Warum ich als 18-Jähriger auf ein soziales Pflichtjahr hoffe
Sollte Deutschland ein verpflichtendes soziales Jahr für junge Menschen einführen? Ja, sagt der 18-jährige Leon - und hat dabei große Bauchschmerzen.
München – Diesen Kommentar zu schreiben, ist mir alles andere als leicht gefallen. Seit Monaten debattiert das Land intensiv darüber, ob ein soziales Pflichtjahr oder gar eine neue Wehrpflicht für junge Menschen eingeführt werden sollte. „Ja!“, rufen die einen, das helfe schließlich der Wirtschaft, der Armee, der Gesellschaft und dem Land im Allgemeinen. „Nein!“, entgegnen die anderen, das könne man doch den jungen Menschen moralisch unmöglich aufzwingen. Bei all dem, was sie in der Vergangenheit schon alles durchmachen mussten, wäre das doch total unfair!
Die Krisen-Generation: Junge Menschen kommen aus dem Chaos kaum heraus
Wenn wir ehrlich sind: Damit haben diese Menschen auch völlig recht. Keine Generation wurde in den letzten Jahren so hart vom Schicksal getroffen wie wir junge Menschen. Denken wir an Corona: Während es im Bundeskanzleramt (verständlicherweise) mehrere Industrie-, Auto- und Wirtschaftsgipfel gab, gab es keinen einzigen für Kinder und Jugendliche. Das Resultat dieser Vernachlässigung habe ich selbst erlebt, als ich viele Monate im aberwitzigen und völlig fehlgeschlagenen Home-Schooling verbrachte, mit dem Wissen, am Nachmittag noch nicht mal auf den Bolzplatz um die Ecke gehen zu dürfen oder mehr als einen Freund einladen zu können. Und ich hatte es ja gut: Was mir irgendwann nur tierisch auf die Nerven ging, hat bei anderen bleibende psychische Schäden verursacht. Und das überrascht mich wenig.
Auch sind die Aussichten für die Zukunft ja wirklich alles andere als rosig: Der Klimawandel schlägt mittlerweile immer hemmungsloser um sich, Russland klopft wenig einfühlsam an Europas Türe und auch der Ausblick auf ein Mega-Loch in der Rentenkasse in wenigen Jahren, das dann vor allem wir Jungen stopfen müssen, macht wenig Freude. Und diesen gebeutelten jungen Menschen soll nun ein soziales Pflichtjahr aufgebrummt werden? Ja, sage ich - weil es leider notwendig ist.
Gespaltenes Land: Wie ein Pflichtjahr die Gesellschaft zusammenbringen könnte
Die Bundeswehr, der Pflegebereich und die Kindertagesstätten teilen ein Problem: Den großen Personalmangel. Überall fehlt es an tatkräftigen Händen. Ein soziales Pflichtjahr, bei dem junge Menschen ein Jahr lang solche Berufe ausüben, kann dabei helfen, diese Lücken zumindest zeitweise zu stopfen. Besonders bei unserer Armee wäre das wichtig: Denn wenn wir nicht verteidigungsbereit sind, und Putin so einladen, mal vorbeizukommen und unsere Städte in zweite Charkiws oder Mariupols zu verwandeln, ist das Renten-Problem für meine Generation die kleinste Sorge.
Vor allem aber sehe ich Eines: die Chance, den gesellschaftlichen Zusammenhalt wieder kräftig anzukurbeln. Auch unser Land ist mittlerweile zu stark durchzogen von einzelnen Bubbles, die mal mehr, mal weniger gut miteinander auskommen. Das ist schlecht, denn in herausfordernden Zeiten brauchen wir eigentlich ein gutes Kollektiv, nicht viele einzelne Grüppchen, die sich gegenseitig mit übergroßen Vorurteilen voneinander abhalten. In einem sozialen Jahr hätten junge Menschen zwangsläufig die Gelegenheit, aus ihren Blasen herauszubrechen und neue Menschentypen kennenzulernen, denen sie sonst womöglich aktiv ausgewichen wären. Das wäre für die heutige Zeit gut - und vor allem für die Gesellschaft der Zukunft.

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Möglicher Deal: Wir verteidigen und pflegen euch - dafür macht ihr jugendfreundlichere Politik
Ich bin mir sicher: Wenn der Plan mit dem sozialen Pflichtjahr aufgeht, stehen wir am Ende geschlossener, geeinter und stärker dar. Jedoch soll eines noch gesagt sein: Wenn die Gesellschaft solch eine Leistung von den Jungen abverlangt, sollte sie ihnen auch etwas zurückgeben. Dazu gehören zum einen der dafür fällige Respekt, und zum anderen auch eine stärker auf die Jugend ausgerichtete Politik. Die sich anbahnende neue Regierung hätte jetzt die perfekte Möglichkeit, mit wirksamen Entlastungen und kräftigen Investitionen in Bildungsstätten ein gutes erstes Zeichen zu setzen. Der Ball liegt also, wie so oft, in Berlin.