„Diese Sendung hat es in sich“, erklärt Rudi Cerne zu Beginn von „Aktenzeichen XY … ungelöst“. Der Moderator meint damit, dass die Taten, die diesmal aus München bundesweit zur TV-Fahndung anstehen, jedem Zuschauer hätten passieren können. „Es gibt Kriminalfälle, die sind so unglaublich, dass man es sich nicht vorstellen kann.“ Auf einem ziemlich vollen Parkplatz eines Supermarktes in Tübingen gerät eine 68-jährige Anwältin plötzlich in die Fänge eines Angreifers. Die Sonne scheint. Es ist 13:35 Uhr am helllichten Tag. „Von einer auf die andere Sekunde findet man sich in einem Albtraum wieder, aus dem es kein Entrinnen gibt“, sagt Cerne. Kein Entrinnen gibt es vor allem aus dem Audi A6 Avant mit Tübinger Zulassung in Schwarz, in den der Täter auf der Beifahrerseite zusteigt, als die Frau mit ihren Einkäufen gerade auf dem Fahrersitz Platz nimmt. Es ist Karsamstag.
Der Täter schlägt, knebelt und fesselt
Der Mann ist mittleren Alters, etwa 180 Zentimeter groß und spricht Deutsch ohne Akzent. Er schlägt sie, bedroht sie mit einem Messer, knebelt und fesselt sie mit Klebeband und legt sie auf die Rückbank des Wagens. Dann fährt er los. Südwestlich von Tübingen hält er an, nimmt Geld und Bankkarten aus ihrer Brieftasche und erzwingt die PIN-Nummer. Anschließend verfrachtet er die gefesselte Frau in den Kofferraum und fährt nach Tübingen-Weilheim. Doch die Sparkasse-Filiale, die er offenbar anfahren wollte, existiert nicht mehr. „Entweder hat er hier mal gelebt, aber war lange nicht mehr da, oder er saß länger im Gefängnis“, vermutet Marc Brenn von der Kripo Tübingen. Der Mann mit der dunklen Wollmütze fährt weiter. Diesmal zur Sparkasse nach Derendingen. Er hebt zweimal 500 Euro ab. Der Frau gelingt es unterdessen, den Kofferraum mit dem Schlüssel zu öffnen. Passanten eilen herbei. Der Träger flieht.
Die 68-Jährige war ein Zufallsopfer
„Anfangs dachte ich, er will mich vergewaltigen“, erklärt die entführte Frau hinterher. Moderator Cerne sagt: „Es ist unfassbar, was am helllichten Tag auf einem fast vollen Parkplatz passiert. Ich hoffe, dass der Kerl so früh wie möglich gefunden wird.“ Tatsächlich kann es jeden treffen, findet Cerne. Denn Ermittlungen zufolge handelt es sich bei der Frau um ein Zufallsopfer: Die Frau geht sonst nie in den betreffenden Supermarkt einkaufen. Auch deshalb hat die Staatsanwaltschaft Tübingen eine Belohnung von 2000 Euro für Hinweise, die zur Ermittlung oder Ergreifung des Täters führen, ausgesetzt. Wer hat den gesuchten Audi A6 Avant in Schwarz mit Tübinger Kennzeichen am 19. April 2025 gesehen? Wem ist der Tatverdächtige aufgefallen? Hinweise können unter Telefon 07071/9721400 an die Polizei Tübingen übermittelt werden.
Zwei Familienväter verschwinden spurlos
Plötzlich war Lothar Demel verschwunden. Das war vor 25 Jahren. „Die Ermittler stehen vor einem Rätsel, vielleicht können Sie helfen?“, fordert Moderator Rudi Cerne die Zuschauer auf. „Lothar Demel kam von einer Stippvisite nicht zurück.“ Auch das kann jedem passieren. Der 37-Jährige war ein echter Normalo. Seit sieben Jahren war er mit Lebensgefährtin Kerstin zusammen und hatte mit ihr einen gemeinsamen Sohn Tobias, 5. Vor fünf Jahren hatte er ein Haus gekauft und seither 250.000 Schulden. Weil er nicht genug verdient, bittet er seine Eltern öfter um Geld. Am 28. Oktober 2000 fährt Demel mit einem Freund von Großkuchen bei Heidenheim an der Brenz zu einem Schießwettbewerb im bayerischen Traunstein. Auf dem Rückweg lässt er sich in der Augsburger Innenstadt am Königsplatz absetzen und will sich am Folgetag wieder mit ihm treffen. Dazu kommt es nicht. Obwohl Demel sein Handy dabei hat, kann ihn die Polizei nicht orten. Auch Nachforschungen an Orten, an denen er sich in Augsburg oft aufgehalten hat, ergeben keine Hinweise. Auch ein anderer Familienvater ist bis heute verschwunden: Rezan Cakici verließ am 3. Juli 2017 gegen 20 Uhr seine eigene Shisha-Bar „Smokingz“ in Oldenburg und wurde nicht mehr gesehen. Konkrete Verdächtige gibt es nicht. Auch Cakici bleibt unauffindbar – seit acht Jahren nun.
Zurück bleibt ein mulmiges Gefühl
Eine Frau, die am helllichten Tag entführt wird, und zwei Männer, die spurlos verschwinden, und bei denen die Polizei davon ausgeht, dass sie tot sind. „Diese Sendung hat es in sich“, hatte Rudi Cerne zu Anfang versprochen. Das stimmt. Zurück bleibt ein mulmiges Gefühl. Kann es wirklich jeden von uns treffen? Beim nächsten Supermarktbesuch ist die Vorsicht wohl jetzt etwas größer. Und nächtliche Stippvisiten fallen erstmal aus. Cernes Worte zur Mahnung: „Von einer auf die andere Sekunde findet man sich in einem Albtraum wieder, aus dem es kein Entrinnen gibt.“ Oder übertreibt der „XY“-Moderator da nicht etwas?