„Mad Max“ in Pokrowsk: Nebel schützt Russlands Zangengriff – Ukraine-Krieg vor Wendepunkt?

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Pokroswk ist zur entscheidenden Stadt im Ukraine-Krieg geworden. Moskau und Kiew ringen um die Vorherrschaft. Nun sind Putins Soldaten eingefallen.

Pokrowsk – Nebelschwaden hüllen die zerstörte Straße ein, als russische Soldaten auf Motorrädern und beschädigten Fahrzeugen ohne Türen und Fenster durch die Trümmer rollen. Was Telegram-Nutzer an Szenen aus „Mad Max“ erinnert, ist bittere Realität in einer Stadt, die sich zu einem Brennpunkt des Ukraine-Kriegs entwickelt hat. Pokroswk gilt als das „Tor zum Donezk“ und könnte zeitnah über den weiteren Verlauf des Ukraine-Kriegs entscheiden.

Russische Soldaten im Sektor Krasnoarmeysk (Pokrowsk).
Russische Soldaten im Sektor Krasnoarmeysk (Pokrowsk). © IMAGO/Stanislav Krasilnikov

Gegenwärtig ist die Stadt im Ukraine-Krieg hart umkämpft, die ukrainischen Verteidiger versuchen weiterhin, die Region zu halten. Doch Russlands Armee scheint in den vergangenen Tagen nur eine Marschrichtung zu kennen. Und zwar in die Stadt. Nach Einschätzung des Institute for the Study of War hat sich der Vorstoß zwar verlangsamt, doch trotz steigender Verluste in den russischen Reihen rechnen Experten damit, dass die Stadt zeitnah fallen könnte.

Aktuelle Lage im Pokrowsk: Russland setzt auf Schlüsselrolle im Ukraine-Krieg

Die Stadt Pokrowsk hat sich zum entscheidenden Ort der aktuellen Phase im Ukraine-Krieg entwickelt. Sollte die Stadt an Russland fallen, könnte sie zum Ausgangspunkt für einen Vormarsch nach Norden in Richtung der beiden größten noch von der Ukraine kontrollierten Städte in der Region Donezk werden. Anders als an anderen Fronten setzt Russland bei Pokrowsk auf eine Zangenbewegung – eine Taktik, die weniger Verluste kostet, aber mehr Zeit benötigt. Inzwischen sind bis zu 95 Prozent der Bevölkerung aus der Stadt geflohen. Das 60.000-Einwohner-Zentrum der Region ist zu einer Geisterstadt geworden.

Wie brutal und entschlossen Russlands Truppen im Ukraine-Krieg vorrücken, zeigen nun Videoaufnahmen, die von russischen Militärbloggern verbreitet werden. Das Video, über das auch Reuters berichtet, zeigt russische Soldaten, die in Pokrowsk einrücken. Die Echtheit der Aufnahmen ist nicht geklärt, sie sollen angeblich russische Truppen beim Einmarsch in Pokrowsk auf einer nebelverhangenen Straße zeigen. Einige Telegram-Nutzer verglichen die Szene mit Szenen aus dem Actionfilm „Mad Max“ von 1979, der in einer postapokalyptischen Landschaft spielt.

Wann die Aufnahmen entstanden sind, ist unklar. Laut Reuters kann allerdings anhand von älteren Satellitenaufnahmen und Archivbildern bestätigt werden, dass sie aus dem Umland von Pokrowsk stammen. Das Video zeigt russische Truppen auf Motorrädern und in Autos, wie sie über die Straße fahren. Einige Männer saßen auf dem Dach eines beschädigten Fahrzeuges. Zudem hatten einige Gefährte keine Türen und Fenster. Die Szene gleicht einer visuellen Metapher, die die aktuelle Realität im Ukraine-Krieg widerspiegelt. Was wie Filmkulisse wirkt, ist vielmehr Alltag eines erbitterten Kampfes, der sich nun auf Pokrowsk konzentriert und die Dramatik der Lage verdeutlicht.

Lage im Ukraine-Krieg: Russland vor Eroberung von Pokrowsk

Ursprünglich hatte Russland vorgesehen, Pokrowsk bis zum November 2024 vollständig einzunehmen. Wie Union schreibt, liegen die Streitkräfte von Wladimir Putin ein Jahr hinter ihrem ursprünglichen Zeitplan. Trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit gelang es ihnen nicht, die Verteidigungsanlagen schnell zu durchbrechen. Um Erfolge zu erzielen, soll Russland inzwischen immer mehr Truppen in die Region verlegen. Zudem soll mit russischen Drohnen aktiv der ukrainische Nachschub abgeschnitten werden. Putin ringt derweil innenpolitisch in Russland mit einem weiteren Dilemma.

Noch hält die Ukraine Pokrowsk, doch der kommende Winter könnte im Krieg zur entscheidenden Phase werden. Laut Foreign Affiars wird Putin seine Offensive in der Region immer weiter verstärken, um den logistisch wichtigen Knotenpunkt unter Kontrolle zu bringen. Die Auswirkungen wären gravierend, denn die Widerstandsfähigkeit Kiews im Ukraine-Krieg hängt entscheidend von drei Faktoren ab: Ressourcen, menschliches Potenzial und Entschlossenheit. Trotz ihrer großen Truppenstärke leidet die ukrainische Armee unter einem Mangel an ausgebildeten Infanteristen. Soll Pokrowsk fallen, wäre dies ein herber Rückschlag für die Kampfkraft und –moral der ukrainischen Einheiten.

Vorstoß auf Pokrowsk: Russland umzingelt Stadt im Ukraine-Krieg

Dass der russische Vorstoß auf Pokrowsk aktuell so erfolgreich verläuft, hängt auch von witterungsbedingten Umständen ab. Die Soldaten nutzen den Schutz von dichtem Nebel. Die schlechte Sicht erschwert es der Ukraine, erfolgreich Drohnenaufklärung einzusetzen und Ziele aus der Ferne zu bekämpfen. Laut Angaben des 7. Korps der ukrainischen Luftlandetruppen vom 11. November gelang es etwa 300 russischen Soldaten, in die Stadt vorzudringen und das Stadtgebiet einzukesseln.

Russische Truppen haben Pokrowsk laut Kyiv Independent auf drei Seiten umzingelt und nur einen etwa 15 Kilometer breiten Korridor für ukrainische Verstärkungen und Nachschub offen gelassen. Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte zuletzt, dass Russland die ukrainischen Truppen im Pokrowsk-Sektor acht zu eins überlegen ist. Zugleich berichtet Ukrainska Pravda davon, dass die russische Armee mithilfe von Mörsern den Vorstoß auf die Stadt unterstützt. Den Verteidigern gelingt es bislang immer wieder, russische Vorstöße zu stoppen. Der Generalstab der Ukraine berichtet immer wieder von getöteten russischen Soldaten.

Pokrowsk wird zum Test: Entscheidende Phase im Ukraine-Krieg

Pokrowsk ist im Ukraine-Krieg mehr als nur eine weitere umkämpfte Stadt. Vielmehr ist sie entscheidenden Schlacht für beide Kriegsparteien. Für Russland bedeutet ihre Eroberung den Schlüssel zu den letzten ukrainischen Bastionen in der Region. Für die Ukraine geht es um weit mehr als Territorium: Es geht um die Frage, ob sie dem russischen Zangengriff standhalten und ihre Verteidigungslinien stabilisieren kann. (Quellen: dpa, Institute for the Study of War, Ukrainska Pravda, Kyiv Independent, Foreign Affiars, Reuters) (fbu)