Umfrage enthüllt: Ukrainer wollen Donbass nicht aufgeben – trotz massiven US-Drucks

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Die USA und Russland wollen die Ukraine zur Aufgabe des Donbass bewegen. Selenskyj wehrt sich – und hat dabei die Unterstützung der Bevölkerung.

Kiew – Seit fast vier Jahren halten die Ukrainerinnen und Ukrainer durch. Studenten schreiben ihre Abschlussprüfungen ohne Licht, Familien halten Winter ohne verlässliche Heizung und fließend Wasser aus und alle haben wohl die ständige Angst akzeptiert, ob der nächste Luftangriff das eigene Haus trifft. Und trotzdem wollen die Ukrainerinnen und Ukrainer im Ukraine-Krieg nicht aufgeben. Eine Studie des Kyiv International Institute of Sociology (KIIS) hat herausgefunden, dass 75 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer den russischen Plan für die Ukraine, inklusive der Gebietsabtretungen im Donbass, absolut ablehnen. In Berlin verhandelt Wolodymyr Selenskyj unterdessen mit Donald Trumps Vertretern über die Zukunft der Ukraine. Ein zentraler Punkt ist dabei der Donbass.

Ein Soldat der ukrainischen Armee in der Nähe von Kramatorsk in der Region Donetsk im Donbass
Die Ukrainische Armee verteidigt den Donbass weiter gegen die russische Invasion © IMAGO / News Licensing

Über die Studie berichtete die ukrainische Zeitung Ukrainska Pravda. Die Studie wurde vom 26. November bis 13. Dezember 2025 durchgeführt. 547 Ukrainerinnen und Ukrainer über 18 Jahren wurden gefragt, welchem Friedensplan sie zustimmen würden: einem russischen oder einem europäisch-ukrainischen? Das KIIS hat den Befragten zwei simplifizierte Friedenspläne vorgestellt, ohne ihnen zu sagen, welcher Seite er zuzuschreiben ist. Dann durften die Befragten angeben, inwiefern sie ihm zustimmen würden. Antwortmöglichkeiten rangierten von „schwer zu sagen“, „das ist absolut inakzeptabel“, „das wäre eine schwierige Option, aber generell akzeptabel“ und „dieser Option kann ich leicht zustimmen“. Das sind die Ergebnisse im Überblick:

Ukrainischer & europäischer Plan Russischer Plan
Dieser Option kann ich leicht zustimmen 31 % 7 %
Das wäre eine schwierige Option, aber generell akzeptabel 41 % 10 %
Das ist absolut inakzeptabel 14 % 75 %
Schwer zu sagen 14 % 8 %

Vor Ukraine-Verhandlungen in Berlin: 75 Prozent der Ukrainer wollen Donbass nicht aufgeben

Die gleiche Studie mit denselben Fragen wurde auch im September 2025 durchgeführt und kam zu ähnlichen Ergebnissen. Allein am oberen Rand gibt es Bewegung: Während im September 18 Prozent dem ukrainischen und europäischen Plan leicht zustimmen konnten, waren es im Dezember 31 Prozent. Auch dem russischen Plan konnten im Dezember mehr Menschen zustimmen, die Zahl stieg von 3 auf 7 Prozent. Die Ablehnung des russischen Plans blieb jedoch gleich, ihn lehnten sowohl im September als auch im Dezember 75 Prozent ab.

Das ist der simplifizierte ukrainische und europäische Plan, der den Befragten vorgestellt wurde:

  • Die Ukraine erhält zuverlässige Sicherheitsgarantien von Europa und den Vereinigten Staaten, darunter nachhaltige Waffenlieferungen und finanzielle Unterstützung in ausreichender Höhe sowie die Sperrung des ukrainischen Luftraums für russische Angriffe.
  • Die derzeitige Frontlinie wird eingefroren; Russland behält die Kontrolle über die besetzten Gebiete, aber die Ukraine und die internationale Gemeinschaft erkennen dies nicht offiziell an.
  • Die Ukraine strebt den Beitritt zur EU an.
  • Die Sanktionen gegen Russland bleiben in Kraft, bis ein dauerhafter Frieden hergestellt ist und die Gefahr einer erneuten russischen Aggression gebannt ist.

Der simplifizierte russische Plan enthielt folgende Punkte:

  • Die Vereinigten Staaten und Europa heben alle Sanktionen gegen Russland auf.
  • Die russische Sprache erhält in der Ukraine offiziellen Status.
  • Die Ukraine muss ihre Streitkräfte erheblich reduzieren und ihre Waffenbestände begrenzen.
  • Die Ukraine verzichtet dauerhaft auf eine NATO-Mitgliedschaft, und der Westen darf keine Waffen mehr an die Ukraine liefern.
  • Russland hat das Recht, über die Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu entscheiden, und wird einer der Garantiestaaten für die Sicherheit der Ukraine sein.
  • Die Ukraine zieht ihre Truppen aus Teilen der Oblast Donezk ab, die derzeit unter ihrer Kontrolle stehen, darunter Kramatorsk, Slowjansk und andere Städte.
  • Die Ukraine erkennt die Krim, die Oblast Donezk und die Oblast Luhansk offiziell als Teil Russlands an und gibt sie dauerhaft auf.
  • Russland behält die Kontrolle über die besetzten Teile der Oblaste Cherson und Saporischschja.

Entscheidet sich das Ende des Ukraine-Kriegs am Donbass? Trump und Putin wollen Aufgabe

Der vorletzte Punkt des simplifizierten russischen Plans bezieht sich auf die komplette Aufgabe des Donbass. Die Oblast (vergleichbar mit Regierungsbezirken oder Bundesländern) Donezk und Luhansk liegen im Donez-Becken, dem sogenannten Donbass. Donesk und Luhansk sind seit 2014 in Teilen russisch besetzt und wurden von Wladimir Putin als russisch gestützte „Volksrepubliken“ ausgerufen. Nach dem Beginn der zweiten Kriegswelle 2022 wurde das vollständige Gebiet der Oblasten Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson dann völkerrechtswidrig als eigenes Staatsgebiet in die russische Verfassung aufgenommen.

Die Zukunft dieses Gebiets ist einer der Knackpunkte der Verhandlungen in Berlin. Die USA drängen die Ukraine, den Donbass komplett aufzugeben – also auch die Gebiete, die bis jetzt noch nicht russisch besetzt sind. Das berichten Reporter der Nachrichtenagentur AFP aus den Verhandlungsräumen in Berlin. Warum der Donbass so wichtig ist, hängt mit seiner strategischen Bedeutung zusammen und mit den Bodenschätzen, die dort vermutet werden. Neben Kohle und Erzen liegen im Boden auch wertvolle „Seltene Erden“, die für Computerchips und andere moderne Technik gebraucht werden.

Ukraine-Verhandlungen in Berlin: Darum ist der Donbass so bedeutend

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas warnte am Montag (15. Dezember), dass die Einnahme des gesamten Donbass nicht das Endziel von Putin sei. „Wir müssen verstehen, dass, wenn er den Donbass bekommt, die Festung gefallen ist und sie dann definitiv weitermachen werden, um die ganze Ukraine einzunehmen“, warnte Kallas. „Wenn die Ukraine fällt, sind auch andere Regionen in Gefahr.“ Diese strategische Bedeutung des Donbass liegt an dem Verteidigungsgürtel, den die ukrainische Armee seit 2014 errichtet hat. Dabei handelt es sich um eine 50 Kilometer lange Linie mit Geschützstellungen, Minen und anderer Verteidigungsinfrastruktur. Wie der Deutschlandfunk berichtet, warnen Experten davor, dass russische Truppen nach einer Einnahme dieses Verteidigungsgürtels erheblich schneller vorstoßen könnten.

In Berlin kommt es nun darauf an, ob sich die Ukraine gegenüber Donald Trumps Verhandlern behaupten kann. Dabei kann sich Wolodymyr Selenskyj neben der EU auf die Unterstützung seiner Bevölkerung verlassen, das zeigen die Ergebnisse der KIIS-Studie. Die Verhandlungen laufen bis zum Montagnachmittag, danach trifft sich Selenskyj mit europäischen Staats- und Regierungschefs sowie den Spitzen von EU und Nato. Alle Entwicklungen können Sie in unserem Newsticker verfolgen. (Quellen: ntv, Ukrinform, Ukrainiska Pravda, Deutschlandfunk, KIIS, AFP) (cdz)