Jens Spahn ist aktuell das Lieblingsopfer des satirischen Auftritts „Der Postillon“. Mal kauft er für drei Millionen Euro Stoffmuster, damit alle jungen Männer ab sofort gemustert werden können. Dann wieder hat er sichtlich stolz für drei Millionen Euro halbe Leitern, um die Halbleiterkrise in den Griff zu bekommen.
Seit seinem verschwenderischen Kauf von Masken während der Corona-Krise hat Unionspolitiker Spahn einen Imageschaden erlitten. Der Vorwurf, er habe als Bundesgesundheitsminister entgegen dem Expertenrat, Masken zu horrenden Preisen besorgt, lastet schwer auf ihm. Auch bei der holprigen Verfassungsrichterwahl wirkte er überfordert. Der Schaden für die Regierung war groß.
Immer wieder heftige Debatten
Nun sitzt der Fraktionschef der Bundestagsunion bei "n-tv" und Pinar Atalay und muss sich jenen Fragen erwehren, die sich exakt in die Wunde wühlen, die schon „Der Postillon“ aufspießte. „Wir haben immer wieder etwas vor der Brust“, erklärt Spahn abwehrend und lächelt tapfer. Die Gesellschaft sei polarisiert. Es müsse deshalb umso mehr große Debatten geben.
Dennoch gebe es aber keine Krise in der Regierungskoalition. Vielleicht trägt Spahn an diesem Abend aus Gründen angestrebter Koalitionsharmonie eine rote Krawatte zum schwarzen Anzug. „Die Koalition ist nicht gefährdet. Die Koalition arbeitet“, sagt er trotzig und fügt an, dass er jeden Tag daran arbeite, dass die Koalition Ergebnisse erziele.
„Ich will, dass die SPD und die CDU erfolgreich sind und nicht gemeinsam untergehen.“ Manche seiner Kritiker würden wohl an dieser Stelle einwenden, dass Spahn für sein Ziel einfach nur seine Arbeit besser machen müsste.
"Es knallt auch mal"
Pinar Atalay weist jedenfalls darauf hin, dass 18 junge Unionspolitiker der Rentenidee der Koalition nicht zustimmen wollen (mittlerweile ist diese Zahl sogar noch höher). Atalay nennt das anderthalb Dutzend „Abweichler“. Kontert Spahn: „Es gibt noch keine Abweichler." Noch sei nämlich die Wahl nicht vollzogen.
Spahn rechne jedenfalls damit, dass das Rentenpaket bis Ende des Jahres abgesegnet ist. Von einer Regierungskrise will Spahn jedenfalls nichts wissen. „Wir werden auch jetzt ein Lösung finden. Es wird teilweise hart verhandelt. Es knallt auch mal. Entscheidend ist aber, dass wir am Ende eine Lösung haben.“
Von weiteren Fragen von Atalay zu diesem Thema – etwa wie Spahn mit den Abweichlern in der eigenen Partei reden will – ist der Fraktionschef sichtlich genervt. „Ich verstehe, dass Sie es immer wieder versuchen, aber ich werde keine Gespräche übers Fernsehen führen.“
„Der Geduldsfaden der Leute ist kurz“
Jens Spahn, der bei ähnlichen TV-Diskussionen im Regelfall äußerst angriffslustig ist, ist an diesem Abend angetreten, um Gelassenheit zu vermitteln. „Ich bin immer wieder überrascht, obwohl ich schon so lange in der Politik bin, wie hochtourig alles abgearbeitet wird.“ Er spüre bei vielen Leuten, dass der „Geduldsfaden noch deutlich kürzer ist, als er vielleicht vor der Ampelkoalition war“.
Die Leute wollten, dass es ihnen spürbar besser geht. Das schließe die Wähler der AfD ein. „Es gibt aber keine Zusammenarbeit und keine Gespräche mit der AfD“, erklärte Spahn. „Wir bekämpfen die AfD politisch und machen gleichzeitig ihren Wählern ein Angebot.“ Eine Zusammenarbeit der Union mit der AfD sei abwegig und undenkbar.
Die "Putin-hörige Partei wolle ein schwaches Deutschland" und wolle, dass "wir uns nicht verteidigen können". Das sei kein Patriotismus. Das sei Vaterlandsverrat, so Spahn. Er selbst liefere sich mit den AfD-Politikern regelmäßig Wortgefechte im Bundestag.
„Wollen Sie Kinder, Herr Spahn?“
Plötzlich wird Jens Spahn ganz ruhig, als Pinar Atalay den Unionspolitiker nach seinem persönlichen Befinden in der Politik befragt. „Spitzenpolitik muss man schon wollen“, erklärt der 45-Jährige, der seit acht Jahren mit Daniel Funke verheiratet ist. Man müsse viele Abstriche im Privaten machen, gleichwohl sehe er seinen Mann häufig.
Schon der Bürgermeister eines kleinen Dorfes könne nicht einfach einkaufen oder schwimmen gehen, ohne dass es irgendwie politisch sei. „Die Politik bestimmt alles. Aber ich will das wirklich.“ Und als Pinar Atalay noch mal nachfragt, ob er auch einen Kinderwunsch habe, fährt Jens Spahn eine leichte Röte ins Gesicht. „Bei uns sind die Voraussetzungen etwas schwieriger, aber ich kann mir das gut vorstellen.“