrent der amtierenden Regierung, die ihre Widersacher bereits seit Jahren auch juristisch verfolgt. „Erdogan ist ganz offensichtlich nicht bereit, von seinem juristischen Feldzug gegen Imamoglu abzulassen“, sagte Maximilian Popp, Türkei-Experte des Spiegel.
Vorwürfe gegen Polizei rund um Proteste gegen Erdogan
Rund um die Proteste in der Türkei gegen die Inhaftierung Imamoglus werden auch Vorwürfe gegen die Polizei laut. Das Nachrichtenportal Nordic Monitor berichtete über Filmmaterial und Aussagen von Augenzeugen, dass die Sicherheitskräfte zahlreiche Demonstranten fotografierten, um das Bildmaterial mutmaßlich per digitaler Gesichtserkennung zur nachträglichen Identifizierung einzusetzen.