Russland hat die Nato getestet – und die ist teilweise durchgefallen. Jetzt tue sich aber etwas, sagt Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
Erst russische Drohnen – in großer Zahl – über Polen, dann auch über Rumänien: Wladimir Putin hat die Nato getestet. Und das Ergebnis könnte ihn erfreut haben. Die Drohnen-Provokation legte Probleme bei der Verteidigung offen. Gerade die europäischen Nato-Staaten und die EU sind deshalb unter Druck. Aber handeln sie das auch?
Die FDP-Verteidigungexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hält sich üblicherweise nicht mit Kritik zurück. In diesem Fall ist sie aber optimistisch, wie sie dem Münchner Merkur von Ippen.Media erklärt. „Möglicherweise wird der Tag kommen, an dem sich Wladimir Putin darüber ärgern wird, diese Provokation ausgelöst zu haben“, sagte sie kurz nach einer Grönland-Reise.
Putins Drohnen-„Provokation“: „Wirklich gefährliche Lücke“
„Denn dadurch wurde der NATO blitzschnell vor Augen geführt, dieses Defizit sofort auszuräumen“, sagt Strack-Zimmermann, die seit 2024 dem Sicherheits- und Verteidigungsausschuss im EU-Parlament vorsitzt. „Ohne das Wort Weckruf überzustrapazieren, sage ich es jetzt mal so: Auch alle NATO-Staaten haben wahrgenommen, dass es deutliche Defizite gibt.“
Konkret debattiert wird etwa eine „Dronewall“, eine „Drohnenwand“ an der NATO- und EU-Ostflanke. Die baltischen Staaten fordern diese schon seit längerem. Estland hat gar schon ein entsprechendes Projekt angeschoben. Das Land hat angesichts der Nähe Russlands Bedarf an Luftverteidigung. Die „Drohnenwand“ wäre günstiger als ein „Iron Dome“, der mit Abwehrraketen arbeitet. „Wir müssen dem Aufruf unserer baltischen Freunde folgen und eine Dronewall bauen“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zuletzt in ihrer „Rede zur Lage der Union“.
Allerdings sind EU-Verteidigungsprojekte bisweilen „schmerzhaft langsam“, wie der Thinktank CEPA am Donnerstag warnte. Diesmal könnte das anders sein, glaubt Strack-Zimmermann. „Ja, in der Tat, da passiert etwas“, sagte sie unserer Redaktion mit Blick auf das Projekt: „Es ist auch für Kommissar Kubilius und den Verteidigungsausschuss ein ganz großes Thema, dass wir diese Abfangdrohnen herstellen lassen wollen.“ EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius hat über die Agentur Reuters Gespräche mit den Ministern der EU-Staaten für kommende Woche angekündigt: Man wolle die „wirklich gefährliche Lücke“ so schnell wie möglich schließen. Er sprach von einem Zeitrahmen von zwölf Monaten.
Lernen von der Ukraine: Warum die „Drohnenwand“ wichtig werden dürfte
Maßnahmen sind aus Strack-Zimmermanns Sicht geboten. „Man muss sich darüber im Klaren sein, dass das Eindringen russischer Drohnen in den polnischen Luftraum eine Provokation war, ein Test, wie schnell die NATO reagiert. Das war kein Versehen“, sie. Wichtige Lehren für weitere Schritte liefere das Handeln der Ukrainer – „weil die Ukraine aus der Notlage heraus viel herstellt, was zum Schutz ihres Landes dringend benötigt wird. Das ist auch für uns von sicherheitspolitischer Relevanz.“
Drohnen sind ein entscheidender Faktor im Ukraine-Krieg, wie ein Insider im Juni unserer Redaktion bestätigte. Allerdings gebe es laufend Fortschritte, annähernd alle paar Wochen. Kiew hat gerade erst angekündigt, mindestens 1.000 Abfangdrohnen in den Einsatz zu bringen.
Die „Drohnenwand“ könnte nach estnischen Ideen ein mehrschichtiges System sein, wie die Zeitschrift Europäische Sicherheit & Technik online berichtete. Ein Bestandteil sind Sensoren, die eindringende Drohnen aufspüren. Zur Abwehr könnten eigene Drohnen zum Einsatz kommen – etwa, um die Funksteuerung der angreifenden Objekte zu stören. Mittlerweile gibt es aber auch über enorm lange Glasfaserkabeln gelenkte Drohnen. Diese müsste man physisch ausschalten. Eine Option ist der Abschuss. Eine andere das „Einfangen“ per Netzen. Daran arbeitet etwa auch das deutsche Start-up Argus Interception. Ein weiteres Problem: Auch die eigenen Drohnen könnten elektronisch gestört werden.
Bei Russlands Drohnen-Provokation hatte die Flugabwehr der Nato nicht alle Objekte abschießen können. Allein das ist ein eher beunruhigender Umstand. Hinzu kommt die Kostenfrage, wie CDU-Experte Roderich Kiesewetter schon im März warnte – und mit der auch die Ukraine bereits Erfahrungen gemacht hat. Russland setzt bei seinen Angriffen dort im großen Stile vergleichsweise günstige Drohnen ein. Werden diese mit teuren Raketen abgeschossen und/oder Kampfjets zur Abwehr eingesetzt, entstehen bei der Verteidigung vielfach höherer Kosten – und größerer Aufwand – als für den Angreifer. (Quellen: Gespräch mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann/cepa.org/Reuters/esut.de/Europäische Kommission) (fn)