Scholz in Kiew: Die geschundene Ukraine als Staffage für den deutschen Wahlkampf
Mit einer hastig anberaumten Reise in die Ukraine kommt der Kanzler seinem Rivalen Friedrich Merz zuvor. Hoffentlich hat Olaf Scholz in Kiew gut zugehört. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.
Hoffentlich hat der Kanzler gut zugehört bei seinen Gesprächen in Kiew. Aus den Gesprächen mit ukrainischen Politikern und Kriegsversehrten konnte Olaf Scholz viel erfahren über das tägliche Grauen an der Front und die verzweifelte Lage der Verteidiger – vorausgesetzt es ging dem Gast aus Berlin wirklich um ein Zeichen des Beistands für das geschundene Land. Und nicht nur um starke Bilder für den deutschen Wahlkampf. Oder darum, dem Oppositionsführer Friedrich Merz auszustechen, der dem Vernehmen nach ebenfalls eine Reise in die Ukraine vorbereitet.
Scholz zu Besuch in der Ukraine – Zeichen der Unterstützung oder Wahlkampf?
Es ist viel zusammengekommen die letzten Tage und Wochen. Erst sorgte das ergebnislose Telefonat des Kanzlers mit Putin, das dieser als Zeichen westlicher Schwäche interpretieren musste, für Kopfschütteln in Kiew. Dazu kam das abermalige deutsche Nein zur Lieferung von Taurus-Lieferungen, während die USA, Frankreich und Großbritannien entsprechende Waffensysteme freigaben.
Europas energischste Ukraine-Unterstützerländer tagten zuletzt lieber ohne Deutschland. Und jetzt sorgen auch noch die immer schrilleren Wahlkampf-Warnungen von Olaf Scholz („russisch Roulette“) vor einer stärkeren Unterstützung der Ukraine durch einen möglichen Kanzler Merz für Irritationen in Kiew. Spricht so einer, der wirklich will, dass Russland den seit 1014 Tagen andauernden Krieg gegen das überfallene Nachbarland am Ende nicht gewinnt?
Scholz‘ Ukraine-Politik – „möglichst wenig möglichst spät“
Es ist richtig, dass der Kanzler Selenskyj nun weitere Waffenlieferungen zusagte. Doch folgten alle bisherigen Hilfen dem Prinzip „möglichst wenig möglichst spät“, um Putin nicht zu ärgern. Von Scholz fehlt bis heute das klare Signal an Russland, dass Deutschland die Ukraine vor dem absehbaren „Trump-Deal“ in eine solide Verhandlungsposition versetzen will, damit das Land im Gegenzug für die bereits angebotenen Gebietsabtretungen wenigstens starke Sicherheitsgarantieren erhält.
Genau das wäre auch im ureigensten europäischen Sicherheitsinteresse, weil nur so die Auslöschung der ukrainischen Demokratie noch zu verhindern ist, die den Kreml zu weiteren Zündeleien verleiten würde, bis zum Eintritt des Nato-Bündnisfalls. Das kriegsverwüstete Land und seine Menschen sind es wert, in Deutschland einen entschlossenen Fürsprecher zu haben. Die Ukrainer haben zu hohe Opfer erbracht, als dass man sie nun auch noch als Wahlkampf-Staffage missbrauchen sollte.