Proteste, Preis-Wut, keine Heizung: Putins Russland im Aufruhr – ausgerechnet jetzt
Die Folgen des Ukraine-Krieges sind in Russland spürbar. Es gibt die größte Protestbewegung seit Ausbruch des Krieges. Putin steht unter Druck.
Moskau – Russlands Staatsmann Wladimir Putin steht vor unruhigen Zeiten. Die Unzufriedenheit im Land wächst, und das kurz vor den im Frühjahr stattfindenden Wahlen. Neben dem Ukraine-Krieg und den hohen Verlusten haben die Menschen in Russland auch mit den wirtschaftlichen Folgen zu kämpfen. Ob zu niedrige Sozialausgaben, explodierende Eier-Kosten oder eine marode Infrastruktur – es fehlt überall an Geld. Viele Menschen zeigen ihren Unmut und kritisieren die Politik des russischen Präsidenten.
Präsidentschaftswahlen in Russland: Proteste und Kritik an Putin
Seit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 sind die Militärausgaben in die Höhe geschossen. Für das Haushaltsjahr 2024 soll Russland rund ein Drittel des Budgets für das Militär ausgegeben werden. Viele andere Bereiche leiden unter den großen Finanzplänen. Der Unmut über die wirtschaftliche Situation macht sich in Russland bemerkbar. In einem in Russland viel beachteten Video, das von Anton Gerashchenko am Samstag (20. Januar) auf X (ehemals Twitter) gepostet wurde, spricht eine ältere Frau offen über ihre Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Situation Russlands.
„Ich würde ihm sagen, er soll sich f***en! Ja, in der Situation, in der wir uns jetzt befinden, gibt es nichts anderes zu tun, nichts. Verstehen Sie?“, sagte Frau laut der eingefügten Übersetzung von Gerashchenko. „Ich bin 82. So viel habe ich schon durchgemacht. Ich habe diesen Krieg erlebt, ich weiß, wie hungrig ich war. Ich bin jetzt noch genauso hungrig. Damals gab es nichts. Wir haben uns gegenseitig gefüttert, halfen uns und gaben uns gegenseitig zu essen. Jetzt gibt es dort reichlich [Lebensmittel in den Geschäften] und wir sind alle hungrig“, so die Frau weiter. Gerashchenko ist Berater des ukrainischen Innenministeriums. Die Echtheit des Videos lässt sich nicht überprüfen.
Versorgungsausfälle in Russland und teure Lebensmittel: „Versagen der Regierungsarbeit“
Damit spielt die Frau auf die hohen Lebensmittelpreise an, die russische Bürger in den Supermärkten erwarten. Zuletzt spürbar etwa an den hohen Preisen für Eier. Der Preis sei innerhalb eines Jahres um mehr als 40 Prozent angestiegen. Die Kritik an Russlands wirtschaftlicher Lage ist groß. In Putins jährlichen Frage-Antwort-Runde am Ende des Jahres gab er die Missstände sogar zu. Eine ältere Frau hatte sich über die geringen Renten und hohen Preise beschwert. Putin entschuldigte sich dafür und sprach von einem „Versagen der Regierungsarbeit“. Er beteuerte, die Situation in naher Zukunft zu korrigieren.

Neben den hohen Lebensmittelpreisen zeichnen sich Probleme bei der Infrastruktur ab. Seit einer geraumen Zeit kommt es immer wieder zu Versorgungsausfällen in Russland. Tausende Einwohner müssen bei zweistelligen Minusgraden ohne Heizung und ohne warmes Wasser ausharren. Laut AFP kam es erst am Mittwoch (17. Dezember) zu einem Heizungsrohbruch in der Stadt Nowosibirsk, der zweiter innerhalb weniger Tage. Zuvor waren in mehr als hundert Wohnhäusern, Schulen und Krankenhäusern der Stadt die Zentralheizung und Warmwasserversorgung ausgefallen. In der 350.000-Einwohner-Stadt Podolsk, nahe Moskau, hatte etwa die Hälfte der Einwohner Anfang des Monats keine funktionierende Heizung.
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Russland: Brand in Gas-Terminal ausgebrochen – Junge Menschen haben „Angst vor allem“
Zudem ist in der Nacht zum Sonntag (21. Januar) ein Terminal auf dem Gelände des russischen Erdgasproduzenten Novatek im Gebiet Leningrad in Brand geraten, wie die Deutsche-Presse-Agentur berichtete. Der Ostseehafen Ust-Luga liegt nahe der Grenze zum Nato-Mitglied Estland. Vergangenen Woche war laut russischem Verteidigungsministerium in dem Gebiet eine ukrainische Drohne abgefangen worden. Einen Grund für den Brand in Ust-Luga wurde jedoch nicht genannt.
In dem von Geraschneko geposteten Video antwortete die 82-jährige Frau auf die Frage, ob die junge Generation noch eine Zukunft in Russland habe, dass die jungen Menschen ängstlich sind. „Ihr habt Angst vor allem. Ihr habt Angst, was zu sagen“, so die Frau. Sie fügte hinzu: „Habt keine Angst. Wenn ihr Angst habt, dann wird sich nie was ändern.“ Dabei kam es in letzter Zeit immer häufiger zu Protesten, die sich gegen das Moskauer Regime richteten.
Vor Präsidentschaftswahlen in Russland: Größte Protestbewegung seit Ukraine-Krieg
In der russischen Teilrepublik Baschkortostan an der Wolgader sind laut Medienberichten zufolge wiederholt rund 2000 Menschen auf die Straße gegangen. Grund dafür ist die Verurteilung des örtlichen Öko-Aktivisten Fail Alsynow. In den sozialen Medien wurden Videos von friedlichen Männern und Frauen geteilt, die sich an den Händen hielten und Sprechchöre anstimmten. Daneben tauchten jedoch auch Bilder von Menschen in Gefangentransporten auf. Die Polizei soll mehrere Menschen festgenommen haben. Baschkortostan liegt etwa 1300 Kilometer östlich von Moskau.
Der Kreml verharmlost die Demonstrationen. „Es gibt dort keine Massenunruhen und Massenproteste“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow, wie die dpa schrieb. Tatsächlich soll es sich um eine der größten Protestbewegungen in Russland seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine handeln. Zumindest in Teilen Russlands ist ein Widerstand gegen Putin spürbar. Mit Auswirkungen auf die Wahlen, die vom 15. bis 17. März 2024 stattfinden, ist nicht zu rechnen. Putins Wiederwahl ist aufgrund des manipulierten Wahlsystems in Russland so gut wie sicher. (vk)