Fleischhauer-Kolumne: Bei diesem Minister ist alles etwas gemogelt

Wolfram Weimer hat Ärger. Der Kulturstaatsminister soll seine Kabinettskollegen feilgeboten haben – das ist der Vorwurf, der im Raum steht. Wer vor dem von ihm ins Leben gerufenen Ludwig-Erhard-Gipfel auf ein genanntes Konto 80.000 Euro überwies, dem wurde die Anbahnung diskreter Gespräche in "entspannter Atmosphäre" versprochen, wie es in etwas anzüglichem Kontaktbörsen-Deutsch hieß. Also eine Art Polit-Tinder – mit seiner Firma, der Weimer Media Group, als Datinghilfe.

Jetzt sind sie hinter dem Staatsminister her

Woher man so genau im Bilde ist? Weil die Weimer Media Group so unvorsichtig war, ihr Angebot in Wort und Bild festzuhalten. Dummerweise bekamen die Redakteure des Medienportals "Apollo News" Wind von der Sache. Deshalb weiß man jetzt, dass man sich beim "Davos am Tegernsee" nicht nur die Teilnahme am Panel samt freundlicher Befragung erkaufen kann, sondern vertrauliche Begegnungen mit Ministern zwecks "Einfluss auf politische Entscheidungsträger" gleich mit. Die Hälfte des Bundeskabinetts sei vor Ort, hieß es auf Nachfrage. Hoffen wir für die Gipfel-Kunden, dass es nicht die falsche Hälfte des Kabinetts ist.

Jetzt sind sie hinter dem Staatsminister her wie hinter der armen Seele. Interessanterweise sitzen die schärfsten Kritiker im rechten Lager. Kein Tag vergeht, an dem nicht eines der neuen Netzportale seinen Kopf verlangt.

"Apollo News" nennt Weimer eine "Gefahr für die Demokratie", bei "Tichys Einblick" spricht man von einem "politischen Menetekel", das auf alle abstrahle, die Weimers Nähe gesucht hätten. Keine Ahnung, weshalb sie den Herrn Staatsminister vor allem rechts der Mitte so auf dem Kieker haben. Vielleicht sind sie einfach neidisch auf seine blendende Erscheinung. Schöne Menschen haben es in der Politik immer schwer.

Ein Staatsminister als Kuppelexperte? Das ist gewöhnungsbedürftig

Was soll ich sagen? Ich komme aus Hamburg, da hat man für die gewerbsmäßige Kuppelei ein eigenes Viertel reserviert. Koberer nennt man bei uns im Norden die Männer, die vor ihren Etablissements stehen und mit wilden Versprechungen Kundschaft anzulocken versuchen. Mich kann also so schnell nichts erschrecken. Aber ich gebe zu, ein leibhaftiger Staatsminister als Kuppelexperte? Das ist zumindest gewöhnungsbedürftig.

Andererseits, immer wenn sich alle gegen einen verbünden, denke ich bei mir: Gott ja, nicht schön, aber es hätte schlimmer kommen können. Der Mann hat schließlich keine Minderjährigen verführt, sondern erwachsenen Männern und Frauen ein unmoralisches Angebot gemacht.

Ich gebe zu, ich habe eine Schwäche für Schlawiner. Der ehrliche Makler, bei dem man für jedes Wort die Hand ins Feuer legen kann, ist der Pfeiler unserer Gesellschaft. Aber es sind die Aufschneider und Blender, die das Leben auch dann bunt machen, wenn alles grau in grau zu sein scheint.

Carolin Blüchel und Jan Fleischhauer moderieren gemeinsam den Podcast „Der Schwarze Kanal“.
Carolin Blüchel und Jan Fleischhauer moderieren gemeinsam den Podcast „Der Schwarze Kanal“. Quelle: FOCUS ©FOCUS

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Der Heiratsschwindler der deutschen Medienlandschaft

Thomas Mann hat dem Hochstapler nicht von ungefähr ein literarisches Denkmal gesetzt. Felix Krull ist die Geschichte eines Mannes, der über seine Verhältnisse lebt und das, was ihm an Mitteln fehlt, durch Charme und Auftreten wettmacht.

Auch bei Weimer findet man den Drang, der schnöden Wirklichkeit unter die Arme zu greifen. Wie bei vielen Filous ist die Ausschmückungskunst dabei nicht immer zielgerichtet, sondern folgt einem inneren Zwang, sodass der moderne Krull auch dort nachhilft, wo es gar nicht notgetan hätte.

Es reicht selbstverständlich nicht, dass Weimer mit einer glatten Eins das Gymnasium in Gelnhausen verließ, es muss das "beste Abitur Hessens" gewesen sein, auch wenn sich dafür kein Hinweis in der hessischen Schulgeschichte finden lässt.

Aus einem Förderpreis wird ein Hauptpreis, aus der Nominierung in einer Nebenkategorie bei einer Journalistenehrung die Auszeichnung zum "Journalisten des Jahres". Immer muss es etwas glamouröser und beeindruckender ausfallen, als es die Realität hergibt. Aber das macht ja die Anziehungskraft des Heiratsschwindlers aus. Er denkt groß und größer, und wo die Wirklichkeit seiner Vorstellungskraft nicht standhält, wird mit Wirklichkeitsverbesserung nachgeholfen.

Man darf halt nur nicht so genau hinsehen

Auch der Berufsweg verlief weniger geradlinig, als es den Anschein hat. Wenn man Wikipedia aufschlägt, führt eine direkte Linie von der "FAZ" über die "Welt", den "Cicero" und den FOCUS zur Gründung des eigenen Medienimperiums. Tatsächlich war bei jeder Station der Boden irgendwann so heiß geworden, dass Weimer es vorzog, Adieu zu sagen, bevor man ihm sagte, dass es Zeit sei, sich zu verabschieden.

Es ist kein Zufall, dass der Firmensitz am Tegernsee liegt und damit dem Ort, wo Bayern zur Postkarte wird. In Bayern hatte man schon immer ein distanziertes Verhältnis zur protestantischen Sittenstrenge. Der ehrliche Makler, der mit steifem Kragen nur der Sache und nichts als der Sache dient, gilt hier als freudloser Tropf, von dem man sich besser fernhält, wenn man einen schönen Abend verbringen will.

Zum Halbseidenen und Anrüchigen unterhält man in Bayern ein traditionell gutes Verhältnis. Wer im Bierzelt bestehen will, braucht einen gewissen Hang zum Unseriösen, sonst wird das nichts. Auch das Bazitum, also das Geschäft unter dem Tisch, gilt hier nicht als Verfehlung, sondern als Way of Life.

Das protestantische Sündenverständnis hat den Süden nie erreicht. Wer sich bei einer Hallodri-Tat erwischen lässt, muss auch in Bayern mit Strafe rechnen, aber die Anerkennung seiner Umwelt ist ihm gewiss. "A Hund is a scho", heißt es dann entschuldigend.

So gesehen passt die Weimer Media Group vorzüglich in die Landschaft. Das Firmenimperium: ein beeindruckendes Portepee klangvoller Namen. Man darf halt nur nicht so genau hinsehen. Dann stellt man schnell fest, dass bei vielen Titeln Chefredakteur und Redaktion in eins fallen.

Die Republik der Hochstapler

Auch die Riege der Autoren gleicht einem wunderschönen Soufflé, das bei Berührung mit der kalten Luft jäh in sich zusammensackt. Welches Medienorgan kann schon den Papst, Brad Pitt und Georg Simmel zu seinen Mitarbeitern zählen? Auch der "European" nicht, das berühmte Debattenmagazin, wie man nun weiß. Aber es war halt schön, solange es währte.

Bleibt die Frage, wie einer wie Weimer in das Amt des Staatsministers gelangen konnte. Dem Vernehmen nach verdankt er die Berufung seinem engen Draht zum Kanzler. Es war die persönliche Entscheidung von Friedrich Merz, seinen Bekannten mit einem Büro gleich neben dem eigenen zu beglücken. Vom Tegernsee bis in die Regierungszentrale: Das war nicht einmal dem talentierten Felix Krull vergönnt.

Auch das ist ein Merkmal des Hochstaplers: das Talent, in den Seelen anderer, vorzugsweise denen mächtiger Gönner und Förderer, einen Hochsitz zu errichten. Die Begabung, zu verzaubern, entspricht dabei dem Bedürfnis, verzaubert zu werden. Nur wenn beides zusammenfällt – die Illusionskunst des Aufschneiders und die Empfänglichkeit für die Verführung –, kommt der Hochstapler zum Erfolg.

Wenn Sie mich fragen, spricht die Freundschaft eher für Merz. Erbsenzähler und Langweiler haben wir an der Spitze genug, da kann ein Farbklecks nicht schaden. Außerdem: Diese Republik ist finanziell so unsolide, die verträgt auch einen Weimer. Verglichen mit den Potemkinschen Dörfern, die unser Finanzminister mit all seinen Schatten- und Nebenhaushalten errichtet hat, ist der Mann vom Tegernsee fast schon wieder ein Ausbund an Rechtschaffenheit.