Schweden und Norwegen wüten wegen Habecks Energie-Politik: „Absolut furchtbare Situation“

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Wegen einer Dunkelflaute muss Deutschland Strom aus Skandinavien importieren – was die Preise dort in die Höhe treibt. Schweden und Norwegen kritisieren die deutsche Energiepolitik daher scharf.

Berlin – Deutschland hat bei erneuerbaren Energien große Fortschritte gemacht: Laut Umweltbundesamt lag der Anteil des Ökostroms am Bruttostromverbrauch 2024 bei 54 Prozent – ein Rekord. Doch die jüngsten Dunkelflauten zeigen die Schwächen des Systems: Kaltes, wolkenreiches Wetter bremst Wind- und Solarenergie aus, was die Preise explodieren lässt. Am Donnerstagabend (12. Dezember) stieg der Großhandelspreis laut Bundesnetzagentur auf 936 Euro pro Megawattstunde – mit Folgen für Skandinavien: Schweden und Norwegen spüren die Auswirkungen, da Deutschland auf ihre Importe angewiesen ist. In den südlichen Teilen der Länder verknappte sich das Angebot und die Preise schossen nach oben.

Schwedische Energieministerin wird deutlich: „Energiesystem Deutschlands ist nicht in Ordnung“

Die schwedische Energieministerin Ebba Busch kritisierte Deutschlands Energiepolitik deutlich: „Das Energiesystem Deutschlands ist nicht in Ordnung“, sagte sie gegenüber der Zeitung Aftonbladet. Sie bemängelte besonders die Entscheidung der Bundesregierung, dass sie 2022 bzw. 2024 die Kern- sowie einen Teil der Braun- und Steinkohlekraftwerke abgeschaltet habe und damit selbst für eine unsichere Stromversorgung verantwortlich sei: „Wenn der Wind nicht weht, bekommen wir mit diesem gescheiterten Stromsystem hohe Strompreise. Das ist eine Folge der Abschaltung der Kernkraftwerke“, erklärte die Christdemokratin in einem Post auf X.

Ein Weiterbetrieb der Atommeiler hätte dagegen dafür gesorgt, dass „die Übertragungskapazität von Deutschland in andere Strompreisgebiete in Europa erhöht, was die Preise für uns alle gesenkt hätte“.

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, spricht auf einer Wahlkampfveranstaltung der Partei der Bündnis 90/Die Grünen Thüringen.
Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). © Hannes P. Albert/dpa

Das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) reagierte auf die Aufregung rund um die hohen Strompreise über seinen X-Account – und relativierte: „Es handelt es sich hier um sehr wenige teure Stunden. Sie wirken sich daher nicht nennenswert auf den Jahresdurchschnittspreis von Strom aus.“ Dieser liege bei in den letzten 12 Monate bei rund 75 Euro pro MWh. Außerdem sei die „gute Nachricht“, dass sich die Lage zum Wochenende entspanne, da die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien wieder zunehmen wird, hieß es in dem Posting weiter.

Preisspitzen in Deutschland nehmen laut EnBW-Vorstand zu – zu Lasten von Exportländern?

Im Jahr 2023 hat Deutschland erstmals seit 20 Jahren wieder mehr Strom im- als exportiert. Hintergrund ist allerdings weniger eine Stromknappheit in Deutschland, sondern eher der europäische Strommarkt: Grenzüberschreitender Stromhandel lohnt sich zu den Zeiten, an denen der Preis in den Nachbarländern günstiger ist und freie Kapazitäten vorhanden sind. Dieser Mechanismus sorgt eigentlich dafür, dass der Strompreis an den jeweiligen Börsen sinkt. Im aktuellen Fall trat aufgrund der Knappheit in den Exportländern dort genau das Gegenteil ein.

Nach November folgt derzeit die zweite kritische Phase in Folge. Dirk Güsewell, EnBW-Vorstand für Systemkritische Infrastruktur, zeigte sich gegenüber IPPEN.MEDIA besorgt: „Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist sehr hoch. Aber jede Preisspitze ist eben ein Knappheitsindikator und diese Situationen nehmen aktuell zu.“ Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass Habecks Kraftwerkssicherheitsgesetz aufgrund fehlender Zustimmung aus der Opposition und der FDP nicht zustande kam. Die Idee dahinter: Habeck wollte die Förderung neuer Gaskraftwerke festschreiben, da diese später auf Wasserstoff umgestellt werden. So hätte in Zeiten von Dunkelflauten die Versorgungssicherheit von Industrie und Verbraucher gesichert werden können.

Norwegen ist kein EU-Mitglied – und könnte künftig Strom-Lieferungen an Deutschland überdenken

Auch Norwegens Energieminister zeigte sich empört und sprach von einer „absolut furchtbaren Situation“: Die Strompreise im südlichen Teil Norwegens seien derzeit fast 20 Mal so hoch wie noch in der Vorwoche und auf dem höchsten Stand seit 2009. Das Land hat derzeit ohnehin massiv mit seinen fehleranfälligen Wasserkraftwerken zu kämpfen. Anders als Schweden ist Norwegen kein Mitglied der EU und könnte in der aktuellen Stromknappheit die Lieferungen an Deutschland oder auch Großbritannien überdenken. Erste Stimmen aus der Zentrumspartei, Junior-Partner in der Regierungskoalition, riefen dazu auf, die Lieferbedingungen mit beiden Ländern neu zu verhandeln.

Busch bringt hingegen eine Strompreiszone für den Norden Deutschlands ins Spiel, wodurch dort sowie auch in Schweden günstigere Energiepreise gelten würden. Derzeit existiert in Deutschland eine einheitliche Strompreiszone – die Idee dahinter: Überall gilt derselbe Großhandelspreis, unabhängig von regionalen Unterschieden bei Erzeugung und Verbrauch. Eine Aufteilung in Nord- und Süddeutschland könnte diese Unterschiede besser abbilden – mit günstigeren Preisen im windreichen Norden und höheren Preisen im Süden, wo Strom oft importiert wird. Bisher wehrt sich Baden-Württemberg gegen eine Einführung und pocht auf einen beschleunigten Netzausbau, damit Projekte wie Südlink und Ultranet schneller fertiggestellt werden können.

Dunkelflauten bringen Großindustrien in Bedrängnis: Produktionen stehen still, Kosten steigen

Die Dunkelflauten bringen auch energieintensive Industrien in Bedrängnis: Das Elektrostahlwerk Feralpi in Riesa (Sachsen) musste seine Produktion mehrmals einstellen, um Verluste zu vermeiden. „Wir stoppen in solchen Phasen die Produktion, um uns vor noch größeren Verlusten zu schützen“, erklärte Werksdirektor Reinecke gegenüber dem Handelsblatt. Über eine ähnliche Erfahrung berichtete das Unternehmen Metall-Betrieb Anke GmbH in Essen gegenüber der Bild. Solche Unterbrechungen kosten nicht nur Effizienz, sondern auch Geld – allein am 12. Dezember entstanden laut Reinecke Schäden im hohen sechsstelligen Bereich.

Für das Bundeswirtschaftsministerium seien diesen Geschichten anscheinend Einzelfälle. Mit Verweis auf den Jahresdurchschnittspreis hieße es auf dem X-Account: „Private Stromverbraucher & auch die meisten Industrieunternehmen haben lang- & mittelfristige Verträge, die einen Preis garantieren.“

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