Ich merke, wie schnell Situationen kippen können. Manchmal, weil unsere Fahrgäste gestresst sind, manchmal, weil wir Fahrer es sind. Dass manche Kolleginnen und Kollegen sich aufspielen, wie es oft heißt, passiert nicht ohne Grund.
Aber es ist auch etwas, das wir nicht einfach hinnehmen dürfen. Denn am Ende geht es darum, dass der Bus ein Ort bleibt, an dem sich alle sicher fühlen.
Warum manche Busfahrer in den „Autoritätsmodus“ verfallen
Stress als ständiger Begleiter: Viele stellen sich den Job gemütlicher vor, als er ist. Tatsächlich arbeiten wir im Minutentakt.
Stau, rote Ampeln, knappe Wendezeiten, volle Busse und immer die Verantwortung dafür, dass der Fahrplan eingehalten wird. Unter Druck reagiert niemand von uns in Höchstform.
Respektlosigkeit und kleine Nadelstiche im Alltag
Das ist ein Teil des Jobs, über den wenig gesprochen wird: Beleidigungen, hitzige Diskussionen über Tickets. Das passiert öfter, als man denkt. Irgendwann kann ein Fahrer dann mal überreagieren. Nicht richtig, aber menschlich.
Viele Fahrer wurden gut geschult, aber nicht unbedingt im Umgang mit Konflikten. Wer nicht gelernt hat, ruhig und klar zu kommunizieren, greift schneller zu einer strengen Ansage. Das ist ein Versuch, Kontrolle zu behalten, aber oft ist es der falsche Weg. Und ja: Es gibt auch die menschliche Komponente.
Wie in jedem Beruf gibt es Kolleginnen und Kollegen, die gern zeigen, wer „Chef im Bus“ ist. Manche bringen private Belastung oder schlechte Laune mit. Das ist nicht ideal, aber es erklärt manches.
Manchmal reicht es, nicht noch Öl ins Feuer zu gießen
Was Fahrgäste tun können? Ohne sich zu verbiegen. Ein normaler Tonfall reicht schon. Man muss nicht überschwänglich freundlich sein. Ein respektvoller, ruhiger Ton genügt. Das macht vieles leichter. Für beide Seiten.
Tickets bereit halten, Durchsagen ernst nehmen, sich an den Regeln halten. Das sind Kleinigkeiten, aber sie reduzieren Stress deutlich.
Wenn der Fahrer angespannt ist, muss man nicht reflexartig gegenhalten. Manchmal reicht es, nicht noch Öl ins Feuer zu gießen.
Wenn ein Fahrer wiederholt auffällt, sollte das unbedingt gemeldet werden. Nur so kann ein Unternehmen reagieren. Aber es hilft, wenn Beschwerden ohne Beschuldigungsflut formuliert werden.
Wenn Beschwerden ernst genommen werden, haben wir Fahrer Klarheit
Was Verkehrsunternehmen unbedingt verbessern müssen: Mehr Schulung und zwar echte. Kommunikation, Konfliktlösung, Stressbewältigung: Das sind keine „weichen Themen“, sondern entscheidende Fähigkeiten im täglichen Betrieb.
Und: Ein Fahrplan, der ohne Hetzen machbar ist, Pausen, die ihren Namen verdienen, und Anlaufstellen für psychische Belastung. Das ist kein Luxus, sondern notwendig.
Martin Binias, bekannt als „Herr Busfahrer“, ist Influencer und aktiver Busfahrer. Mit Humor und Reichweite macht er den ÖPNV nahbar, schafft Verständnis für den Berufsalltag und wurde mehrfach ausgezeichnet. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Wenn Beschwerden ernst genommen werden, haben wir Fahrer Klarheit – und Fahrgäste das Gefühl, gehört zu werden.
Ein einfaches „Danke“ aus der Unternehmensführung, Anerkennung für Zuverlässigkeit. Das stärkt die Motivation und senkt die Neigung, Autorität überzubetonen.
Sätze wie: „Ich verstehe Sie, lassen Sie uns kurz eine Lösung finden“ wirken Wunder
Was wir Fahrer selbst in der Hand haben? Ruhig bleiben! Klingt leichter, als es ist. Aber es wirkt. Gelassenheit ist deutlich stärker als eine harsche Ansage. Wer Ruhe ausstrahlt, bekommt meist auch Ruhe zurück.
Außerdem: Regeln klar benennen, aber ohne Überheblichkeit. Niemand mag belehrt werden. Ein kurzer, sachlicher Hinweis reicht oft völlig.
Und: Echte Deeskalation versuchen. Sätze wie: „Ich verstehe Sie, lassen Sie uns kurz eine Lösung finden“ wirken Wunder. Sie signalisieren: Ich sehe dich. Ich nehme dich ernst.
Fazit: Respekt funktioniert nur, wenn beide Seiten mitmachen.
Wir Busfahrer sind für die Beförderung verantwortlich. Aber wir sind keine Sherifffiguren. Wir müssen unsere Rolle professionell und menschlich ausfüllen. Gleichzeitig brauchen wir Rückhalt: durch bessere Bedingungen und durch Fahrgäste, die uns nicht als Gegner sehen.
Wenn alle Beteiligten ihren Teil beitragen, wird der Bus zu einem Ort, an dem niemand sich behaupten muss, weder Fahrer noch Fahrgast. Sondern zu einem Raum, in dem Respekt die Grundlage ist und nicht die Ausnahme.