Scholz hauchzart vorne - Für die Zuschauer gibt es im TV-Duell einen knappen Sieger
Alle TV-Debatten vor der Bundestagswahl finden Sie in unserem Überblick .
Für die Zuschauer gibt es im TV-Duell einen knappen Sieger
Montag, 10. Februar, 06.18 Uhr: Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat das TV-Duell mit Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) laut Wahlforschern knapp für sich entschieden. In der Befragung der Forschungsgruppe Wahlen gaben 37 Prozent der wahlberechtigten Zuschauer an, Scholz habe sich besser geschlagen als Merz, wie das ZDF mitteilte. 34 Prozent sahen den CDU-Chef vorn - 29 Prozent keinen Unterschied. Die Umfrage ist nicht für alle Wahlberechtigten Deutschlands, sondern nur für die Zuschauer des Duells repräsentativ.
Scholz kam für die Zuschauer demnach auch glaubwürdiger (42 Prozent) und sympathischer (46 Prozent) rüber. Merz konnte in den Kategorien Glaubwürdigkeit und Sympathie nur 31 beziehungsweise 27 Prozent der Befragten von sich überzeugen. Beim Thema Sachverstand unterschieden sich die beiden Kontrahenten aus Sicht der Zuschauer nicht, beide erhielten je 36 Prozent der Stimmen. 27 Prozent der Befragten konnten hier kein Unterschied ausmachen.
Während Scholz bei Frauen besser ankam und 43 Prozent (Merz: 29 Prozent) der Zuschauerinnen von sich überzeugte, konnte CDU-Chef Merz mit 40 Prozent (Scholz: 30 Prozent) die Männer eher von sich überzeugen. Unter den jüngeren Befragten lag Scholz wiederum deutlich vorn: Von den 18- bis 34-Jährigen entschieden sich 47 Prozent für Scholz und nur 25 Prozent für Merz.
Einen hauchdünnen Vorsprung hatte Merz dagegen bei den 35- bis 59-Jährigen, die sich mit 35 Prozent für Scholz und 36 Prozent für Merz aussprachen. Ähnlich sah das Bild laut Umfrage bei den über 60-Jährigen aus: 34 Prozent sahen den Kanzler vorn, 36 Prozent Merz.
Die Forschungsgruppe Wahlen hat für die Umfrage 1.374 zufällig ausgewählten wahlberechtigte Zuschauer des TV-Duells online und telefonisch befragt.
1. TV-Duell zwischen Scholz und Merz im Tickerprotokoll
Zum Start geht Scholz auf Attacke - Merz zückt anschließend einen Zettel
Der Start: Die Moderatorinnen Maybrit Illner und Sandra Maischberger verlieren keine Zeit und starten direkt rein. Wir werden die Kandidaten hier heute über verschiedene Themen reden hören. Migration, Wirtschaft, Persönliches, um nur einige zu nennen. Letzteres ist auch gleich der erste Themenpunkt. „Fritze Merz“ in die eine Richtung, „Leichtgewicht“ in die andere. Dann geht es aber gleich zur Sache, die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD. Kann Merz versprechen, dass das nicht nochmal passiert? Die Bürger glauben ihm nicht wirklich, zeigen neueste Umfragen. Merz versucht es trotzdem: „Wir werden das nicht tun. Uns trennen in den Sachfragen Welten. Es gibt keine Gemeinsamkeiten zwischen der Union und der AfD.“
Scholz betont, ihm nicht zu glauben. Als Reaktion zückt Merz plötzlich einen Zettel und zitiert Scholz, der im letzten Jahr sagte: „Niemand sollte sich davon abhängig machen, wie die AfD abstimmt.“ Scholz widerspricht „vehement“ und versucht seine Aussage von damals zu erklären, so richtig gelingen will ihm das nicht.
Thema Migration: Scholz antwortet ausführlich - aber nicht auf Illners Frage
Der Asyl-Showdown und das Thema Migration: Der Übergang in das erste große Thema ist damit fließend. Der Asyl-Showdown vorletzte Woche im Bundestag. Merz habe „das Tor zur Hölle“ geöffnet, sagte SPD-Fraktionschef Mützenich danach. Der CDU-Chef ist sehr darum bemüht, die Distanz zur AfD immer wieder zu betonen, Scholz wiederum ist sehr bemüht zu betonen, dass er Merz nicht glaubt. Der Kanzler spricht von einem „Tabubruch“.
Ab dann geht es eigentlich auch um das Thema Migration im Allgemeinen. Was hat die Bundesregierung geschafft und was davon ist nicht Scholz zuzurechnen, fragt Illner provokant. „Die Bundesregierung hat ja nicht nichts getan“, sagt Merz, Scholz sagt sarkastisch „danke, sehr großzügig“. Merz betont, dass bei weitem jedoch nicht genug getan worden wäre. Als es um Merz' Vorstoß zur Zurückweisung geht, wird es spannend. Ist der Vorstoß europarechtswidrig? Diesen Vorwurf hatte Scholz im Vorfeld mehrfach erhoben. Scholz antwortet sehr ausführlich, aber auf die Frage im Endeffekt nicht wirklich. Ein sehr schwieriges Thema, das auch unter Experten schon für Konflikte gesorgt hat. Der Kanzler greift Merz stattdessen lieber an. Und die Moderatorinnen fragen auch nicht nochmal nach. Schade.
„Warum soll man so doof sein“, fragt Scholz - Merz bleibt sachlich und kontert den Kanzler
Die erste große Attacke und Merz' Konter: Dann wird es zum ersten Mal etwas lauter. „Warum soll man so doof sein?“, fragt Scholz zwei Mal in Bezug auf das Abweisen von Asylbewerbern an der Grenzen. Scholz meint, endlich sei sich die EU auf Druck von Europa einig geworden, dass man die Asylregeln nun durchsetzt, Asylbewerber richtig erfasst und in die Länder des Erstantrags zurückschicken könne. Und nun schlage Merz die Abweisung von Asylbewerbern an der deutschen Grenze vor, anstatt sich an die beschlossenen EU-Regeln zu halten. „Kurz vor Schluss halten wir uns nicht an das Recht und machen Ausnahmen geltend, die vor mehreren Gerichten schon mehrfach gescheitert sind. Herr Merz würde nach einer Woche damit leben müssen, dass alles nur noch Makulatur ist.“
Merz reagiert ruhig, sachlich - und zitiert den bekannten Historiker Heinrich August Winkler (passenderweise SPD-Mitglied), der in einem am Sonntag erschienenen Artikel das Thema aufgreift - und bekennt, dass eine Abweisung an der Grenze laut Grundgesetz möglich sei, „spätestens mit der Änderung im Jahr 1993", wie Merz betont. „Es ist möglich, Asylbewerber an der Grenze abzuweisen. Lesen Sie es doch einfach mal nach“, wendet sich Merz direkt an Scholz.
Scholz sagt kurz später, er habe allen Tricks, einer Abschiebung zu entgehen, einen Riegel vorgeschoben. Friedrich Merz wartet auf seine Chance und spricht dann Klartext: Er erklärt, dass die SPD gemeinsam mit den Grünen in der Ampel-Koalition beschlossen hätten, dass Menschen in Abschiebegewahrsam noch einmal einen Pflichtverteidiger zur Seite gestellt bekommen, um nochmal alle Tricks auszuprobieren, um der Abschiebung zu entgehen. Dann wird der CDU-Chef sehr deutlich. „Herr Scholz, Sie leben nicht in dieser Welt. Das ist ein Märchenschloss. Es ist Wahlkampf. Aber es hat mir der Realität der Menschen nichts zu tun.“
Ukraine, USA, Trump: Als Merz über Taurus spricht, grätscht Illner rein
Thema Außenpolitik: Beendet Trump den Ukraine-Krieg? Scholz muss als erster antworten, die Frage beantwortet er nicht. Merz will warten, was die neue US-Administration plant. Scholz antwortet verzögert doch noch auf die Frage und ist „nach all meinen Telefonaten mit Trump guter Dinge, dass das gelingen kann“. Die beiden Kandidaten sind bei den gestellten Fragen zur Ukraine relativ einig, große Streitpunkte gibt es hier nicht. Dann gerät Merz aber kurz ins Schlingern. Er betont, er habe beim Thema Tauruslieferungen immer wieder selbe Meinung vertreten. Illner grätscht rein und wirft Merz vor, in seinen Aussagen immer wieder variiert zu haben. Merz wiederum lässt das nicht so stehen und beharrt auf seinem Standpunkt. Eine Auflösung kriegen wir nicht.
Von Ukraine zu Trump als neuem US-Präsidenten. „Er ist berechenbar unberechenbar“, sagt Merz. Er greift vor allem Trumps Drohungen in Richtung Dänemark beim Thema Grönland auf und macht hier seinen Hauptpunkt. Das greift auch Scholz auf. Er habe den EU- und Nato-Partnern vorgeschlagen, die Truppenpräsenz in Grönland zu erhöhen, um Trump zu überzeugen, seine Gebietsansprüche zurückzuziehen.
Merz zeigt Sympathien für den umstrittenen Beschluss Trumps in den USA nur zwei Geschlechter anzuerkennen. „Das ist eine Entscheidung, die ich nachvollziehen kann“, sagte der CDU-Chef. „Ich halte das für unangemessen. Jeder Mensch soll so glücklich sein, wie er glücklich sein möchte“ entgegnet Scholz.
Thema Wirtschaft: Merz und Scholz geraten wieder aneinander, dann macht Merz die Atomkraft-Frage auf
Das Thema Wirtschaft: Scholz versucht die wirtschaftliche Situation Deutschlands optimistisch zu schildern, Merz setzt erwartungsgemäß den gegenteiligen Punkt: “Industrieunternehmen gehen reihenweise ins Ausland. Das ist weg und kommt nicht wieder. Ich bin einigermaßen erschüttert mit welcher Wahrnehmung Sie hier heute Abend den Zustand der deutschen Wirtschaft schildern."
Scholz reagiert, gesteht die Probleme ein und versucht seinen Punkt wieder in den Vordergrund zu stellen. Ein interessantes Hin- und Her entsteht, in dem Scholz die Verantwortung der eigenen Regierung für die wirtschaftliche Situation versucht kleinzureden. Merz lacht immer wieder, schüttelt den Kopf, macht dann das Thema Kernkraft auf: „Warum in Gottes Namen schalten Sie in einer Energiekrise drei funktionierende Atomkraftwerke ab?“ Im Anschluss vereinzelt es sich in kleineren Wirtschaftsthemen. Hier dürfen beide ihre Punkte machen.
Thema „Wie geht es den Deutschen?“: Nach Schnellfeuer-Runde geht es um den Geldbeutel der Bürger
Das Thema „Wie geht es den Menschen?“: Illner und Maischberger streuen eine Schnellfeuer-Runde ein, bei der sich Scholz und Merz ausnahmsweise mal einig sind. Ein Bundestag ohne die FDP wäre „ärmer, aber lebensfähig“, sagt Merz. Scholz antwortet: „Besser hätte ich es nicht formulieren können.“
Dann wird das nächste große Thema aufgemacht: Wie geht es den deutschen Bürgern? CO2-Bepreisung, Pflege, der immer teurer werdende Alltag. Hier bleiben beide Kandidaten über weite Strecken sehr sachlich. Parallel dazu meldet sich Markus Söder bei X zu Wort und sieht Friedrich Merz „zur Halbzeit klar vorne“. Das überrascht nicht sonderlich. Scholz grätscht beim Thema Bürgergeld rein und fordert mehr Redezeit ein, um seinen Punkt zu machen.
Dann geht es um Steuersenkungen, Entlastungen der Bürger und damit einhergehend eine Anhebung des Spitzensteuersatzes. Scholz will Entlastungen für 95 Prozent der Menschen und dabei den Spitzensteuersatz um zwei Prozent anheben. Merz dreht den Spieß um und versucht Scholz in den Mund zu legen, den Steuersatz massiv etwa auf 60 Prozent anheben zu wollen. Hier muss Scholz sich verteidigen.
Im letzten Schlagabtausch hat Scholz seinen wohl besten Moment
Der letzte Schlagabtausch: Kurz vor Schluss hat Scholz seinen vielleicht besten Moment. Der letzte Schlagabtausch behandelt das Thema Sicherheit und das 2-Prozent-Ziel der Nato. Merz beginnt und öffnet Scholz die Tür für eine ausführliche Replik, die genau auf seine Wähler abzielt.
Der Kanzler macht hier den Punkt, den er zuvor mehrfach verpasst hatte. Wie finanzieren wir die höheren Verteidigungsausgaben? „Das ist lächerlich“, sagt Scholz an Merz gewandt und wirft ihm sogar eine „Lüge“ vor. Man müsse den Menschen sagen, wie wir das alles finanzieren wollen und was es die Menschen kostet. Und er macht klar, dass es ohne große Einsparungen in anderen Bereichen nicht funktionieren könnte: „Da findet man gar nichts, um 30 Milliarden zu finanzieren.“ Eine richtige Entgegnung findet Merz hier nicht mehr.
Die Stimmung: Merz fängt grimmig an und taut dann auf - Scholz immer wieder flapsig
Die Stimmung: Merz guckt am Anfang auffällig grimmig, Scholz wirkt frischer, versucht Merz mit schlagfertigen Einwürfen aus der Fassung zu bringen. Beim Thema Migration taut Merz allerdings auf, bringt Scholz in die Defensive. Auffällig ist, dass Scholz im Vergleich zu seinem Kontrahenten einen deutlich flapsigeren Stil an den Tag legt. „Warum soll man so doof sein?“, ein sarkastisches „danke, sehr großzügig“ oder auch ein einfaches „Nö“ als Antwort auf einen Merz-Vorwurf. Merz zeigt sich hier insgesamt sachlicher.
Scholz verkörpert bislang den Kanzler, der erzählt, was ihm angeblich alles gelungen sei und dass es den Menschen im Land gut gehe. Merz hingegen sagt dem Kanzler immer wieder, dass er fernab der Realität lebe. Und begründet auch, warum. Er zeigt sich hier sehr konzentriert und schafft es immer wieder, Scholz zu defensiven Antworten zu bewegen.
Mehr zum TV-Duell finden Sie auf der nächsten Seite.