Wie bei Indiana Jones: Die Archäologische Staatssammlung München ist wieder eröffnet!

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Fast wie Indiana Jones: (v.li.) Kunstminister Markus Blume, Ministerpräsident Markus Söder und Sammlungsdirektor Rupert Gebhard bei der Eröffnung der Archäologischen Staatssammlung. © Marcus Schlaf

Nach acht Jahren Generalsanierung strahlt die Archäologische Staatssammlung in München wieder in neuem Glanz. Unser Ausflugstipp für Jung und Alt!

Es ist ein Fest für Markus Söder. Nach acht Jahren Generalsanierung: Wiedereröffnung der Archäologischen Staatssammlung in München. Da liegen Indiana-Jones-Referenzen nahe, da kann der bayerische Ministerpräsident betonen, welch großer Geschichtskenner er ist („In diesem Fach hatte ich durchgehend beste Noten“); kann zeigen, wie sehr ihm doch die Kultur am Herzen liegt. Und er kann viele, viele Fotos von sich machen lassen beim Rundgang durch die neuen Räume. Praktischerweise hat Wissenschafts- und Kunstminister Markus Blume zum Pressetermin gleich zwei Indiana-Jones-Hüte mitgebracht. Auch Sammlungsdirektor Rupert Gebhard (Söder: „Unser Indiana Jones von München“) darf einen davon einmal auf den Kopf setzen. Fürs lustige Social-Media-Bild, sehr instagrammable, wie die Youngsters so sagen. Gebhards gequältes Lächeln wirkt, als denke er gerade eher an ein anderes Jugendwort: ziemlich cringe, diese Selbstinszenierung.

Der Münchner Comic-Künstler Frank Schmolke erzählt in lebensgroßen, farbintensiven Zeichnungen die Geschichten hinter den Ausstellungsstücken.
Der Münchner Comic-Künstler Frank Schmolke erzählt in lebensgroßen, farbintensiven Zeichnungen die Geschichten hinter den Ausstellungsstücken. © Marcus Schlaf

Tatsächlich lenkt das ganze Politiker-Getöse etwas ab von dem, was an diesem Tag wirklich wichtig ist. Nach acht Jahren hat München eins seiner schönsten Museen wieder – um im Indiana-Jones-Bild zu bleiben: Der verlorene Schatz ist geborgen, darf noch funkelnder als zuvor im Licht der Öffentlichkeit strahlen. Und alle Generationen von Kleinkind bis Uroma ab 17. April 2024 beglücken. Die Archäologische Staatssammlung München war immer schon ein fantastisches Museum für die ganze Familie. Nun, mit 66 Millionen Euro aufwendig generalsaniert, steht es da wie ein Neubau und bietet Gebhard und seinem engagierten Team die Möglichkeit, Jung und Alt die faszinierende Geschichte, auf deren Rücken wir stehen, in moderner Weise zu vermitteln.

Doch erfreulicherweise heißt „modern“ hier nicht Digitalität allüberall. Es ist geglückt, auf 1200 Quadratmetern klassisches Ausstellen von mehr als 15 000 Objekten behutsam mit neuen Wegen der Museumspädagogik zu verbinden. Auf sinnliche Weise kann man auf Expedition in die Vergangenheit gehen. Kann mit der Nase erschnuppern, wie Kleopatra geduftet haben könnte, kann durch ein digitales Kochbuch blättern und sich dabei vorstellen, wie der Räucherfisch, der Kalbsbraten oder der punische Brei wohl geschmeckt haben mögen. Man kann über Bodenvitrinen wandeln und sich dabei wie auf einer Ausgrabungsstätte fühlen, über einen Touchscreen lassen sich die Geschichten hinter den Objekten ansteuern, denen man via Lautsprecher fasziniert lauschen kann. Überhaupt, Geschichten. Das ist es, wovon dieses Haus lebt. Aus alten Scherben, Vasen, Münzen erwächst vor dem inneren Auge der Besucher ein ganzer Kosmos. Wir lernen, dass einige der ältesten Fundstücke Schlüssel und Schlösser sind – denn wo Menschen zusammenkommen und sesshaft werden, da beginnen sie, ihr Eigentum zu schützen. Gier und Neid, kein modernes Phänomen. Oder die prächtigen Wagen: Schon in Urzeiten galten sie als Statussymbol und wurden besonders ausstaffiert. Freude am Fahren in der Frühzeit. Luise Kinseher erzählt per Audioguide Münchner Geschichten über Funde aus der bayerischen Landeshauptstadt.

Blick in die Schau: Überall säumen Comics von Frank Schmolke die Gänge.
Blick in die Schau: Überall säumen Comics von Frank Schmolke die Gänge. © Marcus Schlaf

Beim Weiterspinnen der Erzählungen zu den Ausstellungsstücken treibt Frank Schmolke die Fantasie zusätzlich voran. Der Münchner Comic-Künstler hat lebensgroße Zeichnungen angefertigt, die den Streifzug durch die Vergangenheit noch lebhafter machen. Funktioniert wie Höhlenmalerei: Bilder versteht jeder – sie treffen sofort ins Herz, ganz ohne Vorwissen.

Auch für die Peitinger Moorleiche hat Frank Schmolke mehrere Zeichnungen angefertigt. Die junge Frau, die einst im Kreis Weilheim-Schongau im Schwarzlaichmoor begraben wurde, wird in der Dauerausstellung gezeigt. Eine Gratwanderung. Zwar ist der Intimbereich der als „Rosalinde“ bekannten Frau abgedeckt. Doch bleibt die Frage, ob eine Tote, noch dazu eine, die wie Rosalinde ihre Hände zum Gebet gekreuzt hat, öffentlich ausgestellt werden sollte. Brigitte Haas-Gebhard, Leiterin der Abteilung Mittelalter/Neuzeit in der Archäologischen Staatssammlung, hat sich bewusst dafür entschieden. „Man muss sich immer fragen, ob die Verstorbene selbst einverstanden damit gewesen wäre. Da es sich hier um eine vermutlich erzkatholische Frau aus dem 14. Jahrhundert handelt, können wir davon ausgehen, dass sie es wäre. Ihr Körper wirkt wie ein Memento Mori, das zu ihrer Zeit eine wesentliche Bedeutung hatte“, sagt Haas-Gebhard. Ihr war es wichtig, Rosalindes individuelle Geschichte zu erzählen, ihr Andenken zu wahren. In einer digitalen Station kann man sich durch ein Quiz klicken und erfährt, wie die Wissenschaftler das Leben der Rosalinde erforscht haben, unter welchen Umständen sie verstorben ist, warum sie nicht auf einem Friedhof, sondern im Moor beerdigt wurde. Das ist spannend und stimmig. Lederproben hängen bereit, durch die man ertasten kann, wie sich Rosalindes perfekt konservierte Stiefel (Größe 38) angefühlt haben. „Wir wollten ihre Würde bewahren“, betont Haas-Gebhard. Gerade deshalb wirkt die Comic-Installation von Frank Schmolke an dieser Stelle unpassend. Wenn er die schwangere Rosalinde mit Totenfratze und Sichel in der Hand inszeniert, wirkt das wenig würdevoll.

Die Archäologische Staatssammlung München ist ein Fest für Groß und Klein

Einziger Kritikpunkt an einem ansonsten durch und durch gelungenen neuen Konzept. Ein „kultureller Knotenpunkt im Herzen Münchens“ wolle man sein, sagt Rupert Gebhard. Und zeigen, dass Archäologie keine verkopfte, verstaubte Angelegenheit ist, sondern berührt, aufwühlt, uns dazu anregen kann, unser eigenes Leben zu hinterfragen. „Um zu verstehen, was ist, lohnt ein Blick zurück darauf, was war“, formuliert es Markus Söder. Nicht nur ihn ist es ein Fest – sondern für ganz München. Ob mit Indiana-Jones-Hut oder ohne: Auf, auf in die Lerchenfeldstraße, kleine und große Entdecker können hier einiges erleben.

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