Bundeskanzler auf Israel-Reise: Merz auf Mission Versöhnung
Haben Gazakrieg und Waffenembargo Spuren im deutsch-israelischen Verhältnis hinterlassen? Beim Antrittsbesuch des Kanzlers in Jerusalem ist davon wenig zu spüren.
Ein Lächeln, ein Schulterklopfen, dann machen sich der Kanzler und sein Gastgeber auf den Weg zum Vier-Augen-Gespräch. Man muss die Begrüßung nicht herzlich nennen, eher betont freundlich. Später bedankt sich Friedrich Merz gleich doppelt für die Gastfreundschaft und das offene Gespräch. Es schwingt auch Erleichterung mit.
Es ist Merz‘ erster Besuch als Kanzler in Jerusalem, sieben Monate nach Amtsantritt. Seine zwei Vorgänger hatten es binnen zwei bis drei Monaten eingerichtet, auch Merz wäre gerne früher gekommen – aber der Gazakrieg ließ das lange nicht zu. Mit Beginn der Waffenruhe zwischen Israel und der islamistischen Hamas beeilte man sich in Berlin, einen Termin zu finden, und räumte überdies noch eine andere Hürde aus dem Weg: Im November hob die Bundesregierung die Beschränkung der Waffenlieferungen an Israel auf.
Merz besucht Israel: Kanzler betont Verbundenheit
Dass es sie überhaupt gab, hat man in Israel aber nicht vergessen. Die Entscheidung, unter dem Eindruck des harten Vorgehens der Armee und zehntausenden Toten in Gaza getroffen, führte nicht zu offenem Streit, aber zu Verstimmung und Enttäuschung. Merz‘ Kurzreise, keine 24 Stunden lang, ist deshalb auch Barometer dafür, wie es um die Beziehungen beider Länder zueinander steht. Und der Versuch, neu anzuknüpfen.
Schon vor dem Treffen mit dem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu betont der Kanzler die Verbundenheit. Beim Besuch der zentralen Holocaust-Gedenkstätte legt er einen Kranz nieder. „Hier in Yad Vashem ist mit Händen zu greifen, welche bleibende historische Verantwortung Deutschland trägt“, sagt er, sichtbar bewegt. „Deutschland muss für die Existenz und die Sicherheit Israels einstehen. Das gehört zum unveränderlichen Wesenskern unserer Beziehungen, für immer.“ Es ist die Erneuerung des Versprechens, Israels Sicherheit sei deutsche Staatsräson.
Trotzdem: Es ist schwierig. Gleich nach seiner Landung betonte der Kanzler, er komme zu einem Zeitpunkt, der „komplizierter kaum sein könnte“. Er meinte: für die Menschen im Land. Aber auch für ihn. Was das heißt, zeigt der Auftritt mit Netanjahu. Gleich zu Beginn geht Merz auf die Differenzen mit seinem Gastgeber ein. „Ich komme als ein Freund Israels“, sagt er. Dessen Vorgehen in Gaza habe die Bundesregierung aber „in ein Dilemma geführt“. Israel habe das absolute Recht, sich zu verteidigen, müsse sich aber „auch am Völkerrecht messen lassen“. Deshalb, sagt der Kanzler, habe man mit dem Teilembargo „hier auch ein Zeichen setzen“ müssen.
Sollte Netanjahu das irgendwie irritieren – anmerken lässt er es sich nicht. „Wir haben mit gerechten Mitteln einen gerechten Krieg ausgefochten“, sagt er. Lobt dann das offene Gespräch mit dem Kanzler, mit dem man „in gegenseitigem Respekt auch Meinungsunterschiede“ besprechen könne. Die Sicherheitsgarantie dreht er um: „Nicht nur Deutschland arbeitet für die Verteidigung Israels, sondern Israel, der jüdische Staat, arbeitet 80 Jahre nach dem Holocaust für die Verteidigung Deutschlands.“ Netanjahu bezieht das auf die Rüstungszusammenarbeit, unter anderem das Raketenabwehrsystem Arrow 3, mit dem Israel Deutschland beliefert. Dies sei ein „historischer Wandel“.
Bundeskanzler Merz in Israel: Warnung gegen Annexion im Westjordanland
Beide sind bemüht, den Dissens in einzelnen Fragen nicht allzu sehr zu betonen, und wenn, dann in freundlichem Ton. Merz verspricht dem „lieben Bibi“, den Friedensprozess mit den Palästinensern diplomatisch zu unterstützen und einen Palästinenserstaat, anders als Spanien oder Frankreich, nicht voreilig anzuerkennen. Allerdings betont er auch, dass es „keine Annexionsschritte im Westjordanland“ geben dürfe, außerdem hält er an der Zwei-Staaten-Lösung fest. Zuvor hatte sich Merz unter anderem mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas getroffen. In der Autonomiebehörde sehe er Bereitschaft zur Veränderung.
Es ist einer der Punkte, an denen Merz und Netanjahu nicht zusammenfinden. Eine Existenz mit den Palästinensern müsse es geben, sagt der Ministerpräsident. Aber: „Wir werden keinen Staat zulassen, der uns auf unserer Türschwelle zu vernichten droht.“ Priorität habe die Entwaffnung der Hamas.
Die Verstimmung: mindestens gelindert. Auch wenn der Abschied am Sonntag etwas holprig gerät. Er freue sich auf weitere Gespräche, sagt Netanjahu. Aber die Einladung nach Berlin, die Merz Mitte des Jahres ausgesprochen hatte, bleibt diesmal aus. Gegen Netanjahu gibt es einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs, streng genommen müsste er bei einem Deutschland-Besuch verhaftet werden. Das Dilemma will sich der Kanzler vorerst ersparen.