Das entscheidende WM-Qualifikationsspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Slowakei (6:0) hatte viele Gesichter. Und: viele Gewinner. Nico Schlotterbeck zählte dazu.
In den 63 Minuten, die der Innenverteidiger von Borussia Dortmund trotz einer Fußverletzung zum Einsatz kam, zeigte sich eindrucksvoll, was Bundestrainer Julian Nagelsmann an ihm hat. Bei der Nordamerika-WM 2026 soll Schlotterbeck an der Seite von Jonathan Tah das Abwehrbollwerk bilden und jene Stabilität zurückbringen, die man ohne ihn vermisst.
Sein Verein kennt das Problem: Über Monate fehlte der 26-Jährige wegen einer Meniskusverletzung und verpasste im Sommer sogar die Klub-WM. Jetzt muss man vorsichtig sein.
Darum ist auch kein offizielles Statement vom BVB zu hören, wenn es um die geplante vorzeitige Vertragsverlängerung mit Schlotterbeck geht. Kein falsches Wort soll die Gerüchteküche anheizen, die seit Wochen brodelt. So viel wissen wir: Schlotterbeck liegt vom BVB ein Vertragsangebot bis 2030 vor - aber er zögert mit der Unterschrift.
Wie brisant die Lage ist, beweist ein einziger Satz mit sechs Worten. Schlotterbeck selbst befeuerte die Spekulationen um einen möglichen Wechsel zum FC Bayern, als er nach dem verpatzten Sieg in Hamburg stichelte: "Wir müssen ein wenig Fußball spielen." Daraus wurde gefolgert: Er kritisiert die Spielweise unter BVB-Trainer Niko Kovac - und will weg.
Schlotterbecks Verhalten tut mir für die BVB-Fans richtig leid
Mehr noch: Er wolle zu einem Verein, wo man Titel gewinnen könne. So denken viele Profis im modernen Fußball: Klappt's nicht in dem einen Verein, gehe ich zum nächsten. Bei Schlotterbeck aber regt mich dieses Denken doppelt auf. Was ich von ihm gerade höre, tut mir für die BVB-Fans richtig leid.
Es ist nicht lange her, dass er ganz anders geredet hat. Dass er kein Problem hat, "den Weg weiterzugehen". Dass er "Bock auf den Verein" hat. Dass im Frühjahr die fulminante Aufholjagd mit Kovac in Richtung Champions League "Freude" und "sehr viel Spaß" gemacht hat. Die Kehrtwende ist nur damit zu erklären, dass andere Klubs ködern.
Dabei hatte der BVB die Klub-Legende Mats Hummels auch deswegen fortgeschickt, damit sie ihm nicht ständig den Stammplatz streitig macht (wie im Mainz-Spiel bei der verpassten Meisterschaft 2023). Als Schlotterbeck über Monate verletzt ausfiel, ließ die Vereinsführung keinen Zweifel: Er solle irgendwann Kapitän werden. Mehr Motivation geht nicht.
Deshalb auch das jüngste Angebot. Wenn ein bestehender Arbeitsvertrag zwei Jahre vor Vertragsende verlängert wird, dann geht damit immer eine üppige Gehaltserhöhung einher. Schlotterbeck, den wir Medien mal "Bruder Leichtfuß" tauften, kann zu den drei Top-Verdienern im Klub aufsteigen. Mehr Wertschätzung geht nicht.
Trotzdem zögert Schlotterbeck und lässt die Spekulationen, dass er mit Kovacs Taktik hadert, undementiert im Raum stehen. BVB-Stratege Matthias Sammer sah sich zu einer Schutzbehauptung für seinen Trainer gezwungen: "Alle im Klub lachen sich darüber kaputt." Schlotterbeck schweigt trotzdem.
Schlotterbeck ist beim FC Bayern der erste Kandidat auf Upamecanos Nachfolge
Gesprochen haben andere - und durchaus mit Eigennutz. Nationalmannschaftskollege Tah feilschte sogar in Schlotterbecks Namen: "Eine spannende Situation. Ihm stehen alle Türen offen." Auch beim FC Bayern: Es ist kein Geheimnis, dass Schlotterbeck Kandidat Nummer 1 auf Dayot Upamecanos Nachfolge ist.
Ich frage mich: Verhält sich so ein Führungsspieler?
Nico Schlotterbeck hat in seinem Leben nicht viel gewonnen: 2021 die U21-EM und 2018 den A-Jugendpokal mit dem SC Freiburg. Es läge ja an ihm, Borussia Dortmund titelreif zu verteidigen. Aber in 90 Bundesliga-Spielen in drei Jahren reichte es nur zu sechs Toren. Man sollte ihm sagen: Das ist nicht Bayern-like.