Merz löste durch seinen Kommentar zu Brasilien massive Kritik aus. Mehrere Politiker aus Brasilien nehmen Stellung und werfen dem Kanzler Vorurteile vor.
Berlin/Belém – Nach dem Klimagipfel in der brasilianischen Kleinstadt Belém hat sich Bundeskanzler Friedrich Merz abwertend über den Gastgeber im Amazonas geäußert. Er und Journalisten hätten sich nach dem Aufenthalt „an diesem Ort, an dem wir da waren“, besonders auf die Heimreise nach Deutschland gefreut, sagte er unter anderem in einer Rede. Seine Aussage verärgerte nicht nur Beléms Bürgermeister Igor Normando, sondern auch Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva.
Beléms Bürgermeister Igor Normando reagierte in einer Video-Botschaft im Onlinedienst X auf die Aussage des Bundeskanzlers. „Leider verbreitet der deutsche Kanzler in seiner Rede Vorurteile und Arroganz, ganz anders als sein eigenes Volk, das auf den Straßen von Belém seine Faszination für unsere Stadt zeigt“, sagte Normando. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva reagierte unterdessen mit Humor. Er schlug vor, Merz hätte in eine Bar gehen, dort tanzen und die lokale Küche probieren sollen. „Dann hätte er gemerkt, dass Berlin ihm nicht einmal zehn Prozent der Qualität bietet, die der Bundesstaat Pará und die Stadt Belém bieten“, sagte Lula. Jeder wisse, dass die Stadt arm sei, aber „ein so großzügiges Volk“ habe „wie kaum ein anderer Ort auf der Welt“.
Merz freut sich nach Brasilien auf Heimreise – Deutschland sei eines „der schönsten Länder der Welt“
Merz‘ Aussage löste weitreichende Kritik in Brasilien aus. Der Bürgermeister von Rio de Janeiro, Eduardo Paes, postete Berichten zufolge auf X, er sei „nicht so höflich“ wie seine Freunde in Pará, und schrieb zu Merz: „Sohn von Hitler! Mistkerl! Nazi!“ Der Post sei jedoch kurz darauf gelöscht und durch einen neuen Kommentar ersetzt worden. „Das war mein heutiger Frustabbau. Bleibt ruhig im Außenministerium. Es lebe die Freundschaft zwischen Brasilien und Deutschland“, schrieb Paes stattdessen.
Belém ist eine auch für brasilianische Verhältnisse arme Stadt im Amazonas-Gebiet mit schwülem Klima und zahlreichen armen und dicht besiedelten Stadtvierteln, die als Favelas bekannt sind. Präsident Lula hatte die Stadt trotz bekannter logistischer Herausforderungen wie Hotelbettenmangel bewusst als Konferenzort für die COP30 ausgewählt: Der linke Politiker wollte der internationalen Gemeinschaft sowohl die Klimakrise am Amazonas als auch die soziale Realität einer Millionenmetropole im Globalen Süden vor Augen führen.
Umweltminister Carsten Schneider hatte Belém am Vortag ausdrücklich als „großartige Stadt“ bezeichnet und von „viel Engagement, tollen Menschen, aber auch viel Armut“ berichtet. Bei Friedrich Merz hatte Belém wiederum einen gänzlich anderen Eindruck hinterlassen. Als er Journalisten in seinem Tross gefragt habe, wer denn gerne in Brasilien bleiben wolle, habe „keiner die Hand gehoben“. „Die waren alle froh, dass wir vor allen Dingen von diesem Ort, an dem wir da waren, in der Nacht von Freitag auf Samstag wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind“, erzählte Merz in seiner Rede vor Unternehmern. Man lebe in Deutschland „in einem der schönsten Länder der Welt“.
Klimagipfel in Brasiliens Amazonas: Nicht nur Merz‘ Aussage zur Heimreise sorgt für Kritik
Nach der Aussage forderte die Sprecherin für Klimagerechtigkeit der Linken im Bundestag, Violetta Bock, eine Entschuldigung des Kanzlers: „Merz‘ Aussagen zu Brasilien sind respektlos, von oben herab und vorurteilsvoll. Deutschland blamiert sich damit auf internationaler Bühne. Man könnte meinen, dass er in Trump-Manier von Deutschlands fehlendem Einsatz für den Klimaschutz ablenken will.“
Ein Regierungssprecher erklärte am Dienstag auf AFP-Nachfrage, der Kanzler habe „großen Respekt für die Leistung, eine solche große internationale Konferenz in Belém zu organisieren“. Merz bedauere, „dass er aus Zeitgründen keine Möglichkeit hatte, an den Rand des Amazonas zu reisen und die überwältigende Natur der Region besser kennenzulernen“. Bedauern über seine Äußerungen über Belém wurde in der Erklärung nicht geäußert.
Auch Merz‘ Rede auf dem Klimagipfel verlief nicht reibungslos. Brasilien mit seinen riesigen Urwäldern am Amazonas hat bei der COP30 einen Schutzfonds für tropische Wälder, den sogenannten TFFF (Tropical Forest Forever Facility), auf den Weg gebracht. Merz hatte dafür in seiner Rede in Belém einen „namhaften“ Betrag zugesagt, aber zur Enttäuschung vieler keine konkrete Summe genannt. (Quellen: X, dpa, AFP) (no)