„Risiko“ bei Trumps Ukraine-Verhandlungen mit Russland: „Das ist das größte Dilemma“

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Die USA und Russland verhandeln über Frieden in der Ukraine. Der ukrainische NGO-Chef Oleksandr Sushko nennt im Interview Forderungen und Gefahren.

München – Weder Donald Trump noch Wladimir Putin waren bei der Sicherheitskonferenz in München. Und doch beherrschten sie die Debatten. Mit J.D. Vance‘ Wahlkampfeingriff zugunsten der AfD. Vor allem aber mit Trumps geplanten Ukraine-Friedensverhandlungen ohne Ukraine und Europa am Verhandlungstisch.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko warnte auf dem Siko-Panel des Autobauers BMW davor, Putins Kriegslust zu unterschätzen: Auch Ostdeutschland sei für Putin seit dessen KGB-Zeit in Dresden Teil des imperialen Denkens. Oleksandr Sushko geht im Interview mit dem Münchner Merkur nicht ganz so weit. Aber der Direktor der ukrainischen NGO „International Renaissance Foundation“ sieht wie Klitschko große Gefahren in einem voreiligen „Frieden“. Sushko erklärt drei Bestandteile einer wünschenswerten Verhandlungslösung.

Ukraine-Verhandlungen zwischen USA und Russland: „Putin glaubt, dass Trump für ihn ein guter Partner ist“

Herr Sushko, die USA wollen nun mit Russland über eine „Lösung“ im Ukraine-Krieg sprechen – vorerst ohne Kiew. Wie alarmiert ist man in der Ukraine?

Es ist kein Geheimnis, dass Trump einen großen Umbruch in allen Belangen bedeutet, inklusive dieser Friedensbemühungen. Zunächst einmal glaubt er, dass ein Frieden möglich ist und dass er den Weg dorthin kennt. Im Moment wäre es voreilig, zu sagen, ob er damit recht hat. Aber es gibt bei vielen in der Ukraine das Gefühl, dass Trump übertriebene Erwartungen geschürt hat; dass er nahegelegt hat, dass der Frieden nur einen Schritt entfernt ist.

Putins Außenminister Sergej Lawrow kommt zu den Ukraine-Verhandlungen an – Oleksandr Sushko (eingeklinkt) warnt vor großen Risiken.
Putins Außenminister Sergej Lawrow kommt zu den Ukraine-Verhandlungen an – Oleksandr Sushko (eingeklinkt) warnt vor großen Risiken. © Montage: Imago/SNA/Danil Shamkin/fn

In 24 Stunden wollte er den Krieg beenden.

Ja. Und selbst wenn es nicht um 24 Stunden geht: Ich würde bezweifeln, dass ein Frieden binnen einiger Monate möglich ist. Trump glaubt das aber. Reicht das für Frieden? Nein. Dennoch können wir das nicht ignorieren. Doch es gibt noch eine andere Seite der Geschichte.

Und zwar?

Putin. Putin glaubt, dass Trump ein guter Partner ist, um seine Ziele zu erreichen. Er sagt gerne, dass er die „Wurzel“ des Konflikts erreichen will. Und das ist für ihn mit Sicherheit die Existenz der Ukraine. Die große Frage lautet nun: Wie können Trumps und Putins Ziele in Einklang gebracht werden? Was wollen sie erreichen?

Ende des Ukraine-Kriegs dank Trump? „Putin will nicht wirklich Frieden“

Das ist insbesondere eine heikle Frage, wenn die USA und Russland alleine miteinander sprechen. Und Trump hat Putin zuerst angerufen, vor Wolodymyr Selenskyj.

Aus meiner Sicht ist nicht so entscheidend, ob der erste Anruf an Putin oder Selenskyj geht. Wir wissen, dass es Konsultationen gab, und die Positionen Kiews und Moskaus sind weitgehend bekannt. Natürlich hat das eine symbolische Bedeutung. Aber das ist nicht entscheidend. Wichtiger ist, ob die Ukraine Teil der Verhandlungen sein wird. Es wird auch für Europa wichtig sein, beteiligt zu sein.

Warum ist Europas Beteiligung aus Ihrer Sicht wichtig?

Schon allein wegen seiner Komplexität können Washington und Moskau den Konflikt nicht allein lösen. Putin hat von Anfang an versucht, den Krieg als einen zwischen ihm und dem „Westen“ darzustellen. Und zu einem gewissen Grad hat Trump dieses Narrativ jetzt belohnt. Aber was auch immer Trump tut – er hat den Schlüssel für eine Lösung nicht in seinen Händen. Putin will nicht wirklich Frieden. Er will über den Verhandlungstisch in die globale Politik zurückkehren. Er wird verhandeln. Aber Frieden ist aus heutiger Perspektive sehr fern.

Was müsste ein tragfähiger Friedensschluss aus ukrainischer Perspektive enthalten?

Zunächst vor allem eine Rückkehr zum Völkerrecht, zu den legitimen Grenzen und zur Souveränität. Aber das ist auf absehbare Zeit schwer zu erreichen. Insofern ist vorerst jedes theoretisch denkbare Friedensarrangement nicht wirklich nachhaltig. Denn es wird zumindest einige von Putins Zielen befriedigen; Teile von Russlands Gebietsgewinnen etwa. Auch Teile der Souveränität der Ukraine sind in Gefahr. Putin geht es zwar nicht um ein Stück Land – aber wenn er die Kontrolle über ukrainisches Gebiet gewinnt, ist das für ihn ein gutes vorläufiges Ergebnis. Das wäre ein Zeichen, dass er so weitermachen kann. Das ist das größte Risiko.

„Landgewinne wären für Putin eine Basis, um weiter vorzurücken“

Was befürchten Sie konkret?

Landgewinne wären für ihn eine Basis, um weiter vorzurücken. Vielleicht nicht jetzt gleich. Vielleicht in drei Jahren, in fünf Jahren, in zehn Jahren. Vielleicht tut das erst einer seiner Nachfolger. Das weiß niemand. Aber eine solche Lösung würde weitere Kriegspläne befeuern. Es geht dabei gar nicht darum, dass die Ukrainer so auf ihrer territorialen Integrität bestehen. Wir können verstehen, dass eine Rückeroberung dieser Gebiete so viele Menschenleben kosten würde, dass sie für den Moment unmöglich ist. Aber wenn wir Putins Gewinne anerkennen, besteht die Gefahr, dass der Krieg ziemlich bald zurückkehrt. Das ist das größte Dilemma.

Sehen Sie andere, greifbarere Bestandteile eines Friedens?

Ein Arrangement, dass der Ukraine Sicherheit garantiert. Das natürlichste und wünschenswerteste Ziel wäre ein Nato-Beitritt. Die Allianz existiert bereits, man könnte die Ukraine einfach integrieren. Aber da gibt es Vorbehalte bei einigen Mitgliedsstaaten, und Trumps Regierung hält diese Lösung für ungeeignet – weil sie dem Ziel widerspricht, das US-Engagement zu reduzieren. Wir haben keine Illusionen darüber, dass wir unter Trump der Nato beitreten könnten. Also braucht es etwas anderes.

Putin will eine Welt, die der nach dem Zweiten Weltkrieg ähnelt. Mit einer Berliner Mauer, mit einer Aufteilung zwischen Großmächten, festen Einflusssphären.

Was könnte das sein?

Eine Allianz der Willigen etwa, die Friedenstruppen entsendet; internationale Übereinkünfte, die der Ukraine Sicherheit bei einem weiteren russischen Angriff garantieren. Das ist der erste Punkt. Die Ukraine leidet allerdings unter ihrer Naivität in den 90ern, als sie das Budapester Memorandum unterzeichnete, das nicht funktioniert hat. Der Enthusiasmus für solche Pläne ist in der Ukraine aufgrund dieser Vorgeschichte nicht besonders groß.

Und der zweite Punkt?

Das ist die Verteidigungskapazität der Ukraine selbst. Und hier verbirgt sich das zweite große Risiko. Denn Putin wird darauf bestehen, dass die Ukraine keine starke Armee und keine starke Rüstungsindustrie bekommt. Es ist ihm diesmal nicht gelungen, die Ukraine zu besetzen, für den Moment ist das unmöglich. Aber er will die Basis für eine nächste Phase der Unterdrückung legen. Mit einer Ukraine, die nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen.

Ukraine-Krieg: Was will Putin wirklich? „Sein Vorhaben ist komplex“

Sie haben gesagt, Putins eigentliches Ziel sei nicht die Eroberung eines Stückes Land. Was ist aus Ihrer Sicht sein wirkliches Ziel? Eine neue „Weltordnung“, wie die Macher der Sicherheitskonferenz schreiben?

Sein Vorhaben ist komplex. Zunächst einmal ist sein Denken von seiner KGB-Vergangenheit geprägt. Vor allem von der Idee, dass es einen Konflikt mit dem Westen über die Vorherrschaft in Mittel- und Osteuropa gibt. Er will eine Welt, die der nach dem Zweiten Weltkrieg ähnelt. Das ist seine ideale Welt; mit einer Berliner Mauer, mit einer Aufteilung zwischen Großmächten, mit festen Einflusssphären. Das ist etwas ganz anderes als die faire Weltordnung, die wir in der demokratischen Welt im Sinn haben. Wir müssen das sehr ernst nehmen.

Und gerade jetzt wollen sich die USA offenbar aus Europa zurückziehen. Kann Europa, kann die EU diese Lücke überhaupt füllen?

Zunächst einmal ist diese Situation eine Rückkehr zu einer Art Normalität. Europa war über Jahrhunderte für sich selbst verantwortlich. Etwas wie den US-Schutzschirm kann es über ein paar Jahrzehnte geben, aber das kann nicht für immer andauern. Die europäischen Staaten werden Verantwortung für sich übernehmen müssen. Oder die Union, wenn sie sich als echte Union erweist. Das ist ein schmerzhafter Wandel für Europa, insbesondere mit Blick auf die Kosten. Geld in Verteidigung statt in Bildung oder Gesundheit zu investieren ist unpopulär. Die Regierungen, die sich dafür entscheiden, werden Popularität einbüßen, und es wird schwierig sein, durchzuhalten. Aber das ist der einzige Weg, auf Dauer Sicherheit zu garantieren.

Welche Rolle sehen Sie dabei für die Ukraine?

Die Ukraine ist jetzt Beitrittskandidatin und bewegt sich Schritt für Schritt Richtung Integration in den EU-Markt, in die gemeinsame Gesetzgebung. Aber auch die Integration in die europäische Verteidigung ist wichtig. Und dabei hat die Ukraine einiges beizutragen. Es gibt hier Menschen, die wissen, worauf es im modernen Krieg ankommt. Das ist eine schmerzhafte Erfahrung, aber sie kann für Europa von Nutzen sein – um sich auf künftige Herausforderungen vorzubereiten. (Interview: Florian Naumann)

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