„Keine Angst mehr, dass ich sterben könnte“: Neue Behandlung bringt Durchbruch für Allergiker
Einst reichten Spuren für heftige Reaktionen – nun können Allergiker ganze Erdnüsse essen. Forschern gelang ein Durchbruch bei der Desensibilisierung.
Hamm – Allergien sind in Deutschland weit verbreitet. Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) entwickelt mehr als jeder Dritte im Laufe seines Lebens eine allergische Erkrankung – bei drei bis sechs Prozent handelt es sich um eine Lebensmittelallergie. Besonders gefährlich ist die Erdnussallergie: Schon kleinste Mengen können lebensbedrohlich sein. Nun gibt eine neue Studie in der Fachzeitschrift European Journal of Allergy and Clinical Immunology Allergikern Anlass zur Hoffnung.
„Einzige Möglichkeit, eine Erdnussallergie in den Griff zu bekommen“ – Allergiker dürfen aufatmen
Die Forscher des King’s College in London erzielten mit der oralen Immuntherapie einen Durchbruch – einer speziellen Form der sogenannten Desensibilisierung, bei der Allergiker kleine Mengen des auslösenden Stoffs unter kontrollierten Bedingungen einnehmen. Ziel ist es, das Immunsystem schrittweise an das Allergen zu gewöhnen und so die Reaktion des Körpers abzuschwächen. Bisher kam diese Behandlung vor allem bei Kindern und Säuglingen erfolgreich zum Einsatz.
Die Studie zeigt, dass die Behandlung auch bei Erwachsenen mit schwerer Erdnussallergie wirken kann. „Die ständige Angst vor lebensbedrohlichen Reaktionen stellt für Menschen mit einer Erdnussallergie eine große Belastung dar“, so Stephen Till, Professor der School of Immunology & Microbial Sciences in einer Pressemitteilung. „Die einzige Möglichkeit, eine Erdnussallergie in den Griff zu bekommen, besteht in der Vermeidung und Behandlung der allergischen Reaktionen, auch mit Adrenalin.“
Nicht selten kommt es vor, dass Lebensmittel wegen falscher Kennzeichnung der Allergene aus dem Sortiment genommen werden mussten. Bei der Drogeriekette dm gab es aus diesem Grund bereits einen Rückruf für ein Schoko-Produkt.
Von winzigen Mengen bis zur ganzen Erdnuss: So wurde die Studie durchgeführt
Zu Beginn der Studie erhielten die 21 Teilnehmer im Alter zwischen 18 und 40 Jahren in einem Krankenhaus drei gestaffelte Dosen Erdnussmehl, beginnend mit 0,8 Milligramm. Wer die Dosis vertrug, setzte die Einnahme zu Hause zwei Wochen lang mit einer täglichen Menge von 1,5 und drei Milligramm fort – das entspricht maximal Prozent einer ganzen Erdnuss. In regelmäßigen Abständen kehrten die Allergiker ins Krankenhaus zurück, um unter Aufsicht höhere Mengen zu testen.
Was ist eine Allergie überhaupt?
Eine Allergie ist eine Überreaktion des Immunsystems auf eigentlich harmlose, körperfremde Stoffe – sogenannte Allergene. Diese können in Pollen, Insektengiften oder Lebensmitteln vorkommen und bei empfindlichen Personen heftige Abwehrreaktionen auslösen. Je nach Art der Allergie reichen die Symptome von Hautausschlag bis zu Atemnot. In schweren Fällen kann eine allergische Reaktion sogar lebensbedrohlich werden.
Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
Die Dosis wurde schrittweise auf bis zu einem Gramm gesteigert, also etwa vier ganze Erdnüsse. Wer mindestens 50 bis 100 Milligramm vertrug, durfte im nächsten Schritt zu echten Erdnussprodukten wie Erdnussbutter oder ganzen Nüssen übergehen. Nach vier Wochen auf der höchsten Dosis folgte ein kontrollierter Belastungstest mit Placebo zur Prüfung der Toleranz. Am Ende konnten 67 Prozent – mehr als zwei Drittel der Teilnehmer – problemlos bis zu fünf Erdnüsse essen.
Allergiker können von Behandlung profitieren – „Meine Familie und ich waren immer besorgt“
Unter anderen nahm Chris Brookes Smith, ein 28-jähriger Cybersecurity-Spezialist aus Northamptonshire, an der Studie teil. Bei ihm wurde als Baby eine Erdnussallergie diagnostiziert. „Ich bin so stolz darauf, an dieser Studie teilgenommen zu haben, und freue mich, sagen zu können, dass ich früher allergisch auf Erdnüsse reagierte, aber dank dieser Studie ist das kein Problem mehr“, so Smith. „Meine Familie und ich waren immer besorgt, dass nur eine Spur von Erdnüssen lebensbedrohlich sein könnte.“

Er fügte hinzu: „Früher konnte ein winziger Fehler lebensbedrohliche Auswirkungen haben, aber jetzt habe ich keine Angst mehr, dass ich zusammenbrechen und sterben könnte, weil ich etwas zum Mitnehmen gegessen habe.“ Till erklärt: „Wir sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen.“ Noch ist unklar, wie lange er Effekt der Behandlung anhält. Weitere Studien sollen zeigen, ob die Wirkung auch langfristig bestehen bleibt und welche Patienten besonders davon profitieren können. (cln)