Immer häufiger provoziert Russland die EU und die NATO. Experten werden deutlich: Wenn Putin an der Ostflanke angreift, könnte er militärisch siegen.
Vilnius – Europäische Geheimdienste warnen seit geraumer Zeit, dass der russische Präsident Wladimir Putin nach der Ukraine in den nächsten Jahren auch ein Nato-Land angreifen könnte. Doch Europa ist nicht auf einen möglichen Angriff aus Russland vorbereitet. Auf der „Defending Baltics“-Konferenz in Vilnius haben Verteidigungsexperten und Politiker die Dringlichkeit der Lage nun betont. Putin könnte an der Nato-Ostflanke derzeit militärisch siegen, heißt es unter anderem.
EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius betonte, dass Europa nicht auf einen russischen Drohnenangriff vorbereitet sei. Die EU habe erst nach mehr als zwei Jahren und mehreren Provokationen verstanden, „dass wir nicht in der Lage sind, russische Drohnen zu erkennen und sie mit kosteneffektiven Mitteln zu zerstören“, sagte Kubilius bei seiner Rede in Vilnius am Montag (17. November). Umso wichtiger sei es, die Ukraine und deren „kampferprobte“ Armee als „wichtigen Bestandteil“ in einer umfassenden Verteidigung einzubeziehen. „Falls wir das nicht tun, begehen wir einen historischen Fehler, der uns schwächer macht“.
Putin könnte bei einem Angriff auf die NATO siegen – Aufrüstung in Europa zu langsam
Viele Experten sind sich einig: Russland wird angreifen. Die Frage sei nicht „ob, sondern wann“, zitierte die Bild anonyme Verteidigungspolitiker und Militärvertreter aus einer nicht-öffentlichen Sitzung in Vilnius. Nach aktuellen Einschätzungen sei es sogar wahrscheinlich, dass Putin ein militärischer Sieg über die Länder an der NATO-Ostflanke gelingen würde. Über ein Ende des Ukraine-Kriegs führt Putin derzeit offenbar Geheimgespräche mit US-Präsident Donald Trump.
Eine ranghohe Verteidigungspolitikerin sagte laut der Zeitung, dass es Russland „sehr erfolgreich“ gelungen sei, „seine Wirtschaft in Friedenszeiten auf eine Wirtschaft in Kriegszeiten“ anzupassen. Im Westen setze die Rüstungsindustrie hingegen weiterhin „auf hohe Qualität statt auf Masse“. Diese Strategie sei mit Blick auf die russische Abnutzungsstrategie nicht nur nutzlos, sondern auch viel zu teuer. Sitzungsteilnehmer hätten zudem kritisiert, dass viele der bestellten Hightech-Waffen „erst Jahre nach dem prognostizierten russischen Angriff“ ankommen würden.
Putin provoziert abseits der Ukraine: Russland-Drohnen dringen in NATO-Luftraum ein
Provokationen aus Russland häufen sich. Nach russischen Angriffen auf ukrainisches Gebiet nahe der Grenze zu Rumänien registrierten deutsche Kampfflugzeuge in der Nacht auf Mittwoch (19. November) das Eindringen einer Drohne in den Luftraum des NATO-Staats. Die Drohne sei etwa acht Kilometer weit in den rumänischen Luftraum eingedrungen und „tauchte etwa zwölf Minuten lang immer wieder auf dem Radar auf“, erklärte das rumänische Verteidigungsministerium am Mittwochmorgen. Bodenkontakt eines Fluggeräts oder von Geschossen sei nicht gemeldet worden.
In den vergangenen Wochen hatten neben Rumänien auch die NATO-Länder Polen und Estland das Eindringen von Drohnen oder Militärflugzeugen in ihren Luftraum gemeldet. Die EU sprach von einer „Eskalation“ durch Russland. Auch an Flughäfen und Militäreinrichtungen in Deutschland und anderen EU-Ländern kommt es immer wieder zu Drohnenvorfällen, die Hintergründe sind unklar. Estland fürchtet konkret, dass eine russische Invasion trotz des laufenden Ukraine-Kriegs kommen könnte.
Wehrdienst und neue Waffen: Deutschland rüstet gegen Putin auf, aber es könnte zu spät sein
Die deutsche Bundesregierung will bis 2029 insgesamt 153 Milliarden Euro in die Verteidigung stecken. Neben Diskussionen rund um eine Reform des Wehrdiensts stehen vor allem Investitionen in Waffen und Rüstungsgüter weit oben in der Planung. Experten warnen aber nicht nur vor einer späten Lieferung – bei der Beschaffung werde auch ein falscher Fokus gesetzt. Ein Vorwurf ist, dass die Bundeswehr nicht genügend Drohnen bestelle.
Die EU bemüht sich um den schnellen Aufbau einer Drohnenabwehr für die Außengrenzen der Europäischen Union. In Polen waren im September Drohnen mithilfe von Kampfflugzeugen der Nato abgeschossen worden. Dabei mussten Kampfjets der jüngsten Generation teure Lenkflugkörper abfeuern, um die billigen Drohnen abzuschießen. Nach den Vorfällen hat die NATO Verstärkungen an ihre Ostflanke geschickt und stationiert mehr Drohnenabwehrsysteme. (Quellen: dpa, AFP, Bild, eigene Recherche) (no)