„Ich bin raus“: Trumps Sanktions-Ende kommt Putins Elite zugute
Er ziehe Sanktionen „absolut“ in Erwägung, behauptet Trump. Doch er handelt genau entgegengesetzt. Und Putins Geldadel gewinnt. Auch die Europäer versagen.
Washington, D.C. – „Er ist völlig durchgedreht“, hat Donald Trump über Wladimir Putin geurteilt. Der US-Präsident ändert seine Meinung über den russischen Potentaten unvorhersehbar schnell; aktuell verurteile Trump Putins Morde in der Ukraine, ließe ihn aber keinen Preis dafür zahlen, schreibt die New York Times (NYT). Im Gegenteil: Seine Regierung beendet alle Bemühungen, russische Oligarchen aufzuspüren und ihre Vermögen zu beschlagnahmen.

Wie Reuters berichtet, habe Donald Trump die als Task Force „KleptoCapture“ bekannte Arbeitsgruppe aufgelöst und damit die Verfolgung russischer Oligarchen beziehungsweise ihrer Vermögen eingestellt zugunsten einer politischen Schwerpunktverlagerung und einer Verlagerung der Finanzierung auf die Bekämpfung von Drogenkartellen und internationalen Banden, so die Nachrichtenagentur.
Laut dem New York Times Magazine sei das Ende dieser Arbeitsgruppe bedeutungsvoll – sowohl inhaltlich als auch als politisches Signal: Die Auflösung habe den mangelnden Willen der Regierung gezeigt, die Finanzsysteme zu bekämpfen, die es nicht nur Kreml-Verbündeten ermöglichen, ihren Reichtum zu verschleiern, sondern auch internationalen Drogenkartellen, korrupten Beamten und Superreichen.
Bidens Sanktions-Politik: „Wir kommen, um Ihre unrechtmäßig erworbenen Gewinne zu holen“
Eindeutig lag der Fokus auf dem russischen Geldadel, weshalb der Demokrat Joe Biden diese Arbeitsgruppe überhaupt gegründet hatte. „Wir schließen uns mit unseren europäischen Verbündeten zusammen, um Ihre Yachten, Ihre Luxusapartments und Ihre Privatjets zu finden und zu beschlagnahmen“, habe Biden laut dem Magazine erklärt. „Wir kommen, um Ihre unrechtmäßig erworbenen Gewinne zu holen.“
„Ich sehe Anzeichen dafür, dass er versucht, sich von Putin abzugrenzen. Er dachte, weil sie gute Freunde sind, könnte er den Deal innerhalb von 24 Stunden abschließen. Offensichtlich war nichts davon auch nur annähernd wahr.“
Genau wie die Europäische Union wollte der 46. US-Präsident den Ukraine-Krieg beenden helfen, indem er die Finanzen der russischen Elite identifizieren und einfrieren wollte beziehungsweise diejenigen bestrafen, die gegen Exportverbote und Sanktionen verstießen. „KleptoCapture“ galt als US-Anteil an den internationalen Bemühungen, Russland von den Weltmärkten auszuschließen und anhand wirtschaftlicher Einschränkungen die Finanzierung des Ukraine-Krieges so gut wie möglich zu erschweren.
Wie Reuters berichtet, habe die Task Force beispielsweise Anklage erhoben gegen gegen den Aluminiummagnaten Oleg Deripaska und den Fernsehmogu Konstantin Malofejew wegen angeblicher Sanktionsverstöße und beschlagnahmte Yachten der sanktionierten Oligarchen Suleiman Kerimow und Wiktor Wekselberg. Außerdem sei ein Schuldbekenntnis erwirkt worden gegen einen US-Anwalt, der Zahlungen in Höhe von 3,8 Millionen US-Dollar geleistet hatte für die Instandhaltung von Immobilien, die Wekselberg gehörten. Die meisten Mittel der Superreichen stecken vermutlich in Offshore-Investitionen, also beispielsweise Inseln die ehemals zum britischen Kolonialreich gehört haben und jetzt als Steueroasen gelten. „Kaum ein Land ist so eng mit diesem System verflochten wie Russland“, schreibt New York Times-Autor Alex Dziadosz.
Putins Schwarzgeld: Bis zu 60 Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts könnten in Steueroasen liegen
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sollen die Angehörigen der russischen Elite Ende der 1990er-Jahre Briefkastenfirmen, genutzt haben, um monatlich bis zu zwei Milliarden Dollar außer Landes zu schaffen, so Dziadosz. Statt Russland vom Offshore-System abzukoppeln, habe er das zu einem Instrument staatlicher Macht umgewidmet, schreibt der Autor: „Anonyme Firmen wurden genutzt, um das Vermögen von Putins Freunden und Familie zu verschleiern, Europas extreme Rechte zu finanzieren , Zahlungen an wohlgesonnene Journalisten zu leisten und Geld an prorussische Politiker in aller Welt, auch in der Ukraine, zu leiten.“
Dziadosz verweist auf eine Studie aus dem Jahr 2017, nach der bis zu 60 Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts in Steueroasen liegen mögen. Und das könnte so bleiben; jedenfalls werden die USA jetzt den Griff nach den Mitteln der herrschenden Schicht in Russland lockern. „Er sagte im Wesentlichen: ‚Ich bin raus‘“, erklärte ein Vertrauter Trumps nach dem letzten Telefonat zwischen Donald Trump und Wladimir Putin, wie die New York Times notiert hat. Im Anschluss an das Gespräch soll Trump dann innerhalb seines Beraterstabes geäußert haben, dass er nicht die Absicht verspüre, Druck auf Russland auszuüben, geschweige denn harte Wirtschaftssanktionen durchzusetzen, wie David E. Sanger wiedergibt.
Das Ende der Task Force ist keine Folge eines emotionalen Ausbruchs von Donald Trump, sondern das Ergebnis eines versuchten Schmusekurses des US-Amerikaners mit dem Russen vom Anfang seiner zweiten Amtsperiode. Den Trump wohl doch noch umzusetzen versucht. Oder aber er verzichtet auf weitere Schritte gegen Russland, um sich weitere außenpolitische Blamagen zu ersparen und gegen China weiter den starken Mann markieren zu können.
Trump auf Schlingerkurs: „Ich sehe Anzeichen dafür, dass er versucht, sich von Putin abzugrenzen“
„Ich sehe Anzeichen dafür, dass er versucht, sich von Putin abzugrenzen. Er dachte, weil sie gute Freunde sind, könnte er den Deal innerhalb von 24 Stunden abschließen. Offensichtlich war nichts davon auch nur annähernd wahr“, sagt John Bolton gegenüber The Atlantic. „Jetzt hat Putin angefangen, ihn etwas unter Druck zu setzen. Sie fangen an, ihn zu verspotten“, so Trumps ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater zum Magazin.
„Der Präsident ist wütend, aber er will auch einen Deal“, überschreiben die Autoren Jonathan Lemire und Ashley Parker ihre Analyse, inwieweit das Tischtuch zwischen den beiden mächtigen Männern zerschnitten sei. Lemire und Parker erinnern an Sanktionen Trumps gegen Moskau aus dessen erster Amtszeit beispielsweise wegen vermeintlicher Wahlmanipulation und Cyberhacking – allerdings habe sich Trump auch damals schon damit begnügt, auf hartes Durchgreifen gegenüber Putin zu verzichten. Trump will offenbar keinen politischen Prozess, sondern Hauruck-Lösungen. „Trotz der jüngsten Spannungen mit Trump hat Putin seit Trumps Rückkehr ins Präsidentenamt im Januar fast alles bekommen, was er von Washington wollte“, resümieren Lemire und Parker.
Europas Ohnmacht: „Sie versuchten, den Druck auf Russland zu erhöhen und gleichzeitig Energie zu kaufen“
Allerdings ist der Stab über Donald Trump nur allzu leicht zu brechen. Politiker der Europäischen Union tun sich ebenfalls schwer mit Konsequenz gegenüber Russland: „Sie versuchten, den Druck auf Russland zu erhöhen und gleichzeitig Energie aus Russland zu kaufen, russischen Künstlern Tourneen in Europa zu ermöglichen und Sanktionen gegen russische Oligarchen zurückzuhalten, die in Branchen tätig sind, von denen Europa abhängig ist, wie etwa der Energie- und Chemieindustrie“, schreibt Vladyslav Vlasiuk für den europäischen Thinktank Centre for Economic Policy Research (CEPR).
Angesichts von insgesamt 17 „Sanktionspaketen“ gegen Russland im Zeitraum zwischen Februar 2022 und Mai 2025 und einem unaufhörlich simmernden Krieg in der Ukraine scheint dieses Mittel keines zu sein, dass Wladimir Putins Soldateska effektiv stoppt. Und wie sein Verhalten gegenüber Donald Trump zeigt, hat er noch genug Spielraum, um Verhandlungsbereitschaft anzutäuschen und stattdessen seine Rüstungsindustrie zu forcieren. Beispielsweise haben das Nachrichtenmagazin Spiegel und dänische Investigativjournalisten von Danwatch herausgefunden, dass Russland nicht nur seine Atomwaffensilos massiv ausbaut, sondern das auch mit Baustoffen, die auf einen Hersteller aus dem deutschen Unterfranken zurück zu verfolgen sein sollen.
Sanktionen zahnlos: In weniger als zehn Prozent setzt das sanktionierte Regime den Druck vollständig um
Ein ernüchterndes Ergebnis von Sanktionen liefert aktuell das Magazin The Conversation – die Autoren Sergej Sosnowski, Anton Klarin und Htwe Htwe Thein verweisen auf Studien, laut derer in weniger als zehn Prozent der Sanktionen das sanktionierte Regime den von außen ausgeübten Druck vollständig umsetze. Sanktionen, die Teilzugeständnisse oder Verhandlungslösungen erlaubten, realisierten eine Erfolgsquote von höchstens 35 Prozent. Den Autoren zufolge sei die Vorstellung, dass Sanktionen den Handel mit sanktionierten Ländern völlig einschränken könnten, weitgehend falsch.
Trumps „Zickzack-Gespräche“ ließen dennoch keine Erklärung dafür zu, warum ihm vollkommen misslungen sei, Putin trotz ihrer Beziehungen zu bewegen, seinen Kurs gegenüber der Ukraine zu korrigieren, oder wenigstens einem 30-tägigen Waffenstillstand zuzustimmen, schreibt NYT-Autor David E. Sanger. Der Realität entrückt scheint insofern auch Trumps außenpolitischer Schlingerkurs gegenüber Putin. Sanger protokolliert, dass Trump immer wieder betone, „er ziehe Sanktionen ,absolut‘ in Erwägung“; aber, so Sanger: „Doch jedes Mal, wenn er gezwungen war, eine Entscheidung über den Beitritt zu Europa mit neuen wirtschaftlichen Sanktionen zu treffen, machte er einen Rückzieher.“