„Resilienz statt Risiko“: Experten fordern in München Umdenken beim Klimawandel

Ein Sturm verwüstet die Küste – doch anstatt langfristiger Zerstörung folgt schnelle Erholung. Ökosysteme wachsen wieder nach, Schutzsysteme wie Deiche oder Mangrovenwälder fangen den Aufprall ab – und die Region wird robuster als zuvor, passt die Baustandards den häufiger werdenden Stürmen an.

Dieses Prinzip heißt Klimaresilienz: die Fähigkeit, auf klimabedingte Störungen nicht nur zu reagieren, sondern daraus zu lernen und sich anzupassen. Im Fokus steht nicht das Verhindern von Schäden, sondern das Erhalten und Wiederherstellen lebenswichtiger Funktionen.

Resilienz ist ein dynamischer Prozess, der Natur, Technik und Gesellschaft miteinander verknüpft. Die Initiatoren der International Climate Resilience Conference (iCARE) – Liang Emlyn Yang, Matthias Garschagen und Haifeng Jia – betonen: Resilienzdenken ersetzt Risikodenken. Es geht nicht mehr nur darum, vor Gefahren zu warnen, sondern aktiv Lösungen zu schaffen.

International Climate Resilience Conference

Die iCARE-Konferenz, die vom 26. bis 29. Oktober 2025 im Kardinal-Wendel-Haus in München stattfand, brachte Experten aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen, um den Fokus vom reinen Risikomanagement hin zu konkreten Resilienzstrategien zu verlagern. 

Mit 17 thematischen Sitzungen zu Themen wie urbaner Resilienz, naturbasierten Ansätzen, sozialer Gerechtigkeit, Katastrophenmanagement und Governance sowie über 200 Vorträgen und Posterpräsentationen förderte die Konferenz den Austausch.

Auf der iCARE in München trafen sich Experten und Interessierte aus dem Bereich Klimaresilienz.
Auf der iCARE in München trafen sich Experten und Interessierte aus dem Bereich Klimaresilienz. Vera Stary

Klimaresilienz: „In der Praxis ist es nicht immer eine Win-win-Situation“

In der Theorie klingt alles simpel: Strategien entwickeln, Projekte umsetzen, Klimaresilienz erreichen. Doch die Realität ist weitaus komplizierter – hier prallen Interessen frontal aufeinander. Wirtschaftswachstum gegen Naturschutz, Urbanisierung gegen Kohlenstoffspeicherung: Wer gewinnt, wer verliert?

„In der Praxis ist es nicht immer eine Win-win-Situation“, sagt Nazli Yonca Aydin, die zur Messung und Quantifizierung von Klimaresilienz forscht. Es gehe nicht darum, die perfekte Lösung zu finden, erklärt sie, sondern die bestmögliche Balance zwischen Schutz, Entwicklung und Anpassung.

Vom Eco-Island zur Megacity: Resilienz ist skalierbar

Wie gelingt Klimaresilienz – im Kleinen wie im Großen? Die Wissenschaftlerin Ru Guo zeigt es am Beispiel des Bezirks Chongming in Shanghai, einer 1413 Quadratkilometer großen Inselregion.

  • Die Herausforderung: Zwischen 2000 und 2020 stiegen die CO₂-Emissionen durch rasant wachsendes Wirtschaftswachstum, während wertvolle Kohlenstoffspeicher wie Feuchtgebiete schrumpften.
  • Der Erfolg: Durch kluge Landnutzung und gezielten Schutz der Feuchtgebiete konnten die Speicher bis 2020 auf über 132.000 Tonnen CO2-Äquivalent anwachsen. Parallel senkten Energiesparmaßnahmen und der Ausbau erneuerbarer Energien die Emissionen deutlich.
  • Der Ausblick: Bis 2050 sollen die Treibhausgasemissionen in Chongming laut Prognosen um 69 Prozent sinken.

Was auf einer kleinen Insel funktioniert, inspiriert Megacities – und umgekehrt. China plant bis 2030 sogenannte „high-level resilient cities“: Erfahrungen aus Chongming werden auf Millionenmetropolen übertragen, um Städte widerstandsfähiger gegen Klimafolgen zu machen.

Modell des Drei-Insel-Archipels bei Shanghai: Chongming, Changxing und Hengsha, mit der geplanten Dongtan-Ökostadt auf Chongming.“
Modell des Drei-Insel-Archipels bei Shanghai: Hengsha, Changxing und Chongming (rechts). IMAGO / Newscom World

Resilienz als Wegweiser

Es bewegt sich etwas: In Chongming wächst der Kohlenstoffspeicher dank klugem Management, die Emissionen sinken. Weltweit gibt es weitere positive Entwicklungen – erneuerbare Energien boomen, Städte begrünen sich, neue Netzwerke entstehen. Plattformen wie iCARE vernetzen Forschende, rufen neue Projekte wie die Munich Climate Resilience Initiative ins Leben und fördern ein Denken, das auf Lösungen statt auf Katastrophen ausgerichtet ist.

Doch das bedeutet nicht, dass alles in Ordnung ist. Der Klimawandel bleibt akut: Extremwetterereignisse nehmen zu, und der CO2-Gehalt in der Atmosphäre erreichte 2024 einen neuen Rekordwert. 

Benjamin S. Godwin Schmidt von der LMU München warnt vor falscher Entwarnung – gute Klimanews bedeuten nicht automatisch, dass man sich den nächsten SUV kaufen sollte. Nazli Yonca Aydin ergänzt, dass über allen Strategien – ob lokal oder global – stets die Frage stehen müsse, was wir schützen und was wir bereit sind aufzugeben.