Renten-Beitrag steigt, Wohlstand sinkt: Schock-Studie enthüllt dunkle Aussichten

Die Studie des "Kiel Instituts für Weltwirtschaft“ (IfW) im Auftrag der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)“ beginnt mit einer bitteren Bestandsaufnahme: Seit fünf Jahren dümpele die deutsche Wirtschaft „ohne eine nennenswerte Zunahme des Bruttoinlandsprodukts“. 

Eine bislang in der Geschichte der Bundesrepublik einmalige Stagnation

Noch immer liegt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf dem Niveau vor der Corona-Krise. Das BIP beschreibt das wirtschaftliche Wachstum und den Wohlstand eines Landes. Je höher der Wert ist, desto größer ist der materielle Wohlstand eines Landes.

Eine so lange Flaute sei „bislang einmalig in der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte.“ Zugleich habe die Bevölkerung um 1,6 Millionen zugenommen. Ergo: Die Wirtschaftsleistung pro Kopf ist um 1,5 Prozent geschrumpft.

Diese Veränderungen wirken sich gravierend aus: „Dementsprechend geschmälert ist die durchschnittliche Wohlstandsposition der Bürger, während sich die Verteilungskonflikte verschärfen.“

Nach den "Babyboomern“ beruhigt sich die Lage 

Diese Entwicklung verstärkt sich, da die Menschen immer älter werden und immer weniger Kinder geboren werden. Da die geburtenstärksten Jahrgänge – auch „Babyboomer“ genannt – in Rente gehen, wird in den kommenden zehn Jahren der Arbeitseinsatz pro Kopf um zwei Prozent sinken.

Das Ausmaß der Zuwanderung und die Erwerbsquote sind dabei unbekannte Variablen, die die Entwicklung beeinflussen. Fest steht: Mit einem steigenden Bruttoinlandsprodukt steigen auch die Löhne der Arbeitnehmer. Im Umkehrschluss gilt aber auch: Fällt das BIP, fallen auch die Löhne.

Studie: Rentenbeiträge steigen auf 22,3 Prozent 

Bis 2040 sorgen allerdings immer mehr Rentner im Verhältnis zu den Erwerbstätigen für Druck auf das System. Will heißen: Bis 2040 kann es ungemütlich werden.

"Aller Voraussicht“ nach steigen laut der Studie die Beiträge für die Sozialversicherung bis 2024 wie folgt: Rentenversicherung von 18,6 Prozent auf 22,3 Prozent, Krankenkassenbeiträge von 17,1 Prozent auf 18,6 Prozent.

Auch die Pflegeversicherungsbeiträge steigen dem Szenario zufolge von 3,6 Prozent auf 4,35 Prozent. Arbeitslosenversicherung und Lohnsteuer nehmen die Studienautoren als konstant an. Auch gehen sie von einem stabilen Rentenniveau von 48 Prozent aus.

Aber: "Nur höheres Produktivitätswachstum ermöglicht reale Einkommenszuwächse“, lautet eines der Kernergebnisse des IfW. Ebenso würde zwischen 2026 und 2035 ein Wachstumsplus von etwa zwei Prozent pro Jahr benötigt, damit die Beitragszahlungen zur Rente nicht steigen und Rentenkürzungen aufgehalten werden.

Bei aller Warnung vor weiterer Stagnation wartet die Studie nicht mit einer dystopischen Abrechnung der bisherigen Wirtschaftspolitik auf. Sie will Alternativen darstellen. Ihr zentraler Befund: "Deutschlands Wachstumsschwäche ist strukturell.“

Und: „Ohne mehr Produktivität geraten Einkommen, Sozialversicherungen und Staatsfinanzen unter Druck.“

Kritik am Ausbleiben des Herbstes der Reformen

Gegenüber FOCUS online sagt der Auftraggeber der Studie, Thorsten Alsleben von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft: "Deutschland hat heftige strukturelle Probleme, die Wachstum mindern oder ganz verhindern.“

Da diese "politisch verschuldet“ seien, könnten sie auch politisch geändert werden. Alsleben adressiert daher eine klare Forderung an die Bundesregierung: "Nachdem der Herbst der Reformen wohl ausgefallen ist, müssen die Reformen eben jetzt im Winter kommen.“

Viele Reformfelder statt eines großen Wurfs

Als notwendige Booster für mehr Produktivität hat die Studie ein ganzes Maßnahmenbündel zutage gefördert. So fordert Alsleben Reformen „für schnellere Genehmigungen, weniger Bürokratie, weniger Abgaben, bessere Bildungs- und Forschungsbedingungen sowie eine stärkere Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren.“ Also viele Maßnahmen statt eines großen Wurfes.

Die Betriebe, so Alsleben, könnten nur dann produktiver und innovativer sein, wenn die Politik sie nicht zu stark fesselt. „Und nur mit mehr Produktivität können wir Wohlstand und Sozialstaat langfristig sichern.“