„System völlig intransparent“: Ex-Vorstände der Bundesagentur für Arbeit kritisieren Bürgergeld
Die Ex-Vorstände der Bundesagentur für Arbeit kritisieren das Bürgergeld: „Jobcenter sind wie gelähmt von Bürokratie“. Besonders ein Vergleich bei der Anpassung der Löhne zum Bürgergeld sei überraschend.
Berlin – Aktuelle Zahlen zeigen, dass jeder zweite erfolgreich vermittelte Bürgergeld-Empfänger nach drei Monaten wieder ins Jobcenter zurückkehrt. Im Vergleich mit dem Jahr vor der Einführung des Bürgergelds wird sichtbar, dass sich die Werte sogar verschlechtert haben. Ende Juni hatten laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit insgesamt rund 5,6 Millionen Menschen Anspruch auf Bürgergeld, über 4 Millionen gelten darunter als erwerbsfähig. Frank-Jürgen Weise und Heinrich Alt, die ehemaligen Vorstandsmitglieder der Bundesagentur für Arbeit, machen schwerwiegende Probleme beim Bürgergeld dafür verantwortlich.
Hohe Rückfallquote bei Bürgergeld: System „intransparent“, Bürokratie hoch
Seit Anfang 2023 heißt die Grundsicherung für Arbeitssuchende in Deutschland nicht mehr Hartz IV, sondern Bürgergeld. Mit der Reform sollten mehr finanzielle Unterstützung, weniger Bürokratie und bessere Chancen für eine langfristige Integration in den Arbeitsmarkt erreicht werden, fördern und nicht fordern – so weit der Plan. Doch erste Zahlen werfen Zweifel an der Effektivität der Reform auf. Nun kritisieren auch die ehemaligen Vorstandsvorsitzenden das System.
„Es gibt in Deutschland 260.000 junge Menschen zwischen 25 und 45, die seit längerer Zeit nicht arbeiten, obwohl sie alle Kriterien für Erwerbstätigkeit erfüllen“, so Frank-Jürgen Weise, von 2004 bis 2017 Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, zum Spiegel. Das sei „in dieser Dimension“ nicht hinnehmbar. Sein Fazit: Das System sei völlig intransparent und nicht mehr steuerbar. „Die Jobcenter sind wie gelähmt von Bürokratie“, meint Weise.
„Akzeptanzproblem“: Was bekommt ein Bürgergeldempfänger?
Ähnlich sieht das auch Heinrich Alt, zwischen 2002 und 2015 im Vorstand der Bundesagentur. Außerdem habe das Bürgergeld „ein Akzeptanzproblem“. Denn wer in die Arbeit geht, aber wenig verdiene, fange an zu vergleichen – und da startet die Unzufriedenheit: „Was bekommt ein Bürgergeld-Empfänger? Was bekomme ich?“ Genau dieser Vergleich sei für viele deprimierend. Zwischen 2021 und 2024 hätten Langzeitarbeitslose 26 Prozent mehr erhalten, während die Löhne in diesem Zeitraum lediglich um knapp zwölf Prozent gestiegen seien. Gleichzeitig seien die Preise jedoch um 17 Prozent angestiegen.
Arbeit muss sich lohnen: SPD-Abgeordneter will als Erstes „Bürgergeld“ umbenennen
„Keiner versteht, warum jemand, der bei Sonnenaufgang ins Bett geht und den ganzen Tag auf dem Sofa liegt, nur etwas weniger haben soll als einer, der zur gleichen Zeit in den Schweinestall arbeiten geht“, meint SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Arlt aus Mecklenburg-Vorpommern zum Spiegel. „Heute werfen mir meine Wähler vor, dass wir Faulheit tolerieren, obwohl überall Arbeitskräfte gesucht werden.“ Er hofft auf ein innerparteiliches Umdenken, denn man sei „nicht die Partei der Arbeitslosen, sondern die Partei der Arbeit.“ Als Erstes würde er den Namen ändern wollen.
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Die Bundesregierung plant, mit einem Maßnahmenpaket und strengeren Vorschriften mehr Bürgergeld-Empfänger zur Aufnahme einer Beschäftigung zu bewegen. So sollen auch längere Arbeitswege zukünftig denkbar sein, die Ablehnung einer zumutbaren Arbeitsstelle mit stärkeren Leistungskürzungen bestraft werden, und auch Schwarzarbeit soll zu Kürzungen führen. Damit will man auch die kränkelnde Wirtschaft anzukurbeln.