Pressestimmen zu Trumps Sicherheitsstrategie: „Sind keine Verbündeten mehr, sondern Gegner“

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Donald Trump legt eine neue nationale Sicherheitsstrategie vor und Europa reagiert deutlich. Ausgewählte Pressestimmen aus Deutschland und dem Ausland.

Washington – Donald Trump hat in der Vergangenheit immer wieder angedeutet, dass die US-Regierung mit den westlichen Partnern unzufrieden ist. Am vergangenen Donnerstag hat der US-Präsident mit einer neuen Sicherheitsstrategie den Kurs gegenüber Europa verschärft und den Druck auf ihre Verbündeten erhöht. Nun gelte „America First“.

US-Präsident Donald Trump
Mit seiner neuen Sicherheitsstrategie versetzt Trump Europa in Aufruhr. Ausgewählte Pressestimmen zum US-Plan. (Archivbild) © Julia Demaree Nikhinson/AP/dpa

Frühere Strategien hätten die nationalen Kerninteressen der USA nicht berücksichtigt und die Verteidigung anderer Länder auf die Schultern der US-Bevölkerung abgeladen, heißt es in dem Dokument, in dem die USA ihre außen- und sicherheitspolitischen Leitlinien festlegen. „Vorbildliche Verbündete, die aufstocken, wie Israel, Südkorea, Polen, zunehmend Deutschland, die baltischen Staaten und andere werden unsere besondere Gunst erhalten“, erklärte Pentagon-Chef Pete Hegseth die neue US-Sicherheitsstrategie am Samstag.

Trump legt neue nationale Sicherheitsstrategie vor: Deutliche Reaktionen

Die USA zeichnen in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Strategiepapier ein düsteres Bild der Lage in Europa. Zu Europas Problemen zählen nach Ansicht der US-Regierung unter anderem die Einwanderungspolitik, die „Zensur der freien Meinungsäußerung und die Unterdrückung der politischen Opposition, abstürzende Geburtenraten sowie der Verlust nationaler Identitäten und des Selbstvertrauens“. Eine Kurskorrektur sei notwendig, hieß es in dem Dokument. Aus europäischen Staaten kam umgehend Kritik.

Unter anderem der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) sagte mit Blick auf die Meinungsfreiheit, er glaube „nicht, dass irgendjemand uns dazu Ratschläge geben muss“. Auch die EU-Kommission von Ursula von der Leyen wies die Vorwürfe gegen die EU zurück.

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas bemühte sich am Samstag, die Wogen zu glätten. „Die USA sind immer noch unser größter Verbündeter“, sagte Kallas beim Doha Forum, einer jährlich stattfindenden diplomatischen Konferenz in Katar. 

Pressestimmen zur US-Sicherheitsstrategie: „Trump treibt Europäer [...] auseinander“

Zur neuen Sicherheitsstrategie der USA heißt es derweil am Montag in der Neuen Zürcher Zeitung: „Im Indopazifik mögen die USA weiterhin ein verlässlicher Partner sein. In Europa aber treiben sie eine Spaltung voran, die den liberalen Demokratien schadet und Russland nützt. Ein bisher verdrängtes Szenario wird denkbar: Trump treibt die Europäer in der Frage von Krieg und Frieden auseinander. Wer zur Ukraine steht, die eigene Souveränität und die Freiheit verteidigt, wird zum strategischen Gegner von Trumps Idee eines ‚goldenen Zeitalters‘ der Machtpolitik.“

Und weiter: „Alles, was die USA nach dem Zweiten Weltkrieg für den Frieden im Westen gefördert haben, behindert das Geschäft. Dieses Amerika ist kein Freund Europas mehr. Doch Empörung kostet nichts und bringt auch nichts. Trump zwingt die Europäerinnen und Europäer, sich an ihre Geschichte zu erinnern – insbesondere den Grund, weshalb ihnen Winston Churchill 1946 ausgerechnet von Zürich aus zurief: ‚Lasst Europa aufstehen!‘“ Europa brauche mehr Selbstbewusstsein, mehr Einheit und deshalb auch mehr aufgeklärten Geist. „Die Föderation freier Republiken, die Immanuel Kant im ‚Ewigen Frieden‘ propagierte, hat mehr Kraft als der vergängliche Pomp der starken Männer.“

Reaktionen zu US-Strategiepapier: „Für Donald Trump sind wir keine Verbündeten mehr, sondern Gegner“

Angesichts des neuen US-Strategiepapiers schrieb die italienische Zeitung La Stampa: „Für Donald Trump sind wir keine Verbündeten mehr, sondern Gegner, die es zu spalten und zu entmachten gilt. Angesichts des Imperialismus von Wladimir Putin können wir nicht auf Amerika zählen, und die erste Schlussfolgerung, die wir ziehen müssen, ist, dass wir aufhören müssen, uns selbst zu unterschätzen. Die Liste unserer Schwächen ist lang, aber die Europäische Union – die auf ein beispielloses Bildungsniveau, Freiheiten und einen Markt mit 450 Millionen Einwohnern zählen kann – ist mehr denn je ein Anziehungspunkt.“ 

„Wir müssen mit den Beitrittsländern zusammenarbeiten und eine Entente Démocratique mit unseren Nachbarn bilden. Wir müssen uns als politische Macht auf der internationalen Bühne behaupten. Wir müssen unsere Wiederaufrüstung beschleunigen und russische Vermögenswerte nutzen, um die Ukraine zu bewaffnen. Die zu leistende Arbeit ist beeindruckend für etwas, das nichts weiter als ein gemeinsamer Markt war. (...) Aber wir lernen, mit einer Stimme zu sprechen.“

Reaktionen aus Russland auf Trumps Sicherheitsstrategie: „Entspricht dem ‚Geist von Anchorage‘“

In Russland hingegen sorgt die neue US-Sicherheitsstrategie für freudige Reaktionen: „Insgesamt entsteht ein revolutionärer Eindruck von der veröffentlichten neuen Strategie der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten; in ihren Grundzügen entspricht sie dem ‚Geist von Anchorage‘ (des Treffens der Präsidenten Russlands und der USA in Alaska)“, hieß es in der Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta. „(...) In den Medien der Alten Welt begann direkt oder indirekt die Suche nach den Schuldigen dafür, dass das Weiße Haus eine so negative Haltung gegenüber den europäischen Institutionen eingenommen hat.“

„Unter Beschuss geriet sofort die für die Außenbeziehungen der EU zuständige Kaja Kallas. (…) Brüssel wird nun bezahlen müssen für den Radikalismus von Kallas und für ihre eklatante Unprofessionalität. (…) Jetzt werden Feindseligkeit und Vorsicht zur offiziellen Politik Trumps gegenüber Europa. (…) Und die Wiederherstellung der strategischen Stabilität mit Russland ist nun eine der wichtigsten außenpolitischen Prioritäten der USA in Europa. (…) Russland ist keine Bedrohung mehr.“

Reaktion auf Trumps Sicherheitsstrategie: Pressestimmen aus Deutschland

Deutsche Medien reagierten ebenfalls auf den Vorstoß von Donald Trump: „Das Strategiepapier zeigt, dass der oft genug erratische Eindruck der Aussagen Trumps nicht bedeutet, dass er planlos vorginge. Es gibt sorgfältig ausformulierte Vorstellungen, wie man sich die internationale Ordnung vorstellt. Für das europäische Nachkriegswerk von Frieden und Wohlstand, kurz EU, bedeutet das Gefahr“, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

„Ein Rückfall in nationalstaatliches Konkurrenzdenken würde es zerstören und nicht den Kontinent stabilisieren, wie im US-Papier behauptet. (…) Aber nicht jede Kritik an der EU ist falsch, nur weil sie von Trump herrührt. Das gilt nicht nur für das Thema Migration. Europa ist potentiell stark, das wird in der Doktrin sogar ausdrücklich anerkannt. Es muss aber einiges dafür tun. Angesichts dessen überrascht das weitgehende Schweigen der Bundesregierung nach der Veröffentlichung des Papiers.“

Im Handelsblatt hieß es zur US-Sicherheitsstrategie: „Die Zeitenwende hat das Kräfteverhältnis auf dem Kontinent verschoben, die Abkehr der USA von ihrer Rolle als Sicherheitsgarant beschleunigt diesen Trend. Wer soll Europa künftig schützen? Briten und Franzosen sind chronisch klamm. (…) Deutschland fällt in diesem sicherheitspolitischen Ausnahmezustand die Rolle einer Führungsnation zu.“

„Perspektivisch kann eine gut ausgestattete Bundeswehr einen wesentlichen Beitrag zur Abschreckung Russlands leisten und zumindest die konventionellen Lücken füllen, die Amerika hinterlässt, wenn es Europa den Rücken kehrt. (…) All jene, die in Berlin vom Ende der Brandmauer zur AfD träumen oder gar auf eine Rechtsregierung hinarbeiten, sollten sich vielleicht einmal die Mühe machen, die außenpolitischen Folgen durchzuspielen. Man muss kein Experte für europäische Geschichte sein, um zu erkennen, dass ein nationalistisches Deutschland mit einer kriegstüchtigen Armee Europa ins Unglück stürzen würde.“ (Quellen: dpa, AFP) (fbu)