Auszug aus „Nur wer’s richtig sagt, kommt ans Ziel“ (Auszüge aus dem Kapitel „Wie Kommunikation funktioniert und warum sie doch oft scheitert“ S. 21/22 + +S. 34,35,36,37 +S. 41/42)
Wenn mich Menschen fragen, warum ich so gut frei sprechen kann, dann erzähle ich von meiner Superpower: Beobachten.
Das habe ich schon als Kind geliebt. Manchmal saß ich stundenlang am Fenster und habe einfach Menschen auf der Straße beobachtet, wie sie miteinander gesprochen, wild gestikuliert haben oder ineinander verschlungen waren. Das ist bis heute so. Ich bin meist die Erste, der auffällt, wie Menschen im Raum stehen, was sie tun, bevor sie zum Reden ansetzen.
Es gibt einiges, was außerhalb meines Talentbereichs liegt, aber eine Sache liebe und kann ich wirklich: den Raum lesen.* Also die Stimmung und die Menschen in einem Raum wahrnehmen und erfassen, was unausgesprochen mitschwingt. Viele unterschätzen diese Fähigkeit, wenn es darum geht, gut zu sprechen. Und sind sie einmal im Redefluss, blenden sie die Reaktion des Gegenübers aus oder anders: können das Gegenüber gar nicht lesen. Dabei bin ich der festen Überzeugung: Je besser du andere lesen kannst, desto besser kannst du selbst kommunizieren.
Körpersprache, Stimme und Haltung – oder: Die Macht des Unausgesprochenen
Unsere Worte machen nur einen Teil unserer Wirkung aus. Entscheidend ist, wie wir etwas sagen. Wenn du also bewusst, strategisch und zielgerichtet kommunizieren willst, musst du die nonverbale Dimension des Sprechens unbedingt mitdenken. Nur wenn die Botschaft deiner gesprochenen Worte mit dem Tonfall und den körperlichen Signalen übereinstimmt, kann sie richtig wirken. In der Forschung wurde nachgewiesen, dass sogar der Großteil der übertragenen Informationen auf der nonverbalen Ebene erfolgt. Deine innere Haltung muss sich also nicht nur im Gesagten, sondern quasi "wortwörtlich" in deiner Körpersprache ausdrücken.
Das gilt aber auch umgekehrt: Wenn du dich zu sehr auf das verbal Gesagte konzentrierst, lässt du die wichtigsten Informationen weg. Je besser du beobachtest, wie dein Gegenüber auftritt, wie etwas gesagt wird, wie die Körperhaltung dabei ist, desto eher kann die Kommunikation insgesamt gelingen – und desto effektiver kannst du kommunizieren. Wie wichtig es dabei ist, überzeugend argumentieren zu können – unabhängig davon, ob man »recht hat« oder nicht –, habe ich selbst erprobt! Meine Herausforderung als Jugendliche bestand darin, überhaupt meine Stimme zu erheben. Deshalb begann ich, etwas zu ändern – beispielsweise in Zweiergesprächen einfach mal zu schauen, was passiert, wenn ich eine andere Position einnehme als mein Gegenüber. Das hieß, ganz bewusst einen Konflikt in Kauf zu nehmen. Nicht, weil ich felsenfest vom Gegenteil überzeugt war, sondern, weil ich üben wollte, wie ich meinen Standpunkt strukturiert vertreten kann – und dabei beobachtete, was das mit der Beziehungsebene macht. So diskutierte ich mit einer Freundin über das Thema Geiz und was schlimmer sei: sich selbst oder anderen gegenüber geizig zu sein. Sie meinte: Der Geiz einem selbst gegenüber sei schlimmer. Ich vertrat die Position, dass es der Geiz gegenüber anderen sei. Ein vergleichsweise harmloses Thema. Aber ich stellte zwei Dinge fest. Erstens kann ich gut meinen Standpunkt vertreten. Und zweitens: Obwohl ich einen anderen Standpunkt einnehme, geht die Freundschaft nicht den Bach runter. Anders gesagt: Nonverbal war zu jedem Zeitpunkt klar, dass zwischen uns alles in Ordnung ist.
Um Körpersprache bewusst einzusetzen, hilft es – du hast es bestimmt geahnt –, dich selbst gut zu beobachten. Versuche, dir darüber klar zu werden, was du mit deiner Haltung kommunizierst: Bist du aufrecht? Offen? Oder verschlossen und abgewandt? Wie wirkt deine Stimme: Klingst du sicher? Zögerlich? Überzeugt?
Und meiner Meinung nach am wichtigsten – überprüfe deine innere Haltung: Glaubst du selbst an das, was du sagst? Denn um selbstbewusst auftreten zu können, musst du dir selbst bewusst sein, wofür du stehst!
Die Wahrheit ist aber: Unsere Wirkung auf andere können wir nur zu einem gewissen Maß beeinflussen. Viele nonverbale Signale senden wir spontan und unbewusst. Gerade Empfindungen wie Wut, Angst, Unsicherheit oder Freude äußern sich
unvermittelt und ohne unser Zutun. Das Wichtigste ist darum, uns der Signale, die wir senden, überhaupt bewusst zu werden.
„Selbstwahrnehmung ist der Schlüssel, um bis zu einem gewissen Maße das Bewusstsein und die Kontrolle über die eigene nonverbale Kommunikation zu erlangen.“
Übrigens: Wenn das verbal und das nonverbal Kommunizierte in Konflikt stehen, glauben wir tendenziell eher der nonverbalen Botschaft! Die Fähigkeit, andere Menschen und ihre Verhaltensweisen zu lesen, finde ich deswegen so unendlich faszinierend, weil sie so viel über den Menschen hinter der Fassade eröffnet. Ein weiterer entscheidender Aspekt der Körpersprache ist der wechselseitige Einfluss: Nicht nur beeinflussen unsere Gefühle unsere Körperhaltung, sondern unsere Körperhaltung kann umgekehrt auch unsere Gefühle und unser Selbstbewusstsein prägen.
So kann das Einnehmen einer selbstsicheren Körperhaltung sich wiederum positiv auf den Gemütszustand und das Selbstbewusstsein auswirken. Ein bekanntes Konzept, das diesen wechselseitigen Einfluss nutzt, ist das Power-Posing von Amy Cuddy. Ihre Theorie besagt, dass das Einnehmen expansiver, dominanter Körperhaltungen (z. B. die »Superhelden«-Pose oder die Siegerpose) dazu führen kann, dass man sich mächtiger und selbstbewusster fühlt. Mit solchen Hacks lässt sich aber nur kurzfristig ein Effekt erzielen. Wer langfristig und nachhaltig seine Wahrnehmung von außen und damit seine nonverbale Kommunikation verbessern möchte, kommt an der inneren Arbeit nicht vorbei.
Die wichtigste Schlussfolgerung lautet: Selbstverbesserung in der Kommunikation muss mit Selbstwahrnehmung und emotionaler Regulierung beginnen.
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Reden ist nicht gleich wirken
Manche Menschen sagen viel – und bewirken wenig. Andere sagen wenig – und bewegen viel. Warum ist das so? Weil Wirkung nicht allein durch Inhalte entsteht. Sie entsteht vielmehr durch Präsenz, Klarheit, Timing, Authentizität. Wer wirken will, muss spüren, was die Situation braucht. Und lernen, wie man Resonanz erzeugt.
Der nonverbale Anteil der Kommunikation ist dabei, wie gerade ausgeführt, entscheidender als der Inhalt. Darum ist der Schlüssel für eine gelungene Kommunikation, die eigene Wirkung zu kennen: Wie erscheine ich? Was strahle ich aus? Wie höre ich zu?
Was ich persönlich immer faszinierend finde, sind Körpersprachen- Analysen von Expertinnen und Experten. Es lohnt sich wirklich, sich einmal bewusst anzuschauen, wie Gesten, Haltungen oder Mikroausdrücke gedeutet werden – und wie viel sich allein daran ablesen lässt.
Ein Beispiel: In einem Fernsehbeitrag sah ich neulich die Analyse des ersten Besuchs von Friedrich Merz als Kanzler in den USA. Was zunächst wie ein normales Gespräch zwischen Merz und Donald Trump wirkte, wurde in der Analyse richtig spannend.
Da ging es um Gesten wie das Zeigen auf einen Platz – ein Signal von Dominanz. Oder um das Aufeinanderpressen der Lippen – ein Zeichen für Anspannung. Und dann um das allmähliche Zurücklehnen – als Hinweis auf zunehmende Sicherheit und Entspannung im Gesprächsverlauf. Siehst du dir das Video später noch einmal an, fällt sofort auf: Das stimmt. Genau diese kleinen Details erzählen eine Geschichte – ganz ohne Worte.
Darum mein Tipp an dich: Schau dir solche Analysen bewusst an. Es ist erstaunlich, wie viel man über Kommunikation lernen kann, wenn man beginnt, nicht nur auf Inhalte, sondern auf Wirkung zu achten. Und irgendwann erwischst du dich garantiert selbst dabei, wie du im Gespräch denkst: Interessant, warum habe ich gerade die Schultern gesenkt? Oder: Wieso presse ich eigentlich gerade die Lippen zusammen? Das ist der Anfang von bewusster Kommunikation. Sie beginnt bei dir – und deiner Körperwahrnehmung.
Donald Trumps mediale Strategien und seine nonverbalen Verhaltensweisen zu analysieren, ist übrigens – ob man ihn nun mag oder nicht – sehr lohnend. Eines seiner Markenzeichen ist sein Geschrei. Man stelle sich nur mal vor, wie das Umfeld reagieren würde, wenn insbesondere Politikerinnen anfangen würden, auf diese Weise Debatten zu führen und zu dominieren …
Ich habe das nicht nur während meiner eigenen Zeit im politischen Betrieb, sondern vielfach auch im beruflichen Umfelderleben dürfen: Es gibt so viele Menschen, die sehr viel Interessantes zu berichten wissen. Aber viele trauen sich nicht. Oder sie werden daran gehindert. Weil es die Laut- und Vielsprecherinnen und -sprecher gibt. Weil es diejenigen gibt, die alles übertönen, die Debatten dominieren, die die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Obwohl das, was sie zu sagen haben, oft – je genauer man hinhört – eher eine dünne Nummer ist.
Und auch das gehört zur Wahrheit: Die Frage, wer sprechen darf, ist Teil unserer Kommunikationsrealität. Studien zeigen, dass in beruflichen Meetings Männer häufiger unterbrechen und mehr Redezeit beanspruchen. Das hat Folgen für die Wahrnehmung – und für die Wirkung von Sprache und in der letzten Konsequenz für die Kultur in den Unternehmen, in der Politik und der Gesellschaft als Ganzem.
In aller Kürze
Kommunikation ist kein Talent – sondern ein Zusammenspiel aus Bewusstsein, Übung und Beobachtung. Wer lernt, genau hinzuschauen und zuzuhören, hat die besten Voraussetzungen, verstanden zu werden. Und genau da beginnt die Reise in diesem Buch: bei dir. Und bei dem, was du aussendest, noch bevor du das erste Wort sprichst. Zudem müssen wir uns im Klaren darüber sein, was wir beim Empfänger auslösen wollen. Wenn ich nicht weiß, warum ich rede, warum ich ins Gespräch gehe, überlasse ich dem Gegenüber die Führung des Gesprächs und erlaube, dass er sein Ziel verfolgt und nicht ich.
*"Den Raum lesen" ist eine übernommene Wendung aus dem Englischen (to read the room). Gemeint ist die Fähigkeit, Stimmungen, nonverbale Signale und Gruppendynamiken wahrzunehmen. Der Ausdruck stammt ursprünglich aus der Kriminologie, wurde später aber im Marketingkontext populär und beschreibt allgemein ein feines Gespür für Situationen.