Die SPD zeigt sich vor der Renten-Entscheidung trotz Anfeindungen wegen Ministerin Bas zuversichtlich. Für die Union hingegen ist sämtliches Vertrauen verbraucht.
Berlin – Kurz vor der Bundestagsabstimmung zum umstrittenen Rentenpaket der Koalition am Freitag (5. Dezember) zeichnet sich immer deutlicher ein Zerwürfnis innerhalb der schwarz-roten Koalition unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) ab. Die Hauptgründe sind neben dem Rentenvorschlag auch die Aussagen und das Verhalten der Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD). Die SPD-Politikerin sieht sich mit Vorwürfen wegen Sticheleien gegen Arbeitgeber konfrontiert und kämpft zugleich gegen den Widerstand junger Unionsabgeordneter.
Besonders Letzteres scheint nun das Fass zum Überlaufen zu bringen: „Wenn ich mir die Beschlüsse der Jusos und SPD-Landesparteitage der letzten Monate anschaue, dann frage ich mich: Mit welchem Recht ruiniert die SPD unser Land?“, fragt Christian von Stetten (CDU), Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses und des Parlamentskreises Mittelstand (PKM), nach der Fraktionssitzung am Dienstagnachmittag (3. Dezember).
Bas‘ SPD vor Rentenabstimmung im Bundestag zuversichtlich: Union will Abweichler-Zahl nicht nennen
Zur Erklärung: In der Union stemmen sich seit Wochen junge Abgeordnete gegen die Regierungspläne zur Stabilisierung des Rentenniveaus. Sie argumentieren, dass diese Kosten die künftigen Generationen übermäßig belasteten. Am Dienstag fand eine Probeabstimmung bei CDU und CSU im Bundestag statt, bei der nach Angaben aus Fraktionskreisen rund 15 Abgeordnete gegen die Rentenvorlage stimmten. Damit hätte die Koalition keine Mehrheit.
Und während die SPD am Mittwoch (3. Dezember) geschlossen hinter dem Rentenpaket der Regierung steht und „guter Dinge“ ist, dass dieses am Freitag durch den Bundestag geht, will die Spitze der Unionsfraktion vor der Abstimmung über das Rentenpaket zunächst nicht bekanntgeben, wie viele Abgeordnete ein Nein oder eine Enthaltung angemeldet haben. „Es handelt sich um ein internes Verfahren, aus dem keine Zwischenstände kommuniziert werden“, sagte eine Fraktionssprecherin der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage. In dieser aufgeheizten Stimmung hatte Bas immer wieder gegen die Union gestichelt.
Die SPD will auf die Sorgen und Ängste, dass wie bei der Ampel-Koalition ein Bruch der Regierung bevorsteht, wenig wissen: Es sei zugleich „völlig legitim, zu diskutieren“, so SPD-Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese am Mittwoch mit Blick auf Kritiker in der Unionsfraktion. In der Regierung seien unterschiedliche Parteien und Diskussionen bedeuteten nicht immer gleich einen „Untergang der Regierung oder eine Ampel-Situation“.
Nach Streit um Renten-Pakt und Revolte gegen Bas: Union verliert Vertrauen in Koalition
Wie ernst die Lage ist, zeigen aber Aussagen anderer Regierungsvertreter: „Ich werde am Freitag zustimmen, aber das war es dann auch für mich. Mein Vertrauen in den Koalitionspartner ist nach 200 Tagen vollständig aufgebraucht“, so von Stetten laut der Bild-Zeitung. Kurzum: Selbst wenn das Rentenpaket durchgeht, könnte die schwarz-rote-Koalition beim nächsten Streitthema zerbrechen.
Überblick: Die Pannen-Chronik der Bärbel Bas
- 25. November: Beim Arbeitgebertag zweimal vom Publikum ausgelacht – wegen falscher Behauptungen zum Rentenpaket
- 29. November: Auf Juso-Bundeskongress: „gegen wen wir eigentlich gemeinsam kämpfen müssen“ – Kampfansage an Arbeitgeber
- 1. Dezember: CDU-Politiker von Stetten nennt sie „Fehlbesetzung im Amt“ – nach ihren Arbeitgeber-Aussagen
- 3. Dezember: Hat sich bis heute, sich bei den Arbeitgebern nicht entschuldigt – trotz massiver Kritik
Ähnliches sagte auch Daniel Kölbl aus der Jungen Gruppe gegenüber der FAZ: „Bei mir ist Vertrauen in die SPD verloren gegangen, aufgebraucht ist es aber nicht. Wir sind dazu verdammt, dass diese Regierung funktioniert. Meine Haltung ist: Wir ziehen das jetzt durch, aber die SPD wird mit dieser Methode nicht immer durchkommen.“ Manche Politik-Kollegen sehen nicht nur ein Ende der Koalition, sondern auch das Ende der SPD: „Die rhetorischen Entgleisungen von Bas und ihren Jusos sind symptomatisch für die Selbstauflösungserscheinungen der einstigen Volkspartei SPD“, so der CDU-Außenpolitiker Peter Beyer.
Bas hatte auf dem Juso-Kongress am Wochenende (29./30. November) von einem Auftritt auf dem Arbeitgebertag berichtet und gesagt, dort sei ihr „besonders deutlich geworden (...), gegen wen wir eigentlich gemeinsam kämpfen müssen“. Sie sei dort gefragt worden, wie viel soziale Sicherheit sich Deutschland überhaupt noch leisten wolle. Bislang hat sich Bas bei den Arbeitgebern noch nicht für ihre Aussagen entschuldigt.
Erwartungen an Bas nach Arbeitgeber-Eklat: Spahn fordert klärendes Gespräch
Ob das die Wogen überhaupt noch glätten könnte, bleibt aber auch fraglich. Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) hat der Arbeitsministerin zumindest nahegelegt, Irritationen mit Arbeitgeberverbänden auszuräumen. Auf eine Frage zu Aussagen der SPD-Chefin beim Juso-Bundeskongress sagte Spahn in Berlin, in der Hitze einer Debatte könne sicherlich die eine oder andere Aussage durchrutschen.
Ich habe aber auch die Erwartung, dass die Ministerin mit den Arbeitgebern ein klärendes Gespräch führt, um das aufzulösen.
Er habe aber auch die Erwartung, dass die Ministerin mit den Arbeitgebern „ein klärendes Gespräch führt, um das aufzulösen“. Nur so könne Sozialpartnerschaft funktionieren und es auch gut miteinander weitergehen. Den Streit mit den Arbeitgebern könnte Bas dadurch vielleicht noch niederlegen, schwieriger ist das Problem mit dem Rentenpaket. Die Fraktionsspitze hat den Abweichlern eine Frist bis Mittwochmittag gesetzt, um abschließend zu erklären, ob sie bei ihrer Ablehnung bleiben.
Das Rentenpaket ist ein zentraler Bestandteil des Koalitionsvertrags. Die „Junge Gruppe“ der Union kann mit ihren 18 Stimmen die knappe Koalitionsmehrheit von nur 12 Stimmen kippen und würde damit die Regierungsfähigkeit grundsätzlich infrage stellen. (Quelle: FAZ, Bild, dpa) (bg)