FOCUS online: Herr Lentz, Sie und die Mitarbeiter Ihrer Detektei spüren Arbeitnehmer auf, die sich krankmelden, obwohl sie gesund sind, also blaumachen. In Berlin, wo Sie arbeiten, ist jeder Mitarbeiter im öffentlichen Dienst im Schnitt über fünf Wochen krankgemeldet. Wundert Sie das?
Marcus Lentz: Nein, das wundert mich überhaupt nicht, nicht im Geringsten. Das Problem entsteht, wenn ein ehrlicher Mitarbeiter mitbekommt, dass ein Kollege Urlaub auf gelben Schein macht und nichts dagegen getan wird. Dann macht der ehrliche Kollege das auch irgendwann so. Blaumachen steckt an. Die Unternehmen sagen sich: Wir möchten dem nicht nachgehen, weil wir keine Stasi-Methoden wollen. Und schon haben sie einen hohen Krankenstand. Die Unternehmen lassen sich lieber bescheißen, als das zu verhindern.
Wer beauftragt Sie denn? Gehört der öffentliche Dienst auch dazu?
Lentz: Wir arbeiten auch für die öffentliche Hand, also für Städte und Gemeinden und überwachen dort Arbeitnehmer. Wir werden von kleinen Handwerksbetrieben beauftragt oder von DAX-Unternehmen. Alles ist dabei. Von unseren 4000 Aufträgen sind etwa 2000 bis 2500 Arbeitnehmerüberwachungen, also der Großteil. Manche Chefs sagen sich schon: "Lasst uns die Drückeberger rausschmeißen."
Angestellter meldet sich krank und pflastert seinen Hof
Wer sind die Drückeberger, die Sie schon erwischt haben?
Lentz: Zuletzt hatten wir einen Kfz-Mechatroniker, der angeblich einen Bandscheibenvorfall hatte und seinen Hof pflasterte. Da ist die Krankenpflegerin, die trotz Krankschreibung bei ihrem Mann in der Firma arbeitet. Wir haben auch schon eine angeblich kranke Friseurin observiert, die anderen schwarz die Haare schneidet. Dass sich Mitarbeiter krankmelden und schwarz nebenher arbeiten oder eine Firma unter anderem Namen haben, das gibt es sehr häufig, vor allem bei Handwerkern.
Was war Ihr krassester Fall?
Lentz: Zuletzt haben wir einen Garten- und Landschaftsbauer observiert, der sich krankgemeldet und dann seinem Chef die Aufträge weggeschnappt hat. Seinem Chef hat er erzählt, die Kunden hätten sich für andere Firmen entschieden. Der Mann hat für diese Schwarzarbeit das Werkzeug seines Chefs benutzt und auch noch den Lehrling mitgenommen. Er hat natürlich seinen Job verloren, der Lehrling auch.
Was droht Drückebergern, wenn sie erwischt werden?
Lentz: Blaumachen ist eine Straftat. Genauer heißt es Lohnfortzahlungsbetrug im Krankheitsfall oder Gebrauch von unrichtigen Gesundheitszeugnissen. Wenn wir als Detektive den Verdacht rechtssicher bestätigen können, kann dem Arbeitnehmer fristlos gekündigt werden. Er muss außerdem die Kosten für die Detektei zahlen. Und dann kann auch noch der Staatsanwalt ermitteln.
Privatdetektiv verrät, wie er sich tarnt
Wie kann man sich eine Observation vorstellen?
Lentz: Drei bis vier Detektive werden eingesetzt, um einen Arbeitnehmer während der Arbeitszeit zu überwachen und schauen, ob er genesungswidriges Verhalten zeigt, also zum Beispiel den Rasen neu verlegt oder beim Umzug hilft. Wir tarnen uns als Passanten, die nach dem Weg fragen, als Pärchen mit Kinderwagen, wir sitzen im Kastenwagen oder sind der Motorradfahrer, der durch die Straße fährt.
Wurden Sie schon mal enttarnt?
Lentz: Nein. Unsere Detektive wechseln sich während der Observation ab und fallen so nicht auf. Unsere Maßnahmen sind so angelegt, dass sie niemandem auffallen.
Was kosten Ihre Dienste?
Lentz: Eine Observation, deren Ergebnisse Sie vor Gericht verwenden können, dauert vier bis fünf Tage. Mit 8000 Euro bis 10.000 Euro müssen Sie rechnen.
Kann jeder Privatdetektiv werden?
Lentz: Jeder kann es machen. Wir empfehlen aber eine zweijährige Ausbildung zum ZAD geprüften Privatermittler, damit man weiß, was man während der Observation darf und was nicht.