„Noch viel Potenzial auf Dächern“: Experte erklärt kommunale Wärmeplanung und Stand in Fahrenzhausen

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Photovoltaik ist ein Hebel bei der Energiewende, der in der Gemeinde Fahrenzhausen nach Ansicht von Experten noch deutlich stärker ausgeschöpft werden kann. (Symbolbild) © IMAGO/Christian Ender

Erik Jakobs vom Büro INEV kümmert sich um Fahrenzhausens Wärmeplan. Im FT-Interview erklärt er die kommunale Wärmeplanung und den Stand in der Gemeinde.

Fahrenzhausen – „Unser Büro betreut aktuell über 100 Kommunen beim Aufstellen des Wärmeplans, 20 davon sind fertig“, erzählt Erik Jacobs vom Büro INEV mit Sitz in Rosenheim. Das Büro kümmerte sich auch um den Wärmeplan der Gemeinde Fahrenzhausen und stellte diesen erst kürzlich auf der Bürgerversammlung vor. Im FT-Interview erklärt er, für was ein Wärmeplan gut ist, wo Fahrenzhausen gerade in Sachen Wärme und Energie steht und verrät, wo er Potenziale sieht.

Herr Jacobs, warum erstellen viele Gemeinden aktuell eigentlich Wärmepläne?

Das geht auf das Wärmeplanungsgesetz zurück, das 2024 in Kraft getreten ist. Hierin steht, dass Gemeinden über 100.000 Einwohner bis 2026 einen Wärmeplan aufstellen müssen, Gemeinden unter 100.000 Einwohner haben bis 2028 Zeit. Bis letztes Jahr war diese Vorgabe mit einer Förderung verknüpft, die teilweise bis zu 90 Prozent hoch war, weshalb einige Gemeinden schnell damit begonnen hatten. Der Wärmeplan Fahrenzhausen wird offiziell im Dezember abgeschlossen sein, wenn der finale Abschlussbericht an die Gemeinde übergeben wird.

Erik Jacobs vom Büro INEV
Experte in Sachen Wärme und Energie: Erik Jacobs vom Büro INEV stellt die Wärmeplanung vor. © privat

Können Sie kurz zusammenfassen, wie so ein Wärmeplan erstellt wird?

Im Zeitraum von acht bis zwölf Monaten gibt es verschiedene Meilensteine, die erarbeitet werden. Als Erstes wird die Gemeinde auf Herz und Nieren geprüft, also deren Struktur, Verbräuche und Potenziale untersucht. In dieser Bestandsaufnahme sieht man sich die aktuelle Strom-, Gas- und Wärmeversorgung an. Dabei gehen wir Fragen nach, wie der Strom in der Gemeinde gewonnen wird, wo wie viel Energie benötigt wird und wer in welchem Maße CO2-Ausstöße verursacht. Außerdem versuchen wir, mit den Akteuren, also der Gemeinde, Netzbetreibern, Energieversorgern und Industrie vor Ort in den Austausch zu gehen. Man tastet sich also durch Datensätze, Pläne und Zahlen und versucht, die Leute mitzunehmen auf diese Reise. Mit Daten und mithilfe von ausgeklügelten Simulationen und Berechnungen wird untersucht, wo welche Art von Energie- und Wärmegewinnung möglich ist und wo Wärmenetze sinnvoll sind. Am Ende steht ein mehrseitiger Bericht mit allen Ergebnissen der Untersuchungen und Gespräche.

Was kann also so ein Wärmeplan am Ende und was nicht?

Das große Ziel eines Wärmeplans ist immer die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung, schließlich will Bayern ja bis 2040 klimaneutral sein. Der Wärmeplan sagt aber weder der Gemeinde noch einzelnen Bürgern, wo und wie sie ihre Heizung umrüsten oder gar Wärmenetze betreiben müssen. Ich bezeichne ihn gerne als Werkzeug, als eine gute Entscheidungsgrundlage für die Kommune und deren Bürger.

Insgesamt kann man sagen, dass sich Fahrenzhausen schon auf einem guten Weg befindet.

Konnten Sie und Ihre Kollegen denn Besonderheiten in der Gemeinde Fahrenzhausen feststellen?

Insgesamt kann man sagen, dass sich Fahrenzhausen schon auf einem guten Weg befindet. Auffallend war, dass bereits mehr Energie aus erneuerbaren Quellen für die Stromproduktion genutzt wird, als insgesamt an Strom verbraucht wird. Und das wird in Zukunft sogar noch mehr sein, aufgrund von geplanten Wind- und Photovoltaikanlagen. Negativ aufgefallen ist, dass bei der Energie- und Treibhausbilanz der Verkehr mit 73,1 Prozent im Gesamtverbrauch sehr hoch ausfällt. Doch das liegt an der Nähe zur Autobahn, und da hat die Gemeinde kaum Möglichkeiten gegenzusteuern.

Was konnten Sie bei der Bestandsanalyse noch erkennen?

Wie für Gemeinden üblich, die nach dem Zweiten Weltkrieg gewachsen sind, stammen die meisten Häuser aus den Jahren 1949 bis 1978. Ebenso normal für Kommunen dieser Größenordnung ist, dass es überwiegend Einfamilienhäuser gibt, sie machen 38,1 Prozent der Gebäudetypen aus. Unüblich ist der überdurchschnittlich hohe Anteil an Biomasse. Biomasse deckt in Fahrenzhausen 47,1 Prozent des gesamten Wärmebedarfs.

Diagramm zu Energieträgern in Fahrenzhausen
Viel Wärme aus Biomasse wird in Fahrenzhausen bereits gewonnen, wie das Büro Inev für die Wärmeplanung feststellte. © INEV

Und wo sieht Ihr Büro in der Gemeinde noch Potenzial?

Wir sehen in der Gemeinde gleich mehrere spannende Potenziale. Wir haben unter anderem Biomasse, Photovoltaik auf Dachflächen, Windenergie sowie Grundwasserwärmepumpen und Erdwärmesonden untersucht. Die Ergebnisse stellen wir am Ende transparent zur Verfügung. In Jarzt oder Weng gibt es beispielsweise gute Voraussetzungen für Grundwasserwärmepumpen, während Lauterbach eher für Erdwärmesonden geeignet wäre. Besonders überrascht hat uns aber, wie viel ungenutztes Potenzial noch auf den Dachflächen schlummert – bei der Photovoltaik ist längst nicht alles ausgeschöpft. Wichtig ist außerdem der Austausch mit größeren Akteuren im Ortszentrum, die als mögliche Ankerkunden mit hohen Verbräuchen infrage kommen. Nur wenn Gespräche weitergeführt und gemeinsame Schritte geplant werden, können potenzielle Wärmenetze überhaupt realistisch entstehen.

Sprechen Sie auch Handlungsempfehlungen für die Gemeinde aus?

Ja, wir sprechen immer Handlungsempfehlungen aus und stellen einen Maßnahmenkatalog zusammen – meist mit fünf bis zehn Punkten. Das klingt zunächst wenig, aber genau das ist der Vorteil: Die Gemeinde kann sich auf die wirklich wichtigen Schritte konzentrieren. Oft ist „weniger ist mehr“ hier der richtige Ansatz. Gerade in einer ländlich geprägten Gemeinde wie Fahrenzhausen wird es für viele Bürgerinnen und Bürger auf individuelle Lösungen hinauslaufen – also nicht unbedingt auf einen Anschluss an ein neues oder erweitertes Wärmenetz. Sinnvolle Maßnahmen können zum Beispiel Energieberater-Gutscheine sein oder Informationsveranstaltungen zum Heizungstausch. Außerdem kann die Gemeinde bei sich selbst ansetzen: etwa durch die Einführung eines Energiemanagementsystems, die Sanierung eigener Liegenschaften oder den Umstieg auf erneuerbare Wärme in öffentlichen Gebäuden.

Und wie geht es jetzt weiter mit der Wärmeplanung?

Sobald die Gemeinde den Abschlussbericht erhalten hat, wird sie ihn veröffentlichen. Damit bleibt die Kommunikation rund um die Wärmewende am Laufen. Das kann zum Beispiel über die gemeinsam erarbeiteten Maßnahmen oder über die bestehenden Kommunikationskanäle passieren. In etwa fünf Jahren sollte die Gemeinde dann wieder auf die kommunale Wärmeplanung schauen, weil zu diesem Zeitpunkt eine Aktualisierung ansteht.