Maybrit Illner: Muss Merz vor diesem jungen Mann Angst haben? Leider nein

Auf den ersten Blick klingt die Runde bei „Maybrit Illner“ schwer nach Zweitbesetzung: Für die SPD ist der junge Generalsekretär Tim Klüssendorf in den Ring gestiegen, für die CDU der ebenfalls junge Johannes Winkel, aktuell Chef der Jungen Union.

Dabei geht es doch um die Rente und darum, wie diese noch zu retten ist. Ist den Koalitionsparteien das fast schon final verabschiedete Rentenpaket so egal, dass die Schwergewichte den Nachwuchs schicken? Oder haben sie bereits keine Hoffnung mehr auf Rettung der Rente?

Bei „Maybrit Illner“: Wer verweigert das Rentenpaket?

Auf den zweiten Blick ist die Talk-Besetzung natürlich richtig, denn die Rente ist heute mehr denn je ein Thema für Millennials und Gen Z. Schließlich müssen vor allem sie finanziell geradestehen für die guten Gaben, die das Kabinett Merz ins neue Rentenpaket gepackt hat: die Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2031 auf 48 Prozent, die Aktivrente und die Mütterrente.

Geschätzte Mehrkosten: 118 Milliarden Euro. Noch mehr Schulden auf den Schultern der jungen Arbeitnehmer. Das Paket sei „nicht enkelfähig“ und deshalb in seiner jetzigen Ausgestaltung nicht zustimmungsfähig, hatte Johannes Winkel mit seiner JU beschlossen. Und schon mal die satte Ansage gemacht, den Rentenkompromiss der GroKo nicht mittragen zu wollen.

Wenn Merz die Renten zur Chefsache macht, ist alles wieder gut

Dass die junge Generation sich empört darüber, dass inzwischen nahezu ausschließlich Politik für die älteren Generationen gemacht wird: Zeit wird’s. Doch bei „Maybrit Illner“ kommt schnell das Gefühl auf, dass die Fackel der Rebellion bereits auf Streichholzgröße geschrumpft ist.

Jurist Winkel merkt zwar an, dass das Rentenpaket zwar weder generationengerecht sei noch generell vernünftig. Doch nun wolle sich der Bundeskanzler ja der Sache noch einmal annehmen. Und wenn Merz das Thema Rente zur Chefsache erklärt, ist das für Winkel bereits ein Grund zur Freude.

SPD-Mann Klüssendorf, ebenfalls ein Mittdreißiger, verteidigt sogar das Rentenpaket; das viele Geld werde ja nicht zum Fenster hinausgeworfen, sondern sei von den Boomern schwer verdient worden. Viel lieber würde er darüber reden, dass viele Menschen – Beamte, Bundestagsabgeordnete, Selbstständige – nicht in die Rentenkasse einzahlen.

Klartext von Clemens Fuest: Man muss den Leuten etwas wegnehmen

Es braucht jemanden wie Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts und Jahrgang 1968, damit in dieser Runde ein Funken Rebellion entsteht. Die „alle zahlen ein“-Idee sei letztendlich eine Milchmädchenrechnung, schließlich würden die Neuzahler mit ihrem Beitrag ja auch eine Rentenberechtigung erwerben.

Fuest sagt, was Sache ist: „Es gibt für dieses Problem keine leichte Lösung.“ Und dass man schon bald nur noch Mangel zu verteilen habe. Für ihn ist klar: „Wir können die Rentenversicherung nur entlassen, wenn wir Leuten etwas wegnehmen.“ Also entweder Rentenkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit. Und: „Die Renten werden künftig nicht mit den Löhnen steigen können. Punkt.“

Ist die Rente noch zu retten - und wenn ja, wie? Damit befasste sich der Talk bei "Maybrit Illner"
Ist die Rente noch zu retten - und wenn ja, wie? Damit befasste sich der Talk bei "Maybrit Illner" ZDF

Nostalgische Erinnerungen an die Agenda 2010

Wir wissen es doch alle: Mit dem liebevoll geschnürten Rentenpaket wird die Rentenmisere nur kurzfristig aufgehübscht. In Wahrheit ist es mit der Rente wie mit der Bildung und dem Gesundheitssystem: Alles muss grundlegend neu gedacht werden. Doch wenn nicht einmal mehr die junge Generation den Mut und den Mumm aufbringt, dergleichen auch nur zu fordern: Wer dann?

Es sagt viel aus, dass der Kurzzeit-Rebell Johannes Winkel bei „Illner“ mit nahezu nostalgischen Worten an Gerd Schröder und Joschka Fischer erinnert, die gegen alle Widerstände die Agenda 2010 entwickelten und auf den Weg brachten. Zwei alte, weiße Männer, die das deutsche Sozialwesen grundlegend umkrempelten.

Klar, die Agenda 2010 hat sich inzwischen abgenützt; sie wurde zur Basis vieler Probleme, die Deutschland heute hat. Doch ohne sie hätte Deutschland heute noch ganz andere Sorgen. Wo sind also die mutigen Reformer von heute? Auf die Jugend darf die Jugend hier leider offenbar nicht hoffen.