Der Kopf von Norbert Röttgen wird immer röter. Schließlich platzt dem stellvertretenden CDU-Fraktionschef der Kragen. "Ich finde es unglaublich arrogant, wie die Amerikaner sich herausnehmen, Russland Angebote zu machen, ohne Konsultationen mit der Ukraine. Wer hat das Recht, über die Sicherheit und Souveränität eines anderen Landes zu verfügen?"
In Donald Trumps ursprünglichem 28-Punkte-Plan, der vorwiegend den Russen Zugeständnisse macht, war etwa die Rede davon, dass die Ukraine zugunsten des Friedens auf den Donbass verzichten soll. Dabei ist das Gebiet noch nicht mal komplett in den Händen des russischen Militärs – und wird es nach Meinung vieler Militärexperten auf absehbare Zeit auch nicht sein.
Norbert Röttgen ist sich zudem sicher, dass Trumps Plan das Signal setzt, dass sich Krieg lohnt. "Wer Krieg belohnt, wird Krieg ernten und nicht den Frieden", ist sich Röttgen sicher.
Mehr Diplomatie und weniger schwere Waffen
SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner vertritt eine gänzlich andere Position. "Es nützt nichts, jedes Mal seine Grundsätze zu wiederholen", kontert Stegner. Dort, wo man die Prinzipien hochhält, befänden sich viele Soldatenfriedhöfe. Die Strategie, dass die Lieferung von immer mehr Waffen irgendwann den Krieg beendet, sei gescheitert. "Es war immer falsch anzunehmen, man könnte Russland besiegen." Er sei deshalb stets der Meinung gewesen, dass man mehr Diplomatie und weniger schwere Waffen brauche.
Der SPD-Außenpolitiker findet zudem, dass sich die Europäer vor US-Präsident Trump viel zu sehr in den Staub werfen würden - allen voran Friedrich Merz bei seinem Besuch im Weißen Haus. Diese Unterwürfigkeit kritisiert er und merkt an: "Es wird eine Zeit nach Trump geben."
Trump zerstört gewachsene Strukturen
Die Position von SPD-Mann Stegner ist zu kurz gedacht. Gewiss wird es eine Zeit nach Donald Trump geben, nur könnte es gut sein, dass bis dahin viele wichtige und stabilisierende Bündnisse ruiniert sind.
Die Amerikaner, auf die Europa und Deutschland nach wie vor überaus angewiesen sind, zerstören über Jahrzehnte gewachsenes Vertrauen. Diplomatie ist ein Marathon und kein Sprint. Ein Amerika, das als einst wichtigster Befürworter und wichtigstes Mitglied der Nato plötzlich aus dem Reigen der Nato‑Länder ausschert und den Vermittler zwischen der Nato und Russland spielt, wird unberechenbar.
Einem Amerika unter Donald Trump geht es ganz offensichtlich weniger um die globale Sicherheit in der Welt als ums Geschäft. Auch darum soll der Krieg beendet werden und Russland so schnell wie möglich auf die globale Wirtschaftsbühne zurückkehren.
Putins Sieg am Verhandlungstisch
SPD-Mann Ralf Stegner erklärt im Grunde, man dürfe nicht zu sehr an Prinzipien festhalten, wenn es um den Frieden in der Ukraine geht. Die Frage ist nur: Wie teuer wird dieser Friede für Europa künftig werden? Ist der imperialistische Hunger Russlands mit einem Teil der Ukraine gestillt? Oder wächst mit jedem Stück gewonnenem Hektar Putins Lust auf noch ein weiteres Häppchen von Europa? Hinzu kommt die nicht mehr vorhandene Einigkeit des Westens.
"Donald Trump hat Wladimir Putin ein großes strategisches Geschenk gemacht: Der Westen ist gespalten. Das ist für ihn ein unheimlicher strategischer Erfolg", erklärt CDU-Mann Norbert Röttgen. "Putin fühlt sich sehr bestätigt in seinem Ansatz und er ist auf einem guten Weg und wird diesen nicht verlassen."
Der Zeitpunkt für den 28-Punkte-Plan kommt aus russischer Sicht ohnehin zu einem recht guten Moment. Die Ukraine ist durch den Korruptionsskandal geschwächt und Trumps Öl-Sanktionen gegen Russland sind gerade erst angelaufen. Eine Quasi-Kapitulation der Ukraine am Verhandlungstisch könnte Wladimir Putin daheim als Sieg verkaufen.