„Katz-und-Maus-Spiel ist zurück“: Russische Spionage-Aktivität im Westen jetzt „höher als im Kalten Krieg“

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Russland soll seit dem Einmarsch in die Ukraine intensivere Spionage in Europa betreiben als je zuvor. Experten erklären die neuen russischen Methoden.

Berlin – Russland und der Westen befinden sich längst in einem Krieg – vielleicht nicht auf militärischer Ebene, aber auf politischer. Dieser Krieg scheint sich zuzuspitzen: Neue Erkenntnisse des Royal United Services Institute (RUSI), einer Londoner Denkfabrik, zeigen, dass der russische Geheimdienst (GRU) aus seinen vergangenen Fehlern in der Spionage lernt. Als Folge hat er zuletzt nicht nur seine Methoden angepasst, sondern auch eine neue Phase der politischen Kriegsführung gegen den Westen begonnen hat.

Die Studie des RUSI wurde von zwei Analysten der Denkfabrik sowie einem ehemaligen Berater des ukrainischen Verteidigungsministers und Chefs des Auslandsgeheimdienstes verfasst. Sie stützt sich auf Dokumente, die „von den russischen Sonderdiensten beschafft wurden“, schreiben die Autoren. Zudem führten sie Interviews mit „relevanten offiziellen Stellen“ – vermutlich Geheimdiensten – in der Ukraine und in Europa durch. Dabei wird betont, dass Russland hinsichtlich seiner Spionage in der Vergangenheit grobe Fehler begangen hat. Zahlreiche Spione wurden in den Jahren vor dem Ukraine-Krieg entlarvt und aus Europa ausgewiesen. Aus diesen Fehlern hat der Kreml aber gelernt.

„Katz-und-Maus-Spiel ist zurück“: Russland spioniert im Westen intensiver „als in Zeiten des Kalten Krieges“

„Das Katz- und Mausspiel ist wieder da“, bestätigte auch ein westlicher Geheimdienstoffizier deutschen Reportern der Financial Times, wie aus einem Bericht vom Dienstag hervorgeht. „Die russischen Aktivitäten sind genauso hoch oder sogar höher als zu Zeiten des Kalten Krieges“, wird ein zweiter zitiert. Ein dritter Offizier sagte der Zeitung: „Der russische Geheimdienst ist eine riesige Maschine und tut wieder das, was er immer getan hat.“

Russland soll seine Spionage in Europa intensiviert haben. (Symbolfoto) © Christian Ohde/IMAGO

Die Prioritäten seien dieselben wie vor dem Krieg: westliche Geheimnisse zu stehlen, die Spaltung der Nato zu vertiefen und die Unterstützung für die Ukraine zu untergraben. Der GRU hat seine Spionage-Operationen aber verstärkt und dabei seine Methoden angepasst. Damit sollen die dezimierten Spionagenetzwerke in Europa kompensiert werden.

Um Russlands Spionage im Ausland wieder zu intensivieren, würde der Kreml vermehrt „stellvertretende“ Geheimdienstakteure einsetzen. Statt wie in den vergangenen Jahren mit russischen Operateuren im Westen zusammenzuarbeiten, benutze man heute eine Reihe von Ausländern aus Politik, Wirtschaft und sogar aus Kreisen der organisierten Kriminalität. Als Beispiel nennt The Financial Times eine serbische Bande, die 2023 die Flucht von Artem Uss organisierte. Uss ist einem mit dem Kreml verbundener Geschäftsmann, der in Italien unter dem Verdacht festgenommen worden war, US-Militärtechnologie an Moskau verkauft zu haben.

Russische Spionage-Aktivität in Europa: Jüngster Vorfall aus Deutschland bereitet Sorgen

Weitere Beispiele in Europa zeigen mehr als deutlich, wie aggressiv der Spionagekrieg mit dem Westen in letzter Zeit wiederaufgenommen wurde. Erst am vergangenen Freitag (1. März) war in russischen Onlinenetzwerken ein abgehörtes 38-minütiges Gespräch zwischen dem Inspekteur der deutschen Luftwaffe, Ingo Gerhartz, und drei weiteren hochrangigen deutschen Offizieren zu Waffenlieferungen an die Ukraine veröffentlicht worden. Dabei wurde über Einzelheiten einer möglichen Lieferung und eines Einsatzes von Taurus-Marschflugkörpern im Ukraine-Krieg gesprochen.

Verteidigungsministers Boris Pistorius versicherte zwar, dass kein russischer Spion aktiv an dem Gespräch beteiligt gewesen sein konnte. Nach den bisherigen Zwischenergebnissen der Ermittlungen sei es in Singapur zu einem Datenabfluss gekommen, weil sich ein Gesprächsteilnehmer nicht an Vorgaben für die sichere Einwahl gehalten habe. Andere deutsche Verteidigungspolitiker, darunter CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter, hatten am Wochenende die Vermutung geäußert, dass sich ein russischer Spion oder eine andere unbefugte Person in die Online-Konferenz eingewählt haben könnte.

Setzt Russland verstärkt auf ausländische Spione? Weitere Vorfälle aus Spanien und Großbritannien

In Großbritannien wurde am 27. Februar mit Tihomir Iwanow Iwantschew bereits der sechste Bulgare angeklagt, Teil eines mutmaßlichen russischen Spionagerings im Vereinigten Königreich zu sein. In Spanien wurde in der Woche davor der ehemalige russische Militärpilot Maksim Kuzminow, der im vergangenen Jahr zur Ukraine übergelaufen war, erschossen in einer Tiefgarage gefunden. Es war ein gezielter Angriff auf den jungen Piloten, der geheime Dokumente sowie seinen Flieger an das ukrainische Militär übergeben hatte. Im Gegenzug wurde ihm Geld und hohe Sicherheitsmaßnahmen für ein neues Leben in Spanien versprochen.

Und im Januar eröffnete das Europäische Parlament eine Untersuchung darüber, ob die lettische EU-Abgeordnete Tatjana Zdanoka möglicherweise ein Agent des russischen Geheimdienstes ist. Zdanoka wird vorgworfen, seit Jahren für den russischen Inlandsgeheimdienst FSB tätig gewesen zu sein und sehalb versucht haben, eine kremlfreundliche Stimmung im Baltikum zu befördern. Sandra Kalniete, Roberts Zile und Ivars Ijabs von der Mitte-Rechts-Partei der Europäischen Volkspartei, den rechtsgerichteten Europäischen Konservativen und Reformisten bzw. der liberalen Partei Renew, schrieben daraufhin in einem Brief: „Es gibt andere Abgeordnete ..., die wissentlich den Interessen Russlands dienen“. Der Inhalt des Briefes lag dem Nachrichtenportal Politico vor. Sie seien davon überzeugt, dass Zdanoka kein Einzelfall im EU-Parlament ist. (nz)

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