Wer Schwimmbad am Beckenrand arbeitet, weiß: Hier zeigt sich, wie unsere Gesellschaft funktioniert. Manchmal friedlich, manchmal mit Reibung. Und manchmal auch mit Fragen, die weit über das Bad hinausgehen.
Genau das ist jetzt in Basel passiert. Der Große Rat der Stadt hat über einen Antrag beraten, der ein Badeverbot für ausländische Gäste forderte – eine Idee, die in der Schweiz und darüber hinaus für Diskussionen sorgte.
Sicherheit entsteht nicht durch Ausgrenzung
Die Begründung: Zwischenfälle, Belästigungen, Spannungen im Badalltag. Doch am Ende fiel die Entscheidung deutlich aus. Mit 79 zu 11 Stimmen bei drei Enthaltungen wurde das Vorhaben abgelehnt.
Ein wichtiges Signal. Denn es zeigt, dass man in Basel verstanden hat: Sicherheit entsteht nicht durch Ausgrenzung, sondern durch Verantwortung.
Plötzlich wurde das Freibad, dieser Ort des Miteinanders, zum Symbol für Trennung
Im Sommer hatte die Stadt Pruntrut im Kanton Jura ein solches Verbot bereits umgesetzt. Dort durften nur noch Schweizer Staatsbürger oder Personen mit Aufenthalts- oder Arbeitsbewilligung das Freibad betreten. Für viele war das ein Schritt hin zu mehr Ruhe – für andere ein Schritt zurück. Die Debatte schwappte über die Landesgrenzen hinaus.
Die Begründung klang pragmatisch: zu viele Vorfälle, zu viele Hausverbote, zu viele Konflikte. Doch die Wirkung war spaltend. Plötzlich wurde das Freibad, dieser Ort des Miteinanders, zum Symbol für Trennung. Aus dem „Wir“ wurde ein „Ihr“.
Basel hat sich nun bewusst dagegen entschieden – und das ist bemerkenswert. Denn dort hätte man leicht den gleichen Weg gehen können.
„Entscheidend ist nicht, woher jemand kommt, sondern wie man sich verhält. Die Regeln gelten für alle“
Auch in den Basler Gartenbädern kam es zu Spannungen, auch dort musste Sicherheitspersonal aufgestockt werden. Doch statt Grenzen zu ziehen, zog man Konsequenzen.
Der Erziehungsdirektor Mustafa Atici (SP) sagte: „Entscheidend ist nicht, woher jemand kommt, sondern wie man sich verhält. Die Regeln gelten für alle.“ Genau das ist der Kern einer funktionierenden Gemeinschaft. Nicht Herkunft, sondern Haltung zählt.
Die Lösung liegt nicht in der Nationalität, sondern im Verhalten
Ich habe in über zwanzig Jahren am Beckenrand vieles gesehen. Gute Tage, schwere Tage, Tage, an denen man den Menschen den Stress ansieht. Und ja, es gibt Situationen, die eskalieren. Manchmal sind es Jugendliche, manchmal Erwachsene, manchmal einfach zu viel Sonne und zu wenig Geduld.
Aber eines ist klar: Die Lösung liegt nicht in der Nationalität, sondern im Verhalten. Wir müssen Menschen führen, nicht sortieren. Hausverbote, Gespräche, klare Regeln – das sind Werkzeuge, die wirken. Nicht, weil sie hart sind, sondern weil sie gerecht sind.
Wer einmal miterlebt hat, wie ein Streit durch ein ruhiges Wort endet, weiß, was Prävention bedeutet. Wir Bademeister und Aufsichten kennen die Menschen, wir sprechen mit ihnen, wir sehen, wer kommt, wer Probleme macht, wer einfach nur schwimmen will.
Ein Ausweis allein sagt gar nichts. Er verrät weder Respekt noch Charakter. Und wer glaubt, man könne Unruhe durch Herkunftsfilter beseitigen, hat nie erlebt, wie unterschiedlich Menschen im Bad reagieren – unabhängig von Pass oder Sprache.
Bäder sind keine Ersatzpolizei und kein Sozialamt
Das eigentliche Problem liegt tiefer. In vielen Städten fehlt Personal, fehlen Mittel, fehlen Strukturen. Gleichzeitig wird von den Bädern erwartet, sie sollen alles lösen: Sicherheit, Integration, Erziehung. Aber das ist zu viel verlangt.
Bäder sind keine Ersatzpolizei und kein Sozialamt. Sie sind Orte der Begegnung – und das funktioniert nur, wenn dort Menschen arbeiten, die präsent sind, anerkannt werden und genug Rückhalt haben.
Ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen, die an heißen Wochenenden mit knapper Besetzung Dienst schieben. Zehn Stunden Sonne, hundert kleine Konflikte, tausend Erwartungen. Und trotzdem lächeln sie, reden, schlichten, retten. Sie halten die Ordnung, ohne laut zu werden. Das ist die wahre Stärke unserer Branche – und sie verdient Respekt.
"Dass Basel die Motion so klar abgelehnt hat, ist ein gutes Zeichen – nicht nur für die Schweiz, sondern auch für uns in Deutschland" Ralf Großmann
Wenn Politik wirklich helfen will, dann sollte sie genau dort investieren. In Ausbildung, in Fachpersonal, in faire Bedingungen. Damit Sicherheit nicht vom Zufall abhängt, sondern von guter Arbeit.
Basel hat verstanden, was Zusammenhalt bedeutet
Dass Basel die Motion so klar abgelehnt hat, ist ein gutes Zeichen – nicht nur für die Schweiz, sondern auch für uns in Deutschland. Es zeigt, dass Vernunft lauter sein kann als Angst.
Natürlich müssen Bäder konsequent sein. Wer Regeln bricht, muss mit Konsequenzen rechnen – aber bitte für sein Verhalten, nicht für seine Herkunft.
Ein Freibad ist ein kleiner Spiegel der Gesellschaft. Hier treffen sich Menschen, die sich sonst vielleicht nie begegnen würden.
Ein Rentner aus der Nachbarschaft, eine syrische Familie, Jugendliche aus der Stadt. Und wenn es klappt, dann passiert etwas, das man nicht messen kann: Vertrauen.
Ich habe oft erlebt, wie Kinder miteinander spielen, obwohl sie kein Wort derselben Sprache sprechen. Wie Erwachsene sich ein Badetuch teilen, weil das Gras noch feucht ist. Diese Momente sind es, die zählen – nicht die wenigen, die laut werden.
Ein Appell vom Beckenrand
Wir brauchen keine Badeverbote – wir brauchen Haltung. Wir brauchen Menschen, die hinschauen, eingreifen, erklären. Wir brauchen Politiker, die verstehen, dass Ordnung Zeit kostet – und Menschen. Wer Grenzen zieht, verliert den Blick für das, was verbindet. Und das Wasser, das uns alle trägt, sollte niemals zum Symbol der Trennung werden.
Darum sage ich: Basel hat richtig entschieden. Nicht, weil alles gut ist – sondern weil man verstanden hat, dass man Respekt nicht per Gesetz verordnen kann. Sicherheit entsteht dort, wo Menschen Verantwortung übernehmen – und wo man sie lässt. Und vielleicht ist genau das die größte Stärke eines Freibads: Dass es uns erinnert, wie nah wir uns eigentlich sind.
Ralf Großmann wuchs im Schwimmbad auf und lebt Bäderbetrieb seit Kindheitstagen. Auf H2ohero.de teilt er seine Erfahrung aus deutschen Bädern – authentisch, alltagsnah und mit Herz für Sicherheit und Qualität. Er ist Teil unseres Experts Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.