Grünen-Managerin über Habeck als Kanzlerkandidat: „Reichlich Platz zwischen Scholz und Merz“

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Erstmals seit ihrem Rücktritt spricht Emily Büning öffentlich über die Probleme bei den Grünen. Die politische Geschäftsführerin der Partei im Interview.

Nach der Brandenburg-Wahl trat der gesamte Bundesvorstand der Grünen zurück. Neben den beiden Parteichefs Omid Nouripour und Ricarda Lang also auch Emily Büning, die Politische Geschäftsführerin der Grünen. Als solche agiert sie als eine Art Managerin der Partei. Sie war unter anderem für mehrere Wahlkämpfe verantwortlich – und stand in der Partei deshalb aufgrund der schlechten Wahlergebnisse in der Kritik.

Nun äußert sich Büning erstmals öffentlich zu ihrem Rücktritt. Im Interview mit IPPEN.MEDIA spricht sie über die Entscheidung zum Rücktritt, das schwierige Verhältnis in der Ampel – und über Robert Habeck.

Frau Büning, als Ricarda Lang und Omid Nouripour am Mittwoch den Rücktritt des Bundesvorstands bekanntgaben, waren Sie in den USA. Ortszeit: 4 Uhr 30. Haben Sie sich die Pressekonferenz angeschaut?

Dafür war gar keine Zeit. Wir hatten als Bundesvorstand die Entscheidung zum Rücktritt in unserer Sitzung morgens um 7 Uhr getroffen. Danach war viel zu tun.

Das heißt, es wurde nicht über Ihren Kopf hinweg über Ihre Zukunft entschieden?

Nein. Wir waren intensiv in Gesprächen darüber, was wir als Bundesvorstand nach den verlorenen Wahlen und in Anbetracht der herausfordernden Situation für unsere Partei und auch im Land tun können, auch mit Blick auf die nächste Bundestagswahl. Gemeinsam sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass der Rücktritt richtig für uns als Partei ist und wir eine Neuaufstellung ermöglichen. 

Haben Sie auch mit Annalena Baerbock oder Robert Habeck gesprochen?

Natürlich wurden die beiden vorab über den Rücktritt informiert.

Der Noch-Bundesvorstand der Grünen: Geschäftsführerin Emily Büning (links) mit der Parteispitze Ricarda Lang und Omid Nouripour. Im November soll ein neuer Vorstand gewählt werden. © IMAGO/Chris Emil Janssen

Grüne jetzt voll auf Habeck getrimmt? „Auch, wenn wir nicht zurückgetreten wären“

Es heißt, Robert Habeck sei am Rücktritt beteiligt gewesen. Stimmt das?

Wir haben diese Entscheidung als Vorstand getroffen. Das kam am Mittwoch für sehr, sehr viele in der Partei überraschend.

Kann man sagen, dass die Bundespartei nun mehr auf Robert Habeck zugeschnitten ist? Allein mit Blick auf die designierte neuen Parteichefin Franziska Brantner, seiner Vertrauten aus dem Ministerium.

Der neue Bundesvorstand wird ein starkes Team sein, das diese Partei anführen wird. Robert Habeck wird im nächsten Jahr eine zentrale Rolle für unsere Partei spielen, aber die hätte er auch gespielt, wenn wir nicht zurückgetreten wären. 

Er soll das Gesicht des Bundestagswahlkampfs werden. Die Grünen stehen in Umfragen erstmals seit sieben Jahren unter zehn Prozent. Braucht es da überhaupt einen Kanzlerkandidaten?

Darüber wird der Parteitag entscheiden. Ich glaube, wir können als Grüne ein gutes und wichtiges Angebot für die Bundestagswahl machen. Vor vier Jahren haben wir bei der SPD gesehen, dass auch dort zu Beginn Skepsis herrschte. Bis zur Bundestagswahl kann sich noch viel ändern. 

Die SPD konnte auch dank der schwachen Performance von Armin Laschet und Annalena Baerbock aufholen. Setzen Sie also auf Fehler der Mitbewerber?

Wir setzen auf eigene Stärke und gehen mit frischem Wind in die Debatten. Ich bin überzeugt, dass wir Wählerinnen und Wähler zurückgewinnen können und großes Potenzial haben. Das gilt es jetzt zu nutzen. Zwischen Friedrich Merz und Olaf Scholz gibt es noch reichlich Platz für einen modernen, kommunikationsstarken Kandidaten.

Grüne im Umfragetief: „Der Stil der Ampel wirkt sich auf uns aus“

Robert Habeck sagte in einer aktuellen ARD-Doku, die Grünen-Minister seien mehr für die schlechten Umfragewerte verantwortlich als der Bundesvorstand. Sind damit nicht die falschen zurückgetreten?

Für Wahlergebnisse trägt der Parteivorstand die Verantwortung. Wir halten es entsprechend für richtig, die Parteiführung in neue Hände zu legen. Aber natürlich wirkt sich der Stil der Ampel auch auf uns aus. Es braucht Klarheit, wofür wir Grünen stehen. Das ist in einigen Verhandlungen und Kompromissen untergegangen.

Wofür sollen die Grünen denn stehen?

Am Ende muss da natürlich die neue Parteiführung den Weg aufzeigen. Unser Kernthema bleibt der Klimaschutz. Wir sehen die Auswirkungen der Klimakrise immer häufiger, zum Beispiel bei den Hochwassern oder der Hitze. Es ist uns nicht immer gelungen, damit durchzudringen, wie sozial gerechter Klimaschutz funktioniert. Generell müssen wir den Menschen bei den sozialen Schieflagen und Sorgen bessere Antworten geben, etwa bei den gestiegenen Preisen oder hohen Mieten. Viele unserer Ziele finden Zustimmung in der Gesellschaft. Aber an einigen Stellen haben wir Fehler gemacht und die Menschen überfordert. In der Kommunikation waren wir nicht klar genug und haben in der Koalition zu oft Kompromisse auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner gemacht.

Das heißt, man sollte mehr wie FDP sein – und seine Positionen rigoros durchboxen?

So viel boxt die FDP auf diese Art und Weise ja nicht durch. Und ob dieser Krawallstil der FDP tatsächlich hilft, wage ich zu bezweifeln. 

Apropos FDP: Christian Lindner spricht von einem „Herbst der Entscheidungen“, Wolfgang Kubicki vom Ende der Ampel bis Weihnachten. Hält die Regierung?

Dass Herr Kubicki vom Ampelende redet, ist ja nichts Neues. Ich glaube dennoch, dass es noch harte Verhandlungen geben wird, vor allem im Haushalt. Als Grüne werden wir sehr genau abwägen, welche Entscheidungen wir mittragen – und welche nicht..

Das klingt nicht sehr überzeugt…

Wir sind für vier Jahre gewählt und dafür übernehmen wir auch Verantwortung. Mit Blick auf unser Land und den gigantischen Investitionsbedarf bedeutet Verantwortung aus unserer Sicht eine Reform der Schuldenbremse. Aber das wird in dieser Koalition nicht mehr möglich sein. Nächstes Jahr werden die Wählerinnen und Wähler auch das zu bewerten haben.

Wie geht es bei Ihnen persönlich weiter? Sie saßen noch nie in einem Parlament. Gibt es Überlegungen zu kandidieren?

Ich werde nicht für den Bundestag kandidieren. Ich werde jetzt erst einmal den Parteitag vorbereiten, das ist für mich immer das Highlight des Jahres. Danach freue ich mich erstmal auf ein bisschen Zeit mit meiner Familie und dann sehen wir weiter.

Interview: Andreas Schmid

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