Merz-Plan zur Senkung der Strompreise: Verbraucher profitieren – doch die Industrie geht leer aus
Die neue Bundesregierung will als einer der allerersten Maßnahmen die Energiepreise senken. Besonders im Fokus ist dabei der Strompreis für die Industrie – oder?
Berlin – Verbraucher können sich freuen: Sobald die neue Regierung in Deutschland endlich im Amt und der Kanzler Friedrich Merz (CDU) gewählt ist, sollen die Energiepreise sinken. Das ist eines der großen Versprechen aus dem Koalitionsvertrag: So schnell wie möglich soll die Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß sinken, die Gasspeicherumlage kommt weg und die Netzentgelte sollen auch dauerhaft begrenzt werden. Für die Wirtschaft soll zudem ein Industriestrompreis geben, damit erhofft man sich mehr Wettbewerbsfähigkeit und den Erhalt möglichst vieler Betriebe. An dem Plan gibt es aber erhebliche Zweifel.
Verbraucher können sich freuen: Strompreise werden spürbar sinken
Zunächst aber das Positive: Die Absenkung der Stromsteuer und die Deckelung der Netzentgelte wird den Strompreis für Verbraucher und Verbraucherinnen senken. Wie viel Geld private Haushalte durch diese Maßnahmen sparen werden, hat das Vergleichsportal Verivox berechnet. Eine Senkung des Strompreises um fünf Cent/kWh netto würde eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 4.000 kWh um 238 Euro (brutto) entlasten. Ein Paar-Haushalt mit einem Verbrauch von 2.800 kWh könnte mit einer Entlastung von 167 Euro rechnen, ein Single-Haushalt (1.500 kWh) mit 89 Euro. Der durchschnittliche Strompreis für Haushalte würde um rund 17 Prozent sinken.
Daher ist auch Lob an dieser Stelle aus Sicht von Verivox gerechtfertigt: „Die geplanten Maßnahmen werden die Menschen bei den Energiekosten spürbar entlasten“, so Energieexperte Thorsten Storck. „Unmittelbar nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine waren die Strom- und Gaspreise zwar noch höher. Das Preisniveau ist aber nach wie vor hoch und belastet vor allem Haushalte mit niedrigem Einkommen.“
Energieintensive Industrie profitieren nicht von sinkender Stromsteuer und Netzentgelten
Etwas verhaltener fällt die Reaktion aus der Wirtschaft aus. Das liegt daran, dass die Industrie – allen voran die energieintensiven Betriebe, die man eigentlich entlasten will – kaum von den Maßnahmen profitiert. Die Betriebe bezahlen bereits jetzt schon kaum Steuern, Netzentgelte oder andere Umlagen. Die Senkung der Steuern und Abgaben entlastet sie also kaum bis gar nicht.
Wie Daten der Bundesnetzagentur zeigen, leiden diese Betriebe gerade noch unter hohen Strompreisen. Auch wenn sich die Lage seit den Krisen von 2021 und 2022 entspannt hat, liegt der Strompreis für energieintensive Betriebe immer noch doppelt so hoch wie 2020. Der aktuelle Preis von knapp 12 Cent/Kilowattstunde ist für sie kaum wettbewerbsfähig, dazu müsste er sich halbieren.
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Andere Branchen freuen sich auf sinkende Strompreise – haben aber weniger Probleme
Vom schwarz-roten Plan profitieren werden „nur“ alle anderen Unternehmen, die aktuell höhere Preise als die energieintensiven Betriebe bezahlen, aber deutlich weniger als private Haushalte. Die haben aber aktuell nicht so große Probleme mit den Strompreisen, da sie heute wieder ungefähr das bezahlen, was sie vor den Krisen bezahlt haben. Auch das zeigen Daten der Bundesnetzagentur:
Entsprechend gemischt fällt auch die Reaktion in der Wirtschaft aus. Der Bundesverband Deutscher Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) schreibt in einer Stellungnahme: „Die Senkung der Energiepreise ist ein wichtiger Beitrag für den Wirtschaftsstandort. Bei der Mittelverwendung sollte aber im Blick behalten werden, dass insbesondere Investitionen vorangebracht werden müssen.“ Denn die Absenkung der Strompreise nach dem Modell der Merz-Regierung wird vor allem sehr teuer sein. Union und SPD rechnen allein für das Jahr 2026 mit Kosten in Höhe von über 12 Milliarden Euro.
Hinzu kommen noch die Kosten für einen Industriestrompreis, wie ihn einst auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) forderte und nun auch im Koalitionsvertrag steht. Der soll sich tatsächlich an energieintensive Betriebe richten – wird aber noch teurer sein. Habeck errechnete, pro Cent/kWh, den man den Industriestrom absenken wollen würde, kostet es den Staat zwei Milliarden Euro. Um den Strompreis für die energieintensiven Betriebe auf 6 Cent zu senken, sprechen wir also von mindestens 12 Milliarden Euro – pro Jahr. Zusammen mit der Absenkung der Stromsteuer und der Netzentgelte also 24 Milliarden Euro jedes Jahr, die sich schwarz-rot damit vornehmen würden.
Strompreise für die Industrie senken: Ein Problem, das auch die EU beschäftigt
Die Frage, die sich die neue Regierung stellen muss: Kann sich der Staat überhaupt leisten?
Der BDEW und andere sind skeptisch, ob sich der Staat diese Förderung wirklich langfristig leisten kann. Das Ziel sollte sein, die Strompreise nachhaltig und möglichst ohne zu viel staatlichen Eingriff zu senken. Dazu gibt es Konzepte, wie das gehen kann, die gerade in der EU debattiert werden.

Auf der einen Seite die Strompreiszonentrennung, die die EU vermutlich demnächst empfehlen wird. Dadurch würde der Strompreis in Regionen mit viel Windenergie sinken und die Betriebe vor Ort könnten davon profitieren. Allerdings lehnt die Union das vehement ab, weil im Süden, wo viele Unternehmen angesiedelt sind, die Strompreise erstmal höher ausfallen würden. Das Gegenargument an der Stelle lautet: Aber dann gäbe es klare Anreize, in Bundesländern wie Bayern mehr Windkraftanlagen zu errichten.
EU prüft Abschaffung des Bandlastprivilegs: Auch das könnte Merz Ärger bereiten
Ein anderer Weg, die Strompreise auch für die Industrie nachhaltig zu senken, ist die Belohnung von flexiblerem Verbrauch. Wenn Betriebe ihre Prozesse so umstellen (müssten), indem sie zu sonnen- und windreichen Zeiten mehr produzieren, dann würde sie das insgesamt entlasten. Aktuell gibt es für dieses Vorgehen keinen Anreiz, da Großstromverbraucher vom sogenannten „Bandlastprivileg“ profitieren, das ihnen vergünstigten Strom ermöglicht, wenn sie kontinuierlich gleich viel Strom abnehmen. In Zeiten flexibler Produktion scheint das allerdings aus der Zeit gefallen.
Auch das lehnt die Union allerdings ab, da sie befürchtet, dass viele Unternehmen ihre Prozesse nicht auf flexiblen Verbrauch umstellen können und dann abwandern. Ob sich CDU und CSU allerdings mit ihren Vorstellungen durchsetzen wird können, ist aber erstmal unsicher. Die EU will die Strompreiszonentrennung vermutlich durchführen und die EU will auch das Bandlastprivileg reformieren. Und ganz nebenbei müsste die EU auch einem Industriestrompreis in Deutschland zustimmen – und könnte ganz einfach ablehnen, solange Deutschland nicht die anderen Vorhaben umsetzt.