Bitcoin statt Tilgung: Die riskante Immobilienstrategie, über die jetzt alle sprechen

Die Idee: Bitcoin als Tilgungsträger

Stellen Sie sich vor, Sie nehmen ein Immobiliendarlehen auf, zahlen zehn Jahre lang nur die Zinsen – und investieren die eigentlich für die Tilgung vorgesehenen Beträge stattdessen regelmäßig in Bitcoin. Wenn alles gut läuft, ist Ihr Krypto-Vermögen am Ende so stark gewachsen, dass Sie die komplette Restschuld auf einen Schlag tilgen können. 

In Zeiten hoher Immobilienpreise, gestiegener Zinsen und anhaltender Inflation klingt das nach einer cleveren Alternative zur klassischen Finanzierung. Doch wie realistisch ist dieses Modell wirklich? 

So funktioniert das Modell

Bei der klassischen Immobilienfinanzierung zahlen Kreditnehmer monatlich eine gleichbleibende Rate aus Zins und Tilgung. Mit jeder Zahlung sinkt die Restschuld, nach 30 Jahren oder zum Renteneintritt ist das Darlehen abbezahlt.

Das Bitcoin-Modell kehrt dieses Prinzip um: Über viele Jahre werden nur die Zinsen oder eine minimale Tilgung gezahlt, die Restschuld wird erst am Ende fällig. Die „ersparte“ Tilgung fließt in einen Bitcoin-Sparplan – über eine Kryptobörse, einen regulierten Dienstleister oder in die eigene Wallet. Am Ende der Laufzeit sollen die angesparten Bitcoins verkauft und die Restschuld getilgt werden. Die Bank erhält immer Euro; ob die Tilgung aus dem Girokonto, einer Lebensversicherung oder aus Bitcoin stammt, bleibt zunächst Privatsache des Kreditnehmers.

Parallelen und Unterschiede zu früheren Modellen

Das Prinzip erinnert an frühere Modelle, bei denen endfällige Darlehen mit Lebensversicherungen oder Fonds als Tilgungsträger kombiniert wurden – etwa mit vermeintlich „hochrentablen“ britischen Policen. In der Praxis blieben die Renditen jedoch oft hinter den Erwartungen zurück, und viele Anleger mussten Verluste hinnehmen. Heute sind garantierte Ablaufleistungen selten, und die Kapitalmärkte deutlich volatiler. 

Christian Hansen ist Rechtsanwalt und Gründungspartner bei Steinpichler RAe in München. Er beschäftigt sich mit steuereffizienter internationaler Strukturierung von Vermögen und Unternehmen. 

Richard Lechner ist Steuerberater in München und Bestsellerautor „Im Ring mit dem Finanzamt“ u.a..

Rendite und steuerliche Vorteile als Chance

Bitcoin gilt als „digitales Gold“: begrenzte Menge, algorithmisch festgelegter Nachschub, Unabhängigkeit von Zentralbanken. Wer an das langfristige Potenzial glaubt, erwartet hohe Renditen – und tatsächlich gab es in der Vergangenheit spektakuläre Kurssteigerungen, aber auch ebenso heftige Einbrüche.

Ein Vorteil: Wer seine Bitcoin länger als ein Jahr hält und dann verkauft, kann den Gewinn steuerfrei vereinnahmen – sofern keine gewerbliche Tätigkeit vorliegt und die typischen Grenzen des Privatvermögens eingehalten werden. Das bietet Chancen, die klassische Tilgungsträger wie Lebensversicherungen heute kaum noch bieten. 

Volatilität, Timing und Klumpenrisiko

Bitcoin ist kein Sparbuch. Kursverluste von 50, 60 oder 80 Prozent innerhalb weniger Monate sind keine Theorie, sondern Realität. Wer kurz vor Fälligkeit verkaufen muss und einen Kurssturz erlebt, steht vor einem Problem: Die Bank will ihr Geld, unabhängig vom Bitcoin-Kurs. Das Timing-Risiko ist enorm.

Hinzu kommt das Klumpenrisiko: Viele Immobilienkäufer haben ohnehin einen Großteil ihres Vermögens in der Immobilie gebunden. Wenn dann auch noch die Tilgung an einer hochvolatilen Anlageklasse hängt, kann ein doppeltes Risiko entstehen – fällt die Immobilie im Wert und Bitcoin gleichzeitig, droht finanzieller Druck von zwei Seiten.

Die Theorie geht davon aus, dass Anleger Kursstürze gelassen aussitzen und konsequent weitersparen. In der Realität reagieren viele jedoch panisch, wenn 80 Prozent des angesparten Tilgungskapitals plötzlich verschwunden sind – und verkaufen im schlimmsten Moment. 

Was sagen Banken und Aufsicht?

Banken sind verpflichtet, die Tragfähigkeit einer Immobilienfinanzierung zu prüfen. Einkommen, laufende Ausgaben, Wert und Beleihungsgrenze der Immobilie sowie weiteres Vermögen spielen eine Rolle. Bitcoin passt als hochvolatile Anlage schlecht in dieses Schema und wird von seriösen Banken nicht als Tilgungsträger anerkannt. Das Risiko bleibt vollständig beim Kreditnehmer.

International regeln die Basel-Standards, wie viel Eigenkapital Banken für bestimmte Risiken vorhalten müssen. Für Krypto-Engagements gelten besonders hohe Risiko-Gewichte, was sie für Banken als Bilanzposition unattraktiv macht. Die Immobilienfinanzierung bleibt daher ein klassischer Realkredit, besichert durch Grundschuld. Die Bitcoin-Strategie läuft im Privatvermögen des Kunden – ohne offizielle Anerkennung durch die Bank.

MiCA, Verwahrung und Anlegerschutz

Mit der EU-Verordnung MiCA (Markets in Crypto-Assets) gibt es seit Ende 2024 erstmals einen einheitlichen europäischen Rahmen für Kryptowerte und entsprechende Dienstleister. Wer seine Coins selbst verwahrt, trägt das Risiko von Verlust oder Diebstahl. Wer einen Dienstleister nutzt, sollte auf die BaFin-Lizenz achten. 

Die BaFin warnt seit Jahren vor den erheblichen Risiken von Kryptoanlagen – von extremen Kursschwankungen bis zu Totalverlusten durch Betrug, Hacks oder Plattforminsolvenzen. Kryptovermögen ist weder Einlage noch durch eine Einlagensicherung geschützt. 

Steuerliche Aspekte: Chance und Falle zugleich

Nach aktueller Rechtslage sind Bitcoin im Privatvermögen „andere Wirtschaftsgüter“. Gewinne aus dem Verkauf sind steuerfrei, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung mehr als ein Jahr liegt. Muss jedoch vor Ablauf der Haltefrist verkauft werden – etwa weil die Zinsbindung ausläuft und die Bank ihr Geld will – sind Gewinne steuerpflichtig, Verluste endgültig realisiert. Ein Beispiel: Wer seine letzten Investitionen nach weniger als 12 Monaten verkaufen muss, zahlt auf den Gewinn Einkommensteuer – und kann Verluste nicht mehr ausgleichen. 

Für wen ist das Modell geeignet?

Für den typischen Häuslebauer, der mit knapper Kasse das Eigenheim finanziert, ist dieses Modell brandgefährlich. Geeignet ist eine derart spekulative Konstruktion allenfalls für Personen, die auch ohne Bitcoin-Strategie den Kredit dauerhaft bedienen könnten, über zusätzliches, breit diversifiziertes Vermögen verfügen, die Funktionsweise und Risiken von Kryptowerten tatsächlich verstehen und psychologisch in der Lage sind, massive Kurseinbrüche auszuhalten.

Eine verantwortbare Alternative wäre, die Immobilienfinanzierung klassisch mit laufender Tilgung zu gestalten und lediglich einen kleinen, klar definierten Teil des Vermögens in Bitcoin zu investieren – als spekulative Beimischung, nicht als alleinigen Tilgungsträger. 

Juristisch möglich – wirtschaftlich eine Hochrisikowette

Rein rechtlich kann niemand verhindern, dass Sie einen Immobilienkredit aufnehmen und parallel privat in Bitcoin investieren. Die Bank wird diesen „Tilgungsträger“ aber aus aufsichtsrechtlichen Gründen in aller Regel nicht anerkennen. Bank- und aufsichtsrechtlich sind Krypto-Engagements für Banken durch Basel-Standards, CRR und die nationale Aufsicht bewusst streng behandelt. Das macht es unattraktiv, Bitcoin selbst als Sicherheit oder Tilgungsträger in standardisierte Baufinanzierungsprodukte einzubauen.

Im Idealfall kann das Modell wirtschaftlich und steuerlich attraktiv sein. In der Praxis bleibt es jedoch eine riskante Wette auf den richtigen Zeitpunkt – bei der im schlimmsten Fall das eigene Zuhause auf dem Spiel steht.