Ein gemeinsamer Türkei-Urlaub hat für eine Familie aus Hamburg ein tödliches Ende genommen. Offenbar hatte die vierköpfige Familie durch Streetfood eine schwere Lebensmittelvergiftung erlitten, in deren Folge die Mutter sowie die drei und sechs Jahre alten Kinder mutmaßlich verstarben.
Wie nun bekannt wurde, hatten die Hamburger zuvor gefüllte Muscheln, Süßigkeiten (Türkischer Honig) und ein Gericht aus Kalbsdärmen (Kokorec) verzehrt. Ob diese Lebensmittel letztlich zu der Vergiftung führten, ist nicht bekannt.
Doch welche Gefahren können von diesen Lebensmitteln in der Theorie ausgehen?
Hamburger Mutter und Kinder starben mutmaßlich an Lebensmittelvergiftung – wann Essen zur Gefahr wird
Muscheln
Muscheln sind sehr verderbliche Lebensmittel. Sie sind nur frisch, wenn sie leben. Verströmt die Muschel einen fischigen Geruch, verschließt sie sich nicht mehr richtig oder ist sie beschädigt, ist sie möglicherweise tot und verdorben und sollte auf keinen Fall gegessen werden. Ansonsten droht aufgrund der Keime eine Lebensmittelvergiftung.
Da Muscheln fleißige Filtrierer sind und bis zu 40 Liter Wasser pro Tag reinigen, sind sie anfällig für Giftstoffe. Diese stammen meistens von bestimmten Algen und reichern sich im Gewebe der Muschel an. Selbst, wenn die Muscheln richtig zubereitet wurden, besteht die Gefahr einer Vergiftung. Das Kochen der Muscheln entfernt das Gift nicht.
Je nach Giftstoff kann die Muschelvergiftung unterschiedlich und mitunter tödlich verlaufen.
Symptome einer Muschelvergiftung sind laut dem Medizinportal "MSD Manual" unter anderem:
- wenige Minuten nach dem Verzehr: Kribbeln um den Mund herum
- Übelkeit
- Erbrechen
- Magenkrämpfe
- Muskelschwäche
- Unfähigkeit, Arm- und Beinmuskulatur zu bewegen
- Atemnot
Kokorec
Kokorec, also gegrillter Lammdarm, ist eines der beliebtesten Streetfoods in der Türkei. Wie auch weitere Fleischsorten kann Lammfleisch mit Bakterien, Viren oder Parasiten kontaminiert sein. Gründe dafür sind mangelnde Hygiene, fehlerhafte Zubereitung und falsche Lagerung.
So können etwa durch den Kontakt von rohem Fleisch mit verzehrfertigen Lebensmitteln Keime übertragen werden. Außerdem können Keime überleben, wenn das Fleisch nicht lange oder heiß genug gebraten, gegart oder gegrillt wurde.
Auch bei einer Lebensmittelvergiftung durch Fleisch können sich Symptome wie
- Übelkeit
- Erbrechen
- Durchfall, oft mit Bauchschmerzen
- Fieber
- und Kopfschmerzen äußern.
Lokum, türkischer Honig
Die beliebte türkische Süßigkeit besteht aus Zucker, Wasser sowie Stärke und enthält häufig Nüsse wie Pistazien oder Haselnüsse. Auch bei diesem Lebensmittel ist es möglich, dass es bei der Zubereitung zu Kontaminationen kommt. So können Schimmelpilze die enthaltenen Nüsse befallen und Gifte bilden, welche nicht durch Kochen, Braten oder Backen zerstört werden können. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) warnt, dass diese Schimmelpilze im schlimmsten Fall
- Leber und Niere schädigen,
- das Immunsystem beeinträchtigen
- oder Durchfall sowie Erbrechen verursachen können.
Darüber hinaus ist es möglich, dass bestimmte Hefen, die mitunter auch in stark zuckerhaltigen Umgebungen überleben und wachsen können, zu einem Verderb des Lebensmittels führen. Das trifft vor allem auf Lebensmitteln mit geringer Wasseraktivität wie Honig oder Pralinen zu.
Lebensmittelvergiftung durch Bazillus Cereus
In der Vergangenheit hatten auch weitere Lebensmittelvergiftungen mit tödlichem Ausgang Bestürzung in den sozialen Medien ausgelöst – so zum Beispiel der Fall eines 20-jährigen Mannes in Belgien, der 2008 nach dem Verzehr von fünf Tage alten, ungekühlten Nudel-Resten am sogenannten "Fried Rice Syndrome" starb.
"Das Fried Rice Syndrome bezeichnet eine Lebensmittelvergiftung durch ein Bakterium namens Bacillus cereus", erklärte Mikrobiologie-Professor Enzo Palombo in einem Beitrag für "The Conversation". B. cereus komme wie viele Bakterien überall in der Umwelt vor. "Es wird zu einem Problem, wenn es in bestimmte Lebensmittel gelangt, die gekocht und dann nicht richtig gelagert werden."
Besonders betroffen sind dabei stärkehaltige Lebensmittel wie eben Reis, daher der Name, oder Nudeln. Doch auch gekochtes Gemüse und Fleisch kann befallen sein. "Durch die Verschmutzung mit sporenhaltigen Erdbodenpartikeln oder Staub kann B. cereus leicht auf Lebensmittel übertragen werden", warnt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
B. cereus habe zudem "einen Trick in petto", sagt Palombo. "Es produziert eine bestimmte Zellart, die sogenannten Sporen, und die sind sehr hitzeresistent." Während das Erhitzen von Speiseresten, etwa durch Kochen oder Braten, andere Bakterienarten abtöte, könne B. cereus teils überleben.
Bazillus Cereus: Zwei Erkrankungen werden unterschieden
Wer Lebensmittel isst, die mit B. cereus kontaminiert sind, kann krank werden. Laut BfR werden dabei zwei Erkrankungen unterschieden:
1. Emetische (= Erbrechen auslösende) Erkrankung, im schlimmsten Fall mit Leber- und Hirnschäden:
- Auslöser ist hier eine Intoxikation (Vergiftung) durch das auf den Lebensmitteln entstehende Toxin Cereulid
- Symptome : Übelkeit und Erbrechen innerhalb von 0,5 bis sechs Stunden, klingt in der Regel nach wenigen Tagen von selbst wieder ab; sehr selten: schwere Krankheitsverläufe durch Leber- und Hirnschäden
- Nur ein kleiner Teil von B.-cereus-Stämmen besitzt die Fähigkeit, Cereulid zu bilden
- Gefahr vor allem bei stärkehaltigen, gekochten Lebensmitteln wie Reis oder Nudeln
2. Durchfall-Erkrankung:
- Auslöser sind hier Enterotoxine (Giftstoffe), die über aufgenommene Zellen und/oder Sporen von B. cereus entstehen, die im Dünndarm auskeimen
- Symptome: Durchfall und Bauchkrämpfe innerhalb von sechs bis 24 Stunden
Mikrobiologe nennt 3 Tipps zum Schutz vor Bakterien
Generell gilt: B. cereus ist bei weitem nicht die häufigste Ursache von Magen-Darm-Erkrankungen. Andere bakterielle Erreger wie E. coli oder Salmonellen sind häufiger, ebenso virale Erreger wie das Norovirus. Dennoch lohnt es sich, auf gewisse Punkte zu achten.
Pamolo empfiehlt:
- Minimieren Sie die Zeit in der "Gefahrenzone" (in der Toxine wachsen können): Die Gefahrenzone liege bei Temperaturen zwischen Kühlschranktemperatur (etwa fünf Grad) und 60 Grad. Reste sollten möglichst rasch in den Kühlschrank gestellt werden, selbst wenn sie noch nicht komplett ausgekühlt sind.
- Halten Sie sich an die Zwei-Stunden/Vier-Stunden-Regel: "Wenn etwas bis zu zwei Stunden aus dem Kühlschrank genommen wurde, können Sie es ohne Bedenken wieder hineinstellen. Wenn es länger draußen war, verzehren Sie es und werfen Sie die Reste dann weg. Wenn es länger als vier Stunden draußen war, wird es zu einem Risiko."
- Beachten Sie die Grundsätze der Lebensmittelhygiene: "Waschen Sie sich vor der Zubereitung von Lebensmitteln die Hände. Verwenden Sie saubere Utensilien, und vermeiden Sie die Kreuzkontamination von gekochten mit rohen Lebensmitteln."
So lange halten gekochte Nudeln, Reis und Kartoffeln im Kühlschrank
Aber Achtung: Selbst im Kühlschrank halten Speisereste nicht ewig. Denn einzelne kälteresistente Stämme von B. cereus können sich laut BfR auch bei Temperaturen von vier bis sechs Grad vermehren, wenn auch deutlich langsamer.
Dirk Bockmühl, Mikrobiologe an der Hochschule Rhein-Waal, nannte als Richtwert gegenüber der Zeitschrift "Good Health": Gekochter Reis sollte nicht länger als zwei Tage im Kühlschrank aufbewahrt werden, gekochte Kartoffeln nicht länger als drei Tage und gekochte Nudeln nicht länger als drei bis vier Tage. Wer unsicher ist, sollte sich an das allgemeine Sprichwort der Lebensmittelsicherheit halten: Im Zweifel lieber wegwerfen.