In China übt Außenminister Wadephul scharfe Kritik: Ohne Peking könne Putin seinen Krieg gegen die Ukraine so nicht führen.
Außenminister Johann Wadephul hat an China appelliert, im Ukraine-Krieg Druck auf den Aggressor Russland auszuüben. „Wenn es ein Land auf der Welt gibt, welches starken Einfluss auf Russland hat, dann ist das China“, sagte der CDU-Politiker am Montag in Peking nach Gesprächen unter anderem mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi. Nur weil China Russland politisch und wirtschaftlich unterstütze, könne Putin seinen Angriffskrieg überhaupt „so weiterführen“, sagte Wadephul bei seinem mit Spannung erwarteten Antrittsbesuch in der Volksrepublik. An seine chinesischen Gesprächspartner habe er den „klaren Appell“ gerichtet, „dafür einzutreten, dass Russland auch merkt, dass es jetzt an den Verhandlungstisch kommen kann“, so Wadephul vor Journalisten.
China gibt sich in dem Konflikt neutral, gilt aber als einer der wichtigsten Unterstützer Russlands. Im Gespräch mit Wadephul behauptete Wang, sein Land „unterstütze alle Bemühungen, die dem Frieden förderlich seien, und wird in dieser Hinsicht weiterhin eine konstruktive Rolle spielen“.
Wadephul in China: Besuch mit deutlicher Verspätung
Wadephuls China-Besuch kommt mit mehr als einem Monat Verspätung. Eigentlich wollte der Außenminister schon Ende Oktober nach Peking fliegen, sagte die Reise aber kurzfristig ab. Der Grund: China wollte ihm keine anderen Termine als ein Treffen mit Wang Yi zusichern. Dass das nur daran lag, dass Chinas sonstige Regierungsmitglieder etwa wegen des APEC-Gipfels in Südkorea für ein Treffen mit dem deutschen Minister schlichtweg zu beschäftigt waren, bezweifelten seinerzeit viele.
Denn offenbar hatte Peking verlangt, Wadephul müsse Äußerungen zurücknehmen, die er ein paar Monate vorher gemacht hatte. Wadephul hatte von einem „zunehmend aggressiven Auftreten“ Pekings in der Region gesprochen und in einer Rede erklärt: „China unterstützt die russische Aggression gegen die Ukraine – auch um eigene hegemoniale Bestrebungen zu rechtfertigen.“ Bezogen war das unter anderem auf die zunehmenden Drohungen Pekings in Richtung Taiwan. China betrachtet den demokratisch regierten Inselstaat als abtrünnige Provinz und droht damit, sich Taiwan notfalls mit Gewalt einzuverleiben. Vor seiner Abreise nach Peking hatte Wadephul nun gefordert, „eine Änderung des Status quo“ in der Taiwanstraße könne „nur im Einvernehmen und auf friedlichem Wege erfolgen“.
Die Verschiebung der Reise kommentierte Chinas Außenminister Wang Yi am Montag mit einem chinesischen Sprichwort: „Wer etwas Gutes erreichen will, muss lange mahlen“, also: Gut Ding will Weile haben. China und Deutschland müssten „globale Herausforderungen gemeinsam angehen“, so Wang, der von Wadephul forderte, „China objektiver und rationaler“ zu betrachten – vor allem mit Blick auf Taiwan: „Wir hoffen, dass Deutschland die legitime Position Chinas versteht und unterstützt und sich entschieden gegen alle Äußerungen und Handlungen wendet, die die ‚Unabhängigkeit Taiwans‘ befürworten“, so Wang weiter.
Neben Pekings Unterstützung für Russlands Krieg gegen die Ukraine und der Taiwan-Frage dominierten Handelsfragen den ersten Tag von Wadephuls China-Reise. Aus deutscher Sicht gestalten sich die Beziehungen zwischen der zweit- und der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt extrem ungleich: Die Bundesrepublik hatte 2024 ein Handelsdefizit mit China von fast 66,9 Milliarden Euro. Und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Weil sich chinesische Konsumenten aufgrund der wirtschaftlichen Probleme des Landes zurückhalten und die USA mit hohen Zöllen ihrem Markt zunehmend abschotten, lenkt China seine Ausfuhren in andere Weltregionen um, vor allem nach Europa. So ergab vor Kurzem eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft, dass die chinesischen Importe nach Deutschland im ersten Halbjahr 2025 um elf Prozent gestiegen sind.
Neben Billigprodukten von Herstellern wie Shein und Temu exportiert China vermehrt auch Hochtechnologie nach Deutschland, etwa Solarzellen und „sehr stark subventionierte Elektrofahrzeuge“, wie Wadephul in Peking in einem ZDF-Interview kritisierte. Bei einem Treffen mit dem chinesischen Handelsminister Wang Wentao sprach Wadephul am Montagvormittag von „Wettbewerbsungleichgewichten“ und griff damit nicht nur das Problem der Subventionen auf, sondern auch andere Klagen der deutschen Industrie – etwa erschwerten Marktzugang für ausländische Unternehmen.
China stellt Wadephul „Generallizenzen“ für den Export seltener Erden in Aussicht
Auch das Problem der seltenen Erden brachte Wadephul in Peking zur Sprache. China, das weltweit die Verarbeitung der wichtigen Rohstoffe dominiert, hatte in den vergangenen Monaten im Zuge des Handelskonflikts mit den USA den Export von mehreren seltenen Erden begrenzt. In Peking sprach Wadephul nun von positiven Signalen, China habe „Generallizenzen“ für deutsche Unternehmen in Aussicht gestellt.
Außer Wadephul war bislang lediglich Finanzminister Lars Klingbeil als hochrangiges Mitglied der schwarz-roten Bundesregierung in Peking. Friedrich Merz plant seine erste China-Reise als Bundeskanzler für Anfang kommenden Jahres. Am Dienstag reist Wadephul weiter in die südchinesische Wirtschaftsmetropole Guangzhou. (Quellen: Auswärtiges Amt, ZDF, Institut der deutschen Wirtschaft, dpa, AFP, Reuters, Xinhua, Statistisches Bundesamt)