Der Schottenhamel-Trupp aus Taufkirchen

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Gut eingeschenkt: Andreas Bölsterl ist an der Schänke im Schottenhamel-Zelt in seinem Element. © Birgit Lang

Schankkellner aus dem östlichen Landkreis berichten von ihrer stressigen Leidenschaft. Jedes Jahr arbeiten sie im Schottenhamel-Zelt.

Taufkirchen– „Es ist schon eine gewisse Sucht. Ich wollte es eigentlich nur einmal machen“, gibt Rainer Baumgartner zu. Doch seit sechs Jahren verbringt der Familienvater zwei Wochen seines Urlaubs als Schankkellner auf dem Oktoberfest. Er ist nicht der einzige im Landkreis. „Der Schottenhamel ist in Taufkirchener Hand“, sagt der 45-jährige Zerspanungstechniker aus Steinkirchen lachend.

Der heute 76-jährige Peter Hauer, der 47 Jahre lang beim Volksfest Taufkirchen sowie lange in Dorfen, Velden und Vilsbiburg ausschenkte, war Chef-Schankkellner im Schottenhamel. Er brachte Baumgartner dort unter. So war es auch bei Andreas Bölsterl aus Inning, Rupert Mangstl aus Zeilding, Martin Lechner aus Taufkirchen sowie den Steinkirchenern Florian Pohl und Helmut Bart. „Immer, wenn heroben mal einer ausfiel, hat uns der Peter nachgeholt.“

Kraft und Technik für 5000 Mass pro Tag

Freilich sei es stressig, pro Tag circa 50 Hektoliter Bier auszuschenken, gibt Baumgartner zu. Eine volle Mass wiegt 2,3 Kilo, bei rund 5000 Mass pro Tag ist das ein ordentliches Gewichtstraining. Von 10 bis 22.30 Uhr wird ausgeschenkt. Die Schichten beginnen unterschiedlich, eine dauert zehn Stunden mit Pausen, dazwischen helfen Springer aus.

Mass für Mass: Rupert Mangstl  bei der Arbeit.
Mass für Mass: Rupert Mangstl bei der Arbeit. © Birgit Lang

Das „Sixpack“ aus dem Taufkirchener Raum arbeitet jeweils zu zweit in den drei umsatzstärksten der insgesamt elf Schänken. „Wir schenken das meiste Bier aus“, sagt Bölsterl. „Die Arbeit zehrt schon, auch der Schlafmangel. Und es muss schnell gehen, sehr schnell.“ Denn bei den Großbrauereien laufe das Bier schnell aus den Fässern.

Mit seinen langen Armen tut sich der 1,97 Meter große 49-jährige Mitarbeiter des Landratsamts zwar leichter, aber ohne Technik geht es nicht. Die eignet man sich über die Jahre an und verfeinert sie. Für Laien sieht es vielleicht spielerisch aus, wenn sich die Schankkellner wie ein Uhrwerk mal nach links und dann nach rechts drehen, sich einen leeren Masskrug greifen und den vollen auf der anderen Seite wieder ruhig abstellen.

Mit den neuen Krügen sei es eher leichter, weil sie vom Durchmesser größer seien und der Eichstrich weiter unten ist, findet Bölsterl. „Damit schauen die Massen schaumiger aus. Man muss halt den richtigen Zeitpunkt finden, wo man wegzieht. Das ist Gefühlssache.“  

Zerschlagene Krüge kommen eigentlich nie vor, die 13 Schankkellner im Schottenhamel sind Routiniers, die Bedienungen Profis. Lange Warteschlangen gibt es nicht. Alles geht Hand in Hand. Lärm und Musik blenden die meisten aus, ebenso den gewöhnungsbedürftigen Geruch in der Schänke, so Baumgartner.

Trotz des teils regnerischen Wetters ist das Zelt alle 16 Tage voll. Seit vier Jahren ist Mangstl mit von der Partie, „weil’s Spaß macht, man lustige und interessante Leute kennenlernt, alle Nationen vertreten sind und jede einen anderen Rausch hat“.

Rainer Baumgartner wurde zum Wiesnauftakt vom BR interviewt.
Rainer Baumgartner wurde zum Wiesnauftakt vom BR interviewt. © Lang

Er ist Springer, arbeitet im normalen Leben als Notfallsanitäter und Nebenerwerbslandwirt. Ihn fasziniert, dass hunderttausende Massen Bier durch die Hände von nur 13 Leuten gehen. „Das ist eine irrsinnige Menge.“

Sie alle sind warm angezogen, denn bei dem regnerischen Wetter hat sich jeder schon eine Erkältung eingefangen. „Der Zug, der Regen und die vielen Leute“, erklärt Mangstl. Vor allem bei den Schänken sei es sehr kalt. Die Schuhe seien meistens so durchnässt, „dass d‘ sie am Abend auswinden kanntst. Aber es gab bisher keine Verletzungen, höchsten Spülhände“, ist er froh.

Lechner und Pohl sind während dieser Gespräche auf „Kontrollgang“, so nennen sie es, wenn sie mal Zeit haben, um eine Mass in einem anderen Zelt zu trinken und zu schauen, ob es dort auch so gut läuft wie bei ihnen im Schottenhamel.

Lieber heim als in übervolle Wiesn-WGs

Die Sechs pendeln täglich nach Hause, in übervollen WGs zu übernachten, wie viele andere, mögen sie nicht. „Wir müssen raus aus der Wiesn㈠blosn, daheim duschen, ins eigene Bett und schlafen“, sagt Baumgartner.

Was man hier verdient, verrät keiner von ihnen, nur dass sie auch ein Trinkgeld kriegen am letzten Tag von den Bedienungen. Aber nur wegen des Geldes macht es keiner. „Es ist schon eine Leidenschaft, und du bist Schankkellner auf der Wiesn. Mehra geht nimma“, sagt Bölsterl, der wie die anderen auch auf den Festen in der Region an der Schänke steht.

Der Reiz dieser Arbeit für Bart (56): „Die ganze Atmosphäre. Es ist eine große Familie. Am letzten Tag fällt allen die Last von den Schultern, und sie sind froh, dass es vorbei ist. Alle liegen sich in den Armen und feiern miteinander. Das ist echt ein Traum.“

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