Saarbrücken gönnt sich – obwohl die Stadtkasse eigentlich chronisch leer ist – bis 2027 vor dem Hauptbahnhof „Eurobahnhof“ einen „Velo-Turm“. Ein zweistöckiges Parkhaus für 144 Fahrräder.
Die erste Planung lag noch bei 250 Rädern. Der Kostenpunkt: 3,5 Millionen. Davon wurden 3,1 Millionen Euro Fördergelder aus dem Bundeshaushalt bereits bewilligt. Es kann also losgehen mit dem Neubau.
Laut "Saarbrücker Zeitung" ist die „Stadtpolitik mehr oder weniger unisono begeistert“, dass „in der Landeshauptstadt endlich ein größeres Fahrrad-Parkhaus gebaut wird.“ Die örtliche SPD freut sich gar, dies sei ein „sehr wichtiger Baustein, um das Radfahren in der Stadt attraktiver zu machen“.
Benötigt werden 100 Quadratmeter Grundfläche
Die Rechnungen für die bewilligten Fördergelder müssen bis 2027 vorgelegt werden. Dafür soll schnellstmöglich gebaut werden, damit Saarbrücken am Ende auch die Gelder aus Berlin erhält. Benötigt werden 100 Quadratmeter Grundfläche. Etwa zehn bis 13 Meter hoch soll das Fahrradparkhaus werden. Die Fassade soll aus Holz oder Glas bestehen, eine Begrünung des Dachs ist in Prüfung.
Hightech kommt zum Einsatz: Der Turm selbst kann nicht betreten werden. Der Radfahrer schiebt am Turm sein Bike in eine Kabine. Nach dem Bezahlen befördert ein Computersystem wie in einem Warenlager das Zweirad in ein freies Regalfach im Turm, wo es dann eingelagert wird.
Die Steuerung erfolgt über eine App, in der bargeldlos bezahlt wird. Mittig auf dem Platz wird künftig der Prestige-Leuchtturm für Radler weithin sichtbar sein, dann sogar die Baumkronen überragen.
Bestandsaufnahme vor Ort ist ernüchternd
Keinen Platz bietet der Turm jedoch für Lastenräder oder Zweiräder mit Anhänger. Dafür sollen die bereits vorhandenen blauen Abstellcontainer künftig modernisiert werden. Doch wird der „Velo-Turm“ am Ende zu einem Millionengrab?
Erste Anzeichen dafür gibt es bereits. Die Bestandsaufnahme vor Ort ist ernüchternd. An einer Seite des Bahnhofs existiert ein überdachter Abstellplatz für Fahrräder.
Vier Unterstände mit Fahrradanlehnhaltern zum Anketten des Bikes sind vorhanden. Also ungefähr die Anzahl, die künftig im Millionen-Turm auch möglich ist – nur eben kostenlos. Laut Plänen der Stadt Saarbrücken soll der Unterstand weiter bestehen.
Zur Rushhour am Donnerstagabend und Freitagmorgen waren dort im Schnitt 145 Fahrräder abgestellt. Klingt gut, aber nur auf den ersten Blick. Denn: „Die meisten Räder hier sind eher sogenannte Langzeitparker“, erzählt ein Bundespolizist auf Streife.
"Der Rad-Bestand hier wird nicht gepflegt"
Radlerin Ramona Servatius wird konkreter, da es sich offenbar um viele Schrottfahrräder handelt: „Der Rad-Bestand hier wird nicht gepflegt. Ich versuche schon seit Jahren, mit regelmäßigen E-Mails Verantwortliche dazu zu bewegen, dass hier mal aufgeräumt wird. Es gibt einige Fahrräder, die schon Jahre stehen.“
Zwischenzeitlich werde das Ganze durch die Stadtreinigung zumindest optisch etwas aufgehübscht, sagt sie: „Mittlerweile nisten keine Vögel mehr zwischen den Fahrrädern.“ Radfahrer Andreas Roden schätzt, dass von den Rädern hier maximal 80 aktiv genutzt werden.
„Hier stehen viele Fahrräder sehr lang.“ Man dürfe sich nicht täuschen lassen. Der aktuelle Bedarf an tatsächlichen Parkmöglichkeiten ist vermutlich kleiner als gedacht. Auch Radfahrer Etienne Rudolf bemerkt: „Viele stellen ihr Rad hier über Wochen oder Monate ab.“
"So 30 Euro im Monat wären für mich gerechtfertigt"
Klar ist: Ein Großteil der Radfahrer steuert direkt zum Bahngleis und nimmt seinen Drahtesel näher zum Zielort. Während des dreistündigen Aufenthaltes für diese Reportage kamen gerade einmal zehn Radler zu den bereits vorhandenen Abstellmöglichkeiten.
Die vier Unterstände mit Fahrradanlehnhaltern sollen unangetastet und nutzbar bleiben, wenn der neue Turm mal steht. Die meisten befragten Radfahrer begrüßen das Projekt. Bei einer kleinen FOCUS-online-Umfrage hält sich die Zahl der künftig Zahlungswilligen und der Turm-Gegner die Waage.
Andreas Roden zu seinen Preisvorstellungen: „Ich nehme mal an, je öfter man dort parkt, wird es dann ein Abo für einen Monat geben oder so. So 30 Euro im Monat wären für mich gerechtfertigt. Es kommt aber auch darauf an, wie schnell das Einstellen in die Boxen funktioniert."
"Ich möchte nicht mit zehn Leuten in der Schlange stehen"
Menschen, die mit dem Zug fahren, kämen morgens sehr knapp. "Und wenn das dann zehn Minuten dauert, bis das Fahrrad weggestellt ist, dann ist das ziemlich unattraktiv. Ich möchte nicht morgens mit zehn Leuten in der Schlange stehen. Ich denke, die Leute, die sowas bauen, die wissen, was sie tun. Generell finde ich es wichtig, dass das Fahrrad gerade im Winter und bei schlechtem Wetter witterungsgeschützt steht."
Hans-Georg Breunig meint: „Die Fahrradparkmöglichkeiten hier zu verbessern, ist eine gute Idee. Hier sind aktuell zu wenig freie Parkplätze vorhanden. Es sieht auch nicht besonders schön aus hier. Wichtig ist mir, dass das Fahrrad vor Vandalismus geschützt wird.“ Den Turm sieht er skeptisch.
„Man muss schon Vertrauen haben zu so einem Computer, dass man das eingestellte Fahrrad am Ende auch wieder zurückbekommt. Oft sind solche Sachen einfach kaputt. Wenn das Parkgebühren kostet, werde ich es nicht nutzen. Parkgebühren werden auch dafür sorgen, dass sicher etliche Fahrräder dann irgendwo wild angekettet werden, befürchte ich.“
Radler sagen, was sie für faire Preise halten
Julian Holzhofer meint: „Ich würde es auf jeden Fall nutzen. Ich nutze das ganze Jahr mein Rad. Bei Regen oder Schnee wird es nass. Für das Fahrrad ist es besser, wenn es überdacht und komplett verstaut ist. Mein Rad fand ich schon mal mit Getränken übergossen vor. Wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, würde ich durchaus dafür zahlen wollen.“
Auch Vitali Pobereznichenko blickt gespannt auf den neuen Turm: „Ich bin sicher, dass ich es nutzen werde. Das ist für mich eine geeignete Abstellmöglichkeit." An seinem Rad wurde in der Vergangenheit schon herumgeschraubt, als er nicht da war, erzählt Pobereznichekno.
"Ich habe bislang noch nie kostenpflichtige Parkhäuser benutzt, kenne aber Fahrradparkhäuser in anderen Städten wie Trier. Bis zu 1,50 Euro pro drei Stunden Parkdauer oder maximal 3 Euro am Tag könnte ich mir durchaus vorstellen. Das wäre für mich fair. Meistens bin ich 9 bis 10 Stunden unterwegs, bis ich wieder mit dem Zug zurückkomme.“
"Die Investition von 3,5 Millionen finde ich gut"
Radfahrer Etienne Rudolf ist auch dafür: „Klar würde ich es nutzen. Aktuell gibt es zu wenig freie Plätze. Ich finde es generell gut, mehr Rad zu fahren. Das entlastet die Städte. Man ist flexibler als nur mit dem Bus. Man sollte gewährleisten, dass Dauerparker nicht ewig die Stellplätze für andere Radfahrer blockieren.“
Radler wie Etienne Rudolf werden aber kaum die Kosten der Stadt Saarbrücken wieder reinholen. Bei der Preisfrage für den Service ist er klar: „Ich bin Student und habe nicht so viel Geld zur Verfügung. Meine Schmerzgrenze liegt bei drei Euro im Monat.“
Eine andere Radfahrerin, die ihren Namen nicht im Internet lesen möchte, begrüßt den anstehenden Neubau euphorisch: „Ich finde es gut, dass Rad-Pendler hier auch eine Parkmöglichkeit vorfinden und sich nicht Sorgen machen müssen, dass ihr Rad dann weg ist. Die Investition von 3,5 Millionen finde ich gut.“
Parken in Fahrradparkhäusern keine neue Erfindung
Als es dann an die Bezahlfrage geht, wird die Radlerin jedoch schnell schmallippig: „Ist die Nutzung kostenlos? Dann ja, ansonsten nutze ich den Turm künftig nicht. Ich befürchte, dass ein Millionengrab entsteht, je nachdem, wie hoch die Kosten sind.“
Grundsätzlich ist das Parken in Fahrradparkhäusern keine neue Erfindung. Und die Erfahrungen sind eher durchwachsen bis schlecht. Der WDR berichtete jüngst: „Millionengräber: Fahrrad-Parkhäuser in Bonn und Leverkusen bleiben leer“. Das dortige Angebot an belebten Stellen in der City sei ein Flop auf ganzer Linie.
Pro Stellplatz und Tag sind in Bonn nur ein Euro fällig – am Preis sollte es eigentlich nicht liegen. Trotzdem wurde jeder Parkplatz im Schnitt nur elf Mal im gesamten Jahr gebucht – und stand die restlichen 354 Tage leer. Bleibt abzuwarten, ob das in Saarbrücken anders wird.