Aenne Burda starb vor 20 Jahren - das Leben einer Frau, die die Modewelt veränderte

Die Zeitreise beginnt mit Tellerrock, Taille und endlich wieder einem Hauch von Glamour. Gerade mal zwei Jahre ist das Ende des Zweiten Weltkriegs her, als Verlegergattin Aenne Burda die visionäre Idee hatte, den Frauen nach grauen Nachkriegsjahren den Wunsch zu erfüllen, sich wieder schön anzuziehen – und sich schön zu fühlen. 

Kleider statt Kittelschürzen, Seidenstrümpfe statt Wollsocken: Es war ein Presseoffizier – natürlich ein französischer – , der die junge Mutter von drei Söhnen darauf brachte, ein Schnittmustermagazin auf den Markt zu bringen.

Junge Verlegerin hatte untrügliches Gespür für Trends

Damals gab es wenig Konfektionsware, aber ansprechende Stoffe. Und jede Frau konnte nähen. Die Anfänge von „burda moden“ waren dann aber doch etwas holpriger, als sich das Aenne Burda, Gattin des Offenburger Verlegers Franz Burda, wohl vorgestellt hatte. Ihrem Mann gefiel die Idee durchaus. 

Allerdings setzte er sie dann mit seiner Geliebten um statt mit seiner Ehefrau. Von diesem Neben-Arrangement hatte Aenne Burda wiederum zwei Jahre später die Nase voll, drohte mit Scheidung und übernahm den verschuldeten Verlag – Startschuss für eine einzigartige Erfolgsgeschichte.

Denn die junge Verlegerin hatte zwar keine Ahnung, wie man eine Zeitschrift macht, aber ein untrügliches Gespür für Trends und die Wünsche ihrer Leserinnen: tragbare und doch individuelle Mode, die sich mit Geling-Garantie nachnähen ließ. „Mode, Wäsche, Handarbeiten“, lautete der Untertitel, 1,40 DM kostete das Magazin.

Konzept blieb: Mode zum Nachnähen

Vom ersten Heft an lagen jeder Ausgabe die sogenannten Rädelbögen bei: Schnittmuster für alle Modelle, die von der Redaktion selbst entworfen und als Prototypen produziert werden. 500 sind es heute im Jahr. 

Mit diesem Erfolgsrezept aus Laufsteg und Do-it-yourself verkaufte das Magazin 1967 1,5 Millionen Hefte. Zu seinen besten Zeiten Ende der 80er Jahre waren es sagenhafte vier Millionen Exemplare in 120 Ländern.

Der heutige Chefredakteur Anastasios Voulgaris – selbst Modedesigner – verbrachte mit seiner Redaktion in den letzten Monaten viel Zeit in den Archiven von „burda moden“ im Verlagsgebäude im Münchner Arabellapark. 

So wie die Mode mit der Zeit geht, hat sich auch das Magazin verändert. 2009 zog die Redaktion von Offenburg nach München zu den anderen Fashiontiteln des Burdaverlags – „Elle“, „Instyle“, „Freundin“ – und änderte seinen Namen in „burda style“. Das Konzept allerdings blieb: Mode zum Nachnähen.

Schnitt für Schnitt zum Erfolg

„Diese Archive sind ein echter Schatz an Inspirationen“, sagt Voulgaris. Seine Idee war, zum Jubiläum ikonische Modelle der letzten Jahrzehnte neu, aber stilgetreu zu interpretieren: bunte Kleider aus den 50er Jahren, die Kostümeleganz der 60er, später Hippie-Revolution und Powerdressing. 

„Fashion ist zwar immer ein Spiegel des Zeitgeistes“, so Voulgaris, „zitiert sich aber ständig auch selbst. Ich war überrascht, wie modern viele der Entwürfe noch waren.“ 16 Modelle stellten er und sein Team für den Jubiläumsband „Burda. Ein Modemagazin erobert die Welt“ zusammen. Außerdem wurde in jeder „burda style“-Ausgabe in diesem Jahr ein Jubiläumsentwurf veröffentlicht.

Aenne Burda
Aenne Burda veränderte die Modewelt mit der Zeitschrift "burda moden". ©Buch Aenne Burda, Macht des Schönen, 1999

Das Buch zeichnet auch den Werdegang Aenne Burdas nach, von der Offenburger Hausfrau zur Verlegerin des größten Modeverlags der Welt. Sie arbeitete mit Karl Lagerfeld zusammen, empfing Gäste wie Romy Schneider und Ella Fitzgerald, war mit Andy Warhol befreundet und brachte ihre Mode bis nach Russland: Die Fashionshow 1987 im berühmten Säulensaal des Gewerkschaftshauses in Moskau, auf dem Höhepunkt der Perestroika gemeinsam mit Raissa Gorbatschowa, war auch ein politisches Statement.

Fast wie ein eigenes Modelabel

1994 übergab die damals 84-Jährige die verlegerische Verantwortung an ihren Sohn Hubert Burda („FOCUS“, „Bunte“), der die Ausrichtung des Magazins immer wieder dem Wandel der Gesellschaft anpasste. Mitte der 60er Jahre gehörten vor allem die sparsamen Hausfrauen der Kriegsgeneration zur Zielgruppe, aber auch Frauen der sogenannten Gastarbeiter, die seit Mitte der 50er Jahre aus Italien, Griechenland und der Türkei nach Deutschland kamen. 

Das wandelte sich mit dem Einzug günstiger Mode in die Kaufhäuser der Innenstädte. Nähen wurde von der Notwendigkeit zum Hobby, mit dem man sich Modeträume erfüllen konnte. Was über all die Jahrzehnte geblieben ist: eine ganz besondere Bindung der Leserschaft zu ihrem Magazin.

„Wir haben viele Abonnentinnen und die wollen immer wieder neu inspiriert werden“, erzählt Chefredakteur Voulgaris. „Da kann ich nicht einen Schnitt mehrmals vorstellen und jeweils nur die Ärmel ändern.“ Und so ist die Redaktion auf den Fashion Weeks in den Modemetropolen und auf Stoffmessen unterwegs, studiert Trendreports – und immer mal wieder alte Ausgaben des eigenen Magazins. 

Fast wie ein eigenes Modelabel, allerdings werden von den Entwürfen nur jeweils einige Prototypen in liebevoller Handarbeit für die Fotoproduktionen genäht. Kaufen kann man Burda-Mode nicht. Man muss sie sich nähen.

75 Jahre handwerkliche Perfektion

Viele Leserinnen begleitet das Magazin seit Jahrzehnten, nach und nach entstand, was man heute eine „Community“ nennt: eine Gemeinschaft modebegeisterter Selbstnäherinnen, die sich gegenseitig Tipps geben und mit der Redaktion in engem Austausch stehen. Voulgaris erzählt von einem Modeshooting in Athen, bei dem zufällig eine Leserin vorbeikam. 

Die schickte ein paar Wochen später ein Foto von sich vor der Akropolis in genau dem Kleid, das der Chefredakteur und sein Team vor der Akropolis fotografiert hatten. „Ich bin schon seit 20 Jahren Teil dieser Redaktion, aber Zuschriften wie diese rühren mich noch immer“, sagt er. 

Auch wenn das Magazin zu Charity-Nähaktionen für Frühchen aufruft, legt die Community los – 800 Decken kamen beim letzten Mal innerhalb kürzester Zeit in der Redaktion an.

Aenne Burda starb 2005, ihr Erbe lebt mit „burda style“ weiter. Gerade in Zeiten von künstlicher Intelligenz und Digitalisierung sehnen sich viele nach einem Gegenpol. Nach etwas Haptischem, das durch die Arbeit der eigenen Hände entstanden ist. Oder mit den Worten der Verlegerin selbst: „Kreativität ist die Fähigkeit, das Gewöhnliche in etwas Außergewöhnliches zu verwandeln.“