"Ich mache meinen Job als Lehrer super gerne", sagt Jonas Schreiber im Interview mit "Welt". "Aber wenn es noch 40 Jahre so weiterläuft wie bisher, gehe ich daran kaputt."
Der Grund für den Frust des 31-Jährigen könnte kaum bitterer sein: Es sind seine Schüler. Aus diesem Grund will er berichten, "was eigentlich in unseren Schulen abgeht - und was wir für Schüler heranziehen".
Ein großes Problem sieht er in der Motivation der Schüler. "Sie sagen einem direkt ins Gesicht: Der Unterricht interessiert sie nicht, und sie hören eh nicht zu", berichtet Schreiber im Interview mit "Welt". In einem seiner Fächer, Wirtschaft, hätten zum Beispiel mehrere Schüler alle Vorbereitungstermine für eine Präsentation verstreichen lassen und sich lieber eine Sechs abgeholt. Ähnlich sei es im Sportunterricht, wo sich Schüler lieber schlechte Noten abholen statt Fußball zu spielen oder zu laufen.
Lehrer verzweifelt an Schülern: "Was sollen diese jungen Menschen später machen?"
Für Schreiber ist es ein Problem, dass Sport nicht versetzungsrelevant ist, Leistung nichts mehr zähle. Dann schlägt er die Brücke. "Jeder kommt in unserer Gesellschaft irgendwie durch. Die Schüler sehen, dass Angestellte mit einem Mindestlohn kaum mehr haben als Bürgergeldempfänger."
Das würden sie auf ihr Schulleben übertragen, sagt der 31-Jährige und berichtet, dass einige Schüler sogar sagen, dass sie Bürgergeldempfänger werden wollen. "Vielen Schülern ist es völlig wurscht, was nach der Schule kommt." Das zeige sich auch in der Berufsvorbereitung und er mache sich Sorgen. "Ich frage mich: Was sollen diese jungen Menschen später machen? Es kann doch nicht das Ziel sein, einfach in den Tag hineinzuleben."
Es zeige auch, dass immer mehr Schüler Probleme mit dem Lesen hätten. "Wenn sie einen Text von drei Zeilen lesen müssen, sind viele überfordert, den Inhalt zu erfassen", berichtet Schreiber der "Welt". Das geht sogar so weit, dass eine Kollegin im Deutschunterricht ein Vokabelheft eingeführt hat, weil "die Kinder nicht wissen, was ein Dackel oder eine Weide ist. Lesen, Verstehen und Schreiben – es ist eine Katastrophe."
"Fast alle meine Schüler sind hier geboren - sie sehen sich als Syrer, Afghanen oder Albaner"
Auch das Thema Identität sei ein Großes an Schulen, sagt der 31-Jährige und berichtet, wie eine Schülerin mit Migrationshintergrund verzweifelt zu ihm kam und ihre Abschiebung fürchtete - obwohl sie in Deutschland geboren wurde. "Es stellte sich heraus, dass eine Lehrerin nur das wiedergegeben hat, was medial über eine Partei verbreitet wird, statt tatsächlich mit den Schülern in das Wahlprogramm zu gucken und die Berichterstattung zu hinterfragen."
Ein weiteres Problem sei die Identität, die die Schüler sich selbst zuschreiben würden. "Fast alle meine Schüler sind hier geboren und haben einen deutschen Pass. Trotzdem fühlen sie sich nicht deutsch", sagt Schreiber. "Sie sehen sich als Syrer, Afghanen oder Albaner – obwohl sie teilweise noch nie in diesen Ländern waren."
Mit einigen Schülern habe er daraufhin immer wieder gesprochen und ihnen erklärt, dass ihre Eltern in Deutschland leben würden, weil es dort besser oder sicherer sei, und ihnen klargemacht, dass sie dazugehören. "Ein Teil der Schüler hat es verstanden und sieht sich nun als Deutsche mit Migrationshintergrund."