Zahl der Messerangriffe deutlich gestiegen: „Der Sheriff-Stern von Herbert Reul rostet“
In NRW gab es im letzten Jahr besonders viele Messerangriffe. SPD-Fraktionschef Jochen Ott kritisiert den Innenminister scharf – und stellt eine Forderung.
Köln – Das Thema ist zu komplex, um allein blanke Zahlen sprechen zu lassen – und doch zeigen die jüngsten Statistiken zumindest eine Tendenz: Die Zahl der Gewaltdelikte in Deutschland nimmt zu. Laut der im April vorgestellten Kriminalstatistik gab es im Jahr 2023 in Deutschland 215.000 Fälle von Gewaltstraftaten – es ist der höchste Stand seit 15 Jahren.
Zahl der Messerangriffe ist gestiegen: „Eine Teufelsspirale“
Ein neues großes Problemfeld: Angriffe mit Messern. „Den Verdacht, dass die Zahl der Messerangriffe gestiegen ist, hatten wir schon länger. Die jüngste Kriminalstatistik hat das nun bestätigt“, sagte jüngst Michael Mertens, der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, gegenüber dieser Redaktion. Er nannte das Phänomen eine „Teufelsspirale“: „Immer mehr Menschen nehmen ein Messer mit, um sich vermeintlich verteidigen zu können.“
Aktuelle Zahlen von Juni zeigen: NRW liegt über dem Bundesdurchschnitt, was Messerdelikte anbetrifft. Hier stieg die Zahl um mehr als 22 Prozent. Im vergangenen Jahr starben im bevölkerungsreichsten Bundesland 198 Menschen durch Messer. 156 Angriffe wurden von den Behörden als versuchte Tötung und 2.450 als Körperverletzung bewertet. Im Innenministerium zeigt man sich einigermaßen ratlos. „Es gibt keine einfache Antwort auf dieses Problem. Messer haben sich zu einem der gefährlichsten Instrumente unserer Zeit entwickelt. Es gibt immer weniger Skrupel sie einzusetzen“, sagte Innenminister Herbert Reul zuletzt im Gespräch mit dieser Redaktion. Sein Mittel: Härtere Strafen, mehr Kontrollen. „Wir müssen versuchen klarzumachen: Wir greifen hart durch“, so CDU-Politiker Reul, der seit Jahren eine „Null-Toleranz-Politik“ propagiert und öffentlichkeitswirksam vor allem der Organisierten Kriminalität immer wieder den Kampf ansagt.
Kritik von der SPD: „Innenministerium hat keine gute Bilanz vorzuweisen“

Harsche Kritik gab es jetzt von der Opposition. „Das Innenministerium hat keine gute Bilanz vorzuweisen. Herbert Reul gibt sich als harter Sheriff, aber seine Zahlen sind schlecht“, sagte SPD-Fraktionschef Jochen Ott im Interview mit IPPEN.MEDIA. Es reiche nicht, sich „medial als Clan-Jäger“ zu inszenieren, es fehlten Staatsanwälte und Ermittler, die „all die Akten durchackern“ könnten. „Der Sheriff-Stern von Herbert Reul rostet. Und die Frage ist, ob er überhaupt noch die Kraft hat, den Stern wieder aufzupolieren“, legte Ott nach. Eine konkrete Lösung für das Messerproblem hat auch der Oppositionsführer nicht parat. Aber: „Wir haben gefordert, dass man Waffenverbotszonen ausweitet. Man muss in Deutschland nicht mit einem Messer durch die Gegend laufen.“
Messerverbotszonen in der Bahn: „Würde Bahnfahren deutlich sicherer machen“
Ähnlich argumentierte vor einiger Zeit Sebastian Fiedler, polizeipolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, im Gespräch mit dieser Redaktion. In Düsseldorf und Köln gibt es bereits seit Ende 2021 Waffenverbotszonen. „Das Modell dort ist sehr erfolgreich“, so Fiedler. Die Einrichtung solcher Bereiche ist Sache von Ländern und Kommunen. Aber in einem Bereich sollte man Waffenverbotszonen bundesweit ausrollen, findet der SPD-Politiker: nämlich in der Bahn. „Das würde das Bahnfahren deutlich sicherer machen“, so Fiedler. „Denn die Erfahrung zeigt: Wenn jemand schon ein Messer dabei hat, dann ist er auch schnell bereit, es einzusetzen.“
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Jochen Ott plädierte unterdessen für schnellere Justizverfahren und mehr Prävention: „Bei TikTok können schon Kinder ständig Videos von brutalen Schlägereien und Messerstechereien sehen. Irgendwann bekommen sie das Gefühl, das ist normal.“ Es brauche Gegeninitiativen in den sozialen Medien. „Da muss massiv in Know-how und Ressourcen investiert werden.“