Gewaltvorwürfe am Christkindlmarkt: Perchten sollen Kinder verdroschen haben - „Alles gelogen“

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Gewaltvorwürfe am Christkindlmarkt: Perchten sollen Kinder geprügelt haben - „Alles gelogen“

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Die Perchten aus Penzberg sorgten mit ihrem Auftritt auf dem Christkindlmarkt für Schreckmomente. Die meisten waren harmlos. Es gibt aber auch handfeste Vorwürfe. © Sabine Hermsdorf-hiss

Nach dem Auftritt auf dem Wolfratshauser Christkindlmarkt werden die Perchten beschuldigt. Der Vereinschef droht mit Anzeige wegen Verleumdung.

Wolfratshausen - Sie sollen so furchterregend aussehen, dass sie böse Geister vertreiben. Die Perchten, Figuren mit schaurigen Horror-Gesichtern und Ruten aus Holz, zogen am Freitagabend über den Wolfratshauser Christkindlmarkt, verschreckten aber nicht nur Dämonen. Ein Jugendlicher behauptete, geschlagen worden zu sein, Kinder rannten vor den Gruselfiguren davon, und ein Facebook-Post, in dem den Penzbergern rohe Gewalt vorgeworfen wurde, kochte hoch – so sehr, dass der Chef des Vereins, ziemlich angefressen, mit einer Verleumdungs-Anzeige droht. Der Bürgermeister aber nimmt die Brauchtumsgruppe in Schutz.

Grusel-Tradition am Christkindlmarkt: Perchten sollen Kinder geschlagen haben - Chef weist alles zurück

Was genau passiert ist, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Valentin, ein 14-Jähriger, berichtete gegenüber unserer Zeitung, dass er von den Schauergestalten geschlagen worden sei. Er habe ein bisschen provoziert, aber die Reaktion sei übermäßig gewesen. Zudem sollen die Perchten völlig unbeteiligte Grundschüler angegriffen haben. Das kritisierte auch eine Wolfratshauserin auf Facebook. Demzufolge sei ein „kleiner Junge, der geweint hat, von den Perchten festgehalten und ausgepeitscht“ worden. Zwischen acht und zwölf Jahren seien die Kinder gewesen, die erschreckt und geschlagen wurden. „Das hat mit Tradition nichts zu tun“, lautet das Fazit der Wolfratshauserin.

Gewalt gehört nicht zum Brauch

Dieser Satz ist ziemlich genau die einzige Aussage der Frau, der Thomas Kaindl unumwunden zustimmt. Gewalt und Übergriffe gehören nicht zum Perchtenbrauch. Deshalb ist Kaindl sicher: „Die Vorwürfe sind durch die Bank gelogen.“ Dass seine Vereinsmitglieder wehrlose Kinder verdreschen, kann sich der Krampus-Darsteller nicht vorstellen. Ganz im Gegenteil: „Wir nehmen den Kindern die Angst, wenn sie sich erschrecken.“

Er zum Beispiel hat beim Zug durch die Stadt mehrfach seine Maske abgenommen, wenn ein Kind zu große Angst zeigte. Mit vielen Familien posierte er für Erinnerungsfotos. Überall, wo er und seine Gesellen am Freitag auftauchten, waren auch Erwachsene: „Ich frage Sie: Wenn wir so auf Kinder eingeschlagen hätten, wie es uns vorgeworfen wird – hätte dann nicht irgendjemand eingegriffen?“ Kaindl ist sich sicher: Keiner seiner Kollegen ist ein Gewalttäter. Selbst, als sie „sehr aggressiv angegangen“ wurden, habe er zur Besonnenheit gemahnt. „Auf einer Brücke sind Jugendliche auf uns losgegangen, an der ,Eiszeit‘ haben uns andere den Weg versperrt.“ An der Eisfläche habe Provokationen gegeben, einer seiner Kollegen habe einen Schneeball ins Gesicht bekommen. „Ich habe gesagt: Lasst uns in Ruhe, wir tun Euch nichts.“

Bürgermeister schaltet sich ein: Er stellt sich vor den Krampus

Es ist aber wohl nicht nur bei warmen Worten und Friedensbekundungen geblieben: „Es stimmt schon, ein paar haben sich ein bisschen gewehrt“, räumt Kaindl ein. Aber nicht mit Schlägen, nicht übermäßig, nicht verletzend. Das bestätigt Bürgermeister Klaus Heilinglechner. Er war Augenzeuge der Vorfälle an der ,Eiszeit‘, die für die ganze Aufregung sorgen. Der Rathauschef hat Jugendliche dabei beobachtet, wie sei nach den Perchten traten, sie an den Hörnern zogen und auch sonst nicht zimperlich waren: „Das war massiv“. Im Laufe des Gesprächs mit unserer Zeitung spricht Heilinglechner von einer „Hetzjagd“ auf die Perchten. „Die haben sich irgendwann schon gewehrt, aber wirklich nicht so, dass man sie aggressiv nennen könnte.“

Den Umgang mit der Rute – „die gehört zum Brauch dazu“ – geben klare Spielregeln vor, sagt Kaindl: „Wir tatschen die Leute damit ab.“ Und zwar ausschließlich am Bein. Dass es Zeugen dafür gab, als einzelne, junge Perchten mit der Rute ausholten, auf der Marktstraße hinter verschreckten Kindern und Jugendlichen herrannten und mit Schlägen drohten, überrascht Kaindl. „Wenn so etwas passiert wäre, würden wir mit den Jugendlichen darüber sprechen. Wenn so etwas vorkommt, bleiben sie beim nächsten Auftritt daheim.“ Ob er dergleichen mitbekommen hat? „Nein.“ Ein bisschen Schrecken gehöre zur Tradition dazu – solange es im Rahmen bleibe.

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Die Polizei hat von Gewaltdelikten nichts mitbekommen. „Wir haben keine einzige Anzeige oder Meldung in diesem Zusammenhang“, sagt Dienststellenleiter Emanuel Erdinger auf Nachfrage unserer Zeitung. Nur Hörensagen habe sich bis zur Inspektion durchgesprochen.

In der jüngeren Vergangenheit sind auch beim Bürgermeister keine Beschwerdeführer vorstellig geworden. Zumindest fast: „Mir hat im vergangenen Jahr ein Mädchen geschrieben, das vor den Perchten Angst hatte“, das sei alles gewesen. Gewalt und Ausschreitungen: Davon hat Klaus Heilinglechner „nie etwas gehört“.