Der Fall Fabian aus Güstrow erschüttert. Der Druck auf die Ermittler wächst. Vieles ist im Dunklen. Rechtsmediziner Fred Zack, selbst aus Güstrow, gewährt einen Einblick.
Güstrow – Der achtjährige Fabian aus Güstrow ist tot. Seit dem Fund seiner Leiche am 14. Oktober ermittelt die Mordkommission wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts. Bei einer rechtsmedizinischen Untersuchung war Gewalteinwirkung festgestellt worden.
Darüber hinaus sind wenige Information bekannt. Die Staatsanwaltschaft hält sich mit Verweis auf ermittlungstaktische Gründe bezüglich weiterer Details bedeckt. Wie laufen Ermittlungen in solchen Kriminalfällen aus Sicht eines medizinischen Gutachters grundsätzlich ab? Das erklärt Rechtsmediziner Fred Zack aus Güstrow im Gespräch mit Ippen.Media. Zum Fall Fabian hält sich der Mediziner, der 40 Jahre lang Obduktionen durchgeführt hat, bewusst zurück: „Die Polizei betont ausdrücklich, dass keine Spekulationen angestellt werden sollen. Das kann die Ermittlungen behindern.“
Opfer von Gewaltverbrechen: Rechtsmediziner Zack erklärt die Suche nach einem unbekannten Täter
Fred Zack kennt den Alltag in der Rechtsmedizin, hat schon ein True-Crime-Buch mit dem Titel „Tödlicher Norden“ (2023) mit außergewöhnlichen Fällen über Mord und Totschlag veröffentlicht. Vor kurzem erschien „Dreifachmord“ (2025). Neben Tötungsverbrechen landeten der Universität Rostock zufolge auch unerwartete Todesfälle auf seinem Tisch, bei denen nach der Obduktion zunächst keine Todesursache festgestellt werden konnte. Zack ist ein Mediziner mit mehreren Schwerpunkten. Bei einem Fall mit einem unbekannten Täter hat der Rechtsmediziner jedoch immer eine Hoffnung.
Was passiert nach einem Leichenfund?
Welche Hinweise können beim Fund einer Leiche auf eine Straftat hinweisen? „Ganz grundsätzlich können bei der Leiche einige Spuren deutlich dafür sprechen, dass eine Gewalttat stattgefunden hat“, erklärt Zack: „Das sind unter anderem: Stichverletzungen, Verletzungen durch stumpfe Gewalt wie beispielsweise Knochenbrüche oder Schussverletzungen. Dinge, die man mit dem bloßen Auge sieht.“ Es kann jedoch auch sein, dass es bei einer Leiche mit solchen Merkmalen keinen Täter gibt. „Wird beispielsweise stumpfe oder scharfe Gewalt festgestellt, kommt gerade bei Erwachsenen auch ein Unfall oder Suizid in Betracht.“
Grausamer Leichenfund am Waldrand
Eine Spaziergängerin hatte die Leiche von Fabian aus Güstrow in der Nähe von einem Wald nahe Klein Upahl (Landkreis Rostock) gefunden. Nach der grausamen Entdeckung am Dienstagvormittag (14. Oktober) gingen die Ermittler schnell davon aus, dass es sich um den vermissten achtjährigen Fabian handelt. Polizei und Staatsanwaltschaft wiesen darauf hin, dass erst ein DNA-Test die letzte Gewissheit liefern würde. Die Angehörigen hätten sich nicht imstande gesehen, die Leiche in Augenschein zu nehmen und zu identifizieren, sagte der Rostocker Staatsanwalt Harald Nowack. Zu diesem Zeitpunkt gingen die Ermittler nach eigenen Angaben von einem Fremdverschulden aus. Eine Obduktion der Leiche sollte am Mittwoch (15. Oktober) erfolgen.
Rechtsmediziner Fred Zack kennt den Ablauf am Tatort genau
„Rechtsmediziner müssen eine objektive Einschätzung vornehmen, das beginnt zumeist mit der Leichenschau am Auffindungs- oder Tatort“, so Fred Zack. „Es gibt aber auch Fälle, in denen wir nicht gerufen werden“.
Im Fall Fabian ließen die Spuren den Schluss zu, dass der Achtjährige Opfer eines Gewaltverbrechens geworden ist. An dem Leichnam seien Spuren festgestellt worden, die diesen Schluss zuließen, teilte die Rostocker Staatsanwaltschaft am Donnerstag (16. Oktober) mit.
Obduktion schafft Sicherheit über Todesursache
Rechtsmediziner Zack sagt, unabhängig vom Fall Fabian: „Lediglich mit einer äußeren Leichenschau kann man nie alles erkennen. Die endgültige Todesursache kann nur durch eine Obduktion festgestellt werden.“ Die Staatsanwaltschaft sei bei den Untersuchungen der Rechtsmediziner nur in ausgewählten Fällen dabei, die Polizei jedoch grundsätzlich. „Wenn wir die ersten Ergebnisse kommuniziert haben, entscheidet die Staatsanwaltschaft über etwaige Zusatzuntersuchungen.“
Zack nennt Blut- oder Urin-Analysen, um beispielsweise der Frage nachzugehen, ob die Person unter Einfluss von Alkohol, Drogen oder Medikamenten stand. Im Lauf der Ermittlungen könnten sich die Fragen der Mordkommission an die Rechtsmedizin ändern. Gerade, wenn kein Verdächtiger da ist. „Jeden Tag kommen neue Ermittlungsergebnisse hinzu, die zu bisher nicht gestellten Fragen führen können.“
„Die DNA eines Fremden wäre ein großer Ermittlungserfolg“
Bei einem Kapitalverbrechen oder Mord gibt es für Rechtsmediziner Zack eine Spur, die besonders vielversprechend ist. „Meine Hoffnung bei einer Falluntersuchung mit einem unbekannten Täter ist immer, dass man Fremd-DNA beim Opfer oder auf einem Tatwerkzeug findet. Die DNA eines Fremden wäre ein großer Ermittlungserfolg, da somit gezielt nach einer tatverdächtigen Person gefahndet werden kann“, sagt der Rechtsmediziner. Für Zack wäre es „ein günstiger Fall für die Kriminalisten“. Allerdings ist DNA nicht gleich DNA. Bei DNA einer Person aus dem Umfeld des Opfers sei, laut Zack, der „Indizienwert“ geringer. Die Spur könnte auch „im Alltag auf die untersuchte Person einschließlich Kleidung gelangt sein“.
Im Fall Fabian laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Noch gibt es offenbar keinen Verdächtigen – Stand 23. Oktober, 17 Uhr. Nach einer Durchsuchung auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Zehna am Montag (20. Oktober) mauerte die Staatsanwaltschaft, mit Verweis auf ermittlungstaktische Gründe. Mit Schutzanzügen rückten Einsatzkräfte der Polizei am Donnerstag (23. Oktober) auf einem Gelände eines Entsorgungsunternehmens an. Einen Grund für die Aktion nannte die Staatsanwaltschaft zunächst nicht.
„Die kriminalistischen Ermittlungen hängen teils auch von der Rechtsmedizin ab. Unsere Untersuchungsergebnisse können durchaus auch Ermittlungen anstoßen“, so Rechtsmediziner Zack. Mit dem Ende der Ermittlungen hört die Arbeit eines Rechtsmediziners allerdings nicht auf. „Bei der Befragung eines Angeklagten im Rahmen einer Gerichtsverhandlung können rechtsmedizinische Sachverständige von großer Hilfe sein. Sie stellen teils Fragen, die ein Jurist nicht unbedingt auf dem Schirm hat.“ (Quelle: Interview, Staatsanwaltschaft Rostock, Polizei Rostock, dpa) (moe, ml)