Rente mit 69 und Abschaffung des Ehegattensplittings: Neue Forderungen für den Arbeitsmarkt

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Durch Reformen am Steuersystem und an der Rente sollen vor allem Frauen und Ältere in den Arbeitsmarkt integriert werden. © Montage

Durch Reformen bei der Rente und mit der Abschaffung der Steuerklassen III und V können bis zu 1,2 Millionen Arbeitskräfte gewonnen werden, sagt eine Analyse des Ifo Instituts.

München – Mit Erhöhungen des Renteneintrittsalters, Abschaffung der Steuerklassen III und V sowie einer Reihe weiterer sozialpolitischer Reformen lassen sich bis zu 1,2 Millionen Vollzeitkräfte gewinnen. Das ist das Ergebnis einer Analyse des Ifo Instituts. „Das Steuer- und Abgabensystem in Deutschland kann definitiv so umgebaut werden, dass der Arbeitskräftemangel gemildert wird“, erklärte Volker Meier vom Ifo Zentrum für Arbeitsmarkt- und Bevölkerungsökonomik.

Der Wegfall der Steuerklassen III und V könne zu einer Beschäftigung von 67.000 Vollzeitstellen führen, heißt es in der Analyse. Die Ampel-Koalition hatte den Wegfall der Steuerklassen und die Überführung in das Faktorverfahren im Juli beschlossen. Ziel ist es, die „Steuerbelastung anders und gerechter auf die Eheleute, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner zu verteilen“, hatte das Finanzministerium gegenüber IPPEN.MEDIA mitgeteilt.

Reformen bei Rente und Steuerklassen können „Fehlanreize für Frauen und Ältere“ beseitigt werden

Allgemein ist die Erwerbstätigkeit von Frauen ein Kernbereich der Ifo-Analyse. „Durch Fehlanreize vor allem für Frauen und Ältere liegen bislang erhebliche Erwerbspotenziale brach“, lautet die Kritik der Münchner Ökonomen. Durch den Übergang vom Ehegattensplitting zum Familiensplitting könnten zudem 200.000 Vollzeitkräfte hinzugewonnen werden. Beim Familiensplitting würde auch die Zahl der Kinder bei der Einkommenssteuer berücksichtigt.

Ein Ende der beitragsfreien Mitversicherung von Ehepartnern in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung würde ein Arbeitskräftepotenzial von 150.000 Vollzeitbeschäftigten freisetzen.

Mit dem Ausbau der Kinderbetreuung um 400.000 zusätzliche Plätze könnte laut den Fachleuten 58.000 zusätzliche Kräfte für den Arbeitsmarkt gewonnen werden. Wenn diese „vornehmlich in Mangelregionen“ geschaffen würden, ist das Potenzial noch größer. Dabei nennt das Ifo Institut vor allem Großstädte in Westdeutschland.

Ifo-Analyse sieht enormes Arbeitsmarktpotenzial bei der Rente

Die Rente ist der zweite zentrale Ansatzpunkt der Ökonomen. Den größten Beschäftigungsschub würde die Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters von 67 auf 69 Jahre bedeuten. 473.000 Vollzeitstellen würden dadurch gewonnen, teilt das Ifo Institut mit. Die Abschaffung der umgangssprachlichen Rente mit 63 würde zusätzliche 157.000 Kräfte dem Arbeitsmarkt zu führen.

Maßnahme Gewonnenes Arbeitskräftepotenzial
Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 69 Jahre 473.000
Übergang vom Ehegatten- zum Familiensplitting 200.000
Höhere Abschläge bei der Frührente 180.000
Abschaffung der Rente mit 63 157.000
Ende der beitragsfreien Mitversicherung von Ehegatten 150.000
Abschaffung der Steuerklassen III und V 67.000
Ausbau der Kinderbetreuung 58.000

Die Ökonomen nennen zudem höhere Abschläge bei Frührentnern als eine Option, mehr Erwerbstätige für die Wirtschaft zu halten. Würden diese 0,5 statt 0,3 Prozent Abzug für jeden Monat, den sie früher in Rente gehen, erhalten, würde das demnach ein „Beschäftigungsplus“ von umgerechnet 180.000 Vollzeitstellen mit sich bringen.

Umrechnung auf Vollzeitkräfte

Die Umrechnung auf Vollzeitkräfte dient dem einfachen Vergleich der Beschäftigung, obwohl die Zahl der Wochenstunden unterschiedlich ist. In dieser Analyse des Ifo Instituts gehören auch Stunden-Aufstockungen von Teilzeitkräften und der Beginn von Teilzeitstellen zu den jeweiligen Effekten.

Ifo-Ökonomen fordern Änderungen an Rente und am Steuersystem: „Jede Wochenarbeitsstunde mehr zählt“

„Angesichts des Alterungsschubs und des Arbeitskräftemangels muss unser Steuer- und Sozialsystem konsequent Erwerbstätigkeit belohnen“, erklärte Ifo-Arbeitsmarktexperte Meier. Dabei komme es auf jeden Beschäftigungsanreiz an. „Ob Einstieg in die Erwerbstätigkeit, einige Wochenstunden mehr in der Teilzeitarbeit oder längeres, weil attraktiveres Arbeiten zur Rente hin – jede Wochenarbeitsstunde mehr zählt.“

„Entsprechende Reformen wären auch ein wichtiger Beitrag für mehr Fairness unter allen Steuer- und Abgabenzahlern sowie zwischen den Generationen“, sagte HIK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. Die IHK hatte die Analyse in Auftrag gegeben.

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