Vermisster Arian wohl aufgefunden – Ex-Mordermittler spricht über drei mögliche Szenarien

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Ein Landwirt hat ein totes Kind – womöglich den vermissten Arian – entdeckt. Doch der Fundort wirft Fragen auf. Ex-Ermittler Axel Petermann ordnet den Fall ein.

Bremervörde – Der Schock sitzt tief. Entdeckt wurde die Kinderleiche in der niedersächsischen Gemeinde Behrste (Estorf) nach Mäharbeiten auf einer Wiese, rund 300 bis 500 Meter von einer befestigten Straße entfernt unter einer Baumreihe. Die Polizei hält den Leichnam „wahrscheinlich“ für den seit zwei Monaten vermissten Arian aus Bremervörde-Elm. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich um Arian“, hieß es am Montagmittag von einer Sprecherin auf IPPEN.MEDIA-Nachfrage.

Die Leiche wurde unweit des Wohnortes des vermissten Jungen entdeckt. Doch wie kann das sein?

Kinderleiche entdeckt: Ex-Ermittler nennt mögliche Szenarien – wurde der vermisste Arian übersehen?

Der Fundort der Leiche befindet sich nur drei bis vier Kilometer von Arians Elternhaus entfernt. Westlich der beiden Gemeinden fließt der Fluss Oste, der während der Ermittlungen im Fall Arian im Fokus stand. Damit liegt der Fundort der Leiche „im Gebiet der Suche nach dem vermissten Jungen“, gab die Polizei in einer Mitteilung bekannt. Eine Karte zeigt, wie nah das alles zusammen liegt.

Sollte sich die Identität des autistischen Kindes bestätigen, bleibt fraglich, wieso die Leiche des Kindes erst jetzt gefunden wurde. Ex-Ermittler Axel Petermann, der mittlerweile als Experte in Vermisstenfällen gilt, skizziert im Gespräch mit IPPEN.MEDIA drei mögliche Szenarien.

These 1: Arian wurde bei der Suche übersehen

Die Suchtrupps haben sich zunächst auf verschiedene Bereiche konzentriert und sind dann zum nächsten Gebiet übergegangen. Womöglich sei dabei die Leiche übersehen worden, sagt Petermann. „Die Polizei war sich sicher, dass alles sorgfältig abgesucht wurde.“ Zwar habe die Suche „nach einer Woche relativ schnell aufgehört“, allerdings „nach großem Personaleinsatz und in dem Bewusstsein, alles getan zu haben, um das Kind zu finden“, erklärt der ehemalige Profiler. Die Polizei bekam für die Kreativität ihrer Suche viel Lob. Allerdings sorgte bereits der relativ rasche Abbruch der Suche bei Vermisstenexperte Peter Jamin für Unverständnis.

These 2: Arian und die Suchteams verpassten sich

Wie IPPEN.MEDIA vor Ort vom Landwirt erfuhr, wurden die Felder zuvor intensiv durchkämmt. „Hier ist alles abgesucht worden“, erklärte er – mit „Hundertschaften von Polizei, Feuerwehren, Bundeswehr“. Nach den Mäharbeiten am Montag (24. Juni) hatte der Landwirt dann die Leiche gefunden. Der unmittelbare Liegebereich der Leiche sei von den Mäharbeiten aber ausgespart worden, hieß es seitens der Polizei.

Petermann wies darauf hin, dass Arian auch erst nach der intensiven Suche mit zeitweise rund 1200 Einsatzkräften und einer kilometerlangen Menschenkette zum Fundort gelangt sein könnte. Wichtig sei deshalb zu klären, wann das Areal durchsucht wurde, wie der Bewuchs des Feldes zu diesem Zeitpunkt war sowie ob, die Leiche im Dickicht lag oder offen auf der Wiese gefunden wurde.

These 3: Fiel der Vermisste Arian einem Verbrechen zum Opfer?

Aber auch ein drittes Szenario ist zunächst nicht auszuschließen. Ein „Verbrechen kann möglich“ und die Leiche später im Feld abgelegt worden sein, schilderte Petermann. „Anderseits muss man nun abwarten, unter welchen Umständen das Kind gestorben ist, liegt ein Verbrechen vor oder nicht“, so der ehemalige Mordermittler.

„Wenn Kind ein verschwindet, ist immer von einer hohen Gefährdung auszugehen. Da schrillen immer die Alarmglocken“, sagt der ehemalige Ermittler Axel Petermann über den vermissten Arian.
Axel Petermann war Mordermittler, ehe er zur Jahrtausendwende zum Profiler wurde. Der polizeilich bestätigte Fallanalyst beriet seither die Ermittler. Bis 2014. Dann ging er in Pension. Kriminalfälle lassen ihn allerdings weiter nicht los. Seine auf wahren Fällen basierenden Bücher brachten ihn auf die Spiegel-Bestsellerliste. © Ralf Gemmecke/Polizei

Inzwischen geht die Polizei aber von keinem Fremdverschulden aus, hieß es am Dienstagmittag (25. Juni). Der Fund kam aber auch für die Polizei überraschend. „Dass dort eine Leiche gefunden wurde, ist für alle Kräfte, die gesucht haben, überraschend“, sagte Polizeisprecherin Sara Mehnen. Genauere Informationen zur Todesursache erhoffen sich die Ermittlerinnen und Ermittler aus der Obduktion des Leichnames. Mit einem Ergebnis ist allerdings erst im Laufe der Woche zu rechnen.

Dass das Ergebnis erst so spät erwartet wird, sei Petermann zufolge aber nicht ungewöhnlich. Der Zustand des Kindes sei vermutlich nicht mit dem vergleichbar, als es verschwand. Das liege unter anderem an Fäulnisprozessen oder Tierfraß. Zudem dürfte es etwas Zeit in Anspruch nehmen, um die genaue Todesursache zu bestimmen. Schwierig sei Petermann zufolge auch der Zeitpunkt des Todes. Der dürfte lediglich auf einer Schätzung beruhen. Nach der Identitätsfeststellung will die Ermittlungsgruppe den Vermisstenfall Arian noch einmal rekonstruieren. (kas)

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