„Die COP ist ein großer Erfolg für uns“ – Indigene jubeln trotz Feuer-Chaos

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Ein Brand führt zur Evakuierung der COP30 in Belém. Dennoch läuft die Klimakonferenz erfolgreich. Brasilien erkennt vier weitere indigene Gebiete an. Eine Analyse.

Plötzlich kommt Unruhe im Medienzentrum der Weltklimakonferenz auf. Einige rennen los, andere zücken ihre Smartphones. Dann öffnet sich eine Tür zum Notausgang – alle müssen hinaus. Am Donnerstagnachmittag sorgte ein Feuer für einen unfreiwilligen Stopp der COP30 in der Amazonasmetropole Belém.

Ein Brand auf der Weltklimakonferenz sorgte für einen Schockmomen
Ein Brand auf der Weltklimakonferenz sorgte für einen Schockmoment © picture alliance/dpa/Kevin Munyoli | Kevin Munyoli

Das Feuer konnte nach wenigen Minuten unter Kontrolle gebracht werden, dennoch wurde das gesamte Gelände evakuiert. Bis dahin lief die Megakonferenz eigentlich gut. Nach viel anfänglicher Kritik lobten viele Beobachter die Organisatoren. Überraschend produktiv laufen auch die Verhandlungen, heißt es aus Beobachterkreisen. Zum ersten Mal seit Langem gibt es wieder das Gefühl, dass eine COP tatsächlich Fortschritte bringen könnte.

Sieg für indigene Völker: „Wir haben die Entscheidung gefeiert, es war ein großes Fest“

Gleichzeitig sorgt ein innenpolitisches Thema bei einigen für Optimismus: die Rechte der Indigenen. Am Dienstag verkündete die brasilianische Regierung die Demarkierung von vier weiteren Gebieten – also deren gesetzliche Anerkennung, wie es die Verfassung vorsieht. In solchen Territorien sind kommerzielle Aktivitäten wie Bergbau stark eingeschränkt, der Zugang ist nur mit Genehmigung möglich, die Gemeinschaften leben weitgehend autonom. Rund 13 Prozent der Fläche Brasiliens stehen heute unter diesem Schutz. Neben den vier neuen Gebieten haben sechs weitere Territorien wichtige Schritte in diesen Prozess gemacht.

„Die COP ist ein großer Erfolg für uns“, sagt Eliseu Rodrigues da Silva, 57, bunter Federschmuck auf dem Kopf. Er gehört zum Volk der Wai Wai und steht am Rand eines Standes, an dem Bildschirme Videos aus dem Regenwald zeigen. „Wir haben die Entscheidung gefeiert, es war ein großes Fest.“

Da Silva ist Kazike – Anführer – eines kleinen Dorfes im Bundesstaat Pará, wo die COP stattfindet. Auch er lebt in einem geschützten Gebiet. Dort, wo es diese Anerkennung noch nicht gibt, gebe es viele Probleme: „Wegen Goldgräbern, Sojabauern, Großprojekten.“

Der Entscheidung waren Proteste indigener Gruppen vorausgegangen. Tausende Indigene aus Brasilien und anderen Ländern reisten an, so viele wie nie zuvor. Sie errichteten ein Camp, mehr als 300 von ihnen wurden als Delegierte oder Beobachter für die Blue Zone akkreditiert. Indigene Gruppen blockierten zeitweise sogar den Eingang zum Konferenzgelände. Und an einem anderen Tag drangen Demonstrierende in die Konferenzhalle ein und gerieten mit Sicherheitskräften aneinander. Sie forderten mehr Zugang zu den Verhandlungen. International sorgten die Bilder für Irritationen, zugleich zeigen sie das gewachsene Selbstbewusstsein der indigenen Bewegung.

„Die brasilianische Regierung musste liefern“, sagt Igor Richwin, 45, von der NGO Rainforest Foundation Norway. „Ohne konkrete Ergebnisse wäre sie bei ihren eigenen Umweltzielen in Glaubwürdigkeitsprobleme geraten.“ Die Anerkennung der Gebiete habe breite Unterstützung in der brasilianischen Gesellschaft – auch weil bekannt ist, dass Indigene entscheidend zum Schutz des Waldes beitragen. Sie helfen damit, die Klimakrise zu bremsen, deren Folgen mittlerweile viele Brasilianer*innen durch Fluten, Brände und Dürren zu spüren bekommen. In indigen verwalteten Gebieten liegt die Abholzungsrate bis zu 50 Prozent niedriger als anderswo. Richwin erinnert jedoch daran, dass viele Gebiete weiterhin auf ihre Anerkennung warten.

Neben den neuen Demarkierungen war ein wichtiger Moment die Vorstellung eines Landrechte-Abkommens, dem sich 15 Staaten angeschlossen haben. Bis 2030 sollen 63 Millionen Hektar indigener Gebiete anerkannt werden. Einige indigene Vertreter setzen zudem auf den TFFF – den Tropical Forest Forever Facility. Dieser neuartige Finanzierungsmechanismus bündelt öffentliche und private Mittel, um tropische Wälder langfristig zu schützen. Länder, die ihren Wald erhalten, erhalten Zahlungen pro Hektar intakter Fläche, mindestens 20 Prozent der Gelder sollen direkt an indigene Gemeinden gehen.

In der Nacht zum Donnerstag wurden die Verhandlungen zu dem milliardenschweren Fonds konkreter. Deutschland sagte zu, über zehn Jahre eine Milliarde Euro beizusteuern, Norwegen mehr als zwei Milliarden. Auch Brasilien und Indonesien wollen jeweils eine Milliarde beitragen. Insgesamt sollen rund 125 Milliarden Euro zusammenkommen. Gegründet wurde der Fonds von Brasilien, Kolumbien, Ghana, der Demokratischen Republik Kongo, Indonesien und Malaysia, alles Länder mit großen tropischen Waldflächen.

Präsident Lula da Silva präsentiert sich auf der COP als Umweltfreund und grüner Staatschef. Nach Jahren der Zerstörung unter Jair Bolsonaro hat Brasilien mit Lulas Rückkehr seinen politischen Kurs deutlich geändert. Dennoch bleibt die Umweltpolitik des Gastgebers widersprüchlich: Erst kürzlich genehmigte die Regierung Probebohrungen für Öl vor der Amazonas-Küste, ein Projekt, das auch indigene Territorien betreffen könnte.

Dennoch: Unter dem Strich sei die COP positiv verlaufen, sagen viele indigene Vertreter*innen. Auch Kazike da Silva vom Volk der Wai Wai zeigt sich zufrieden. Nun freue er sich darauf, die große Stadt zu verlassen und in sein kleines Dorf mitten im Regenwald zurückzukehren. (Niklas Franzen)