500.000 Euro im Jahr für Manager? Was die Top-Gehälter anderer in uns auslösen

Warum regt das Thema so viele Menschen auf?

Weil es den Nerv der Gerechtigkeit trifft. Wenn Chefs öffentlicher Unternehmen Jahresgehälter von über einer halben Million Euro kassieren, während Erzieherinnen, Pflegekräfte oder Verwaltungsangestellte um jeden Euro kämpfen müssen, wirkt das wie ein Schlag in die Magengrube. Da geht es nicht um Neid, sondern um Respekt. Menschen fragen sich: „Wofür eigentlich?“

Die Busfahrerin, die täglich durch den Berliner Berufsverkehr navigiert, versteht nicht, warum der Vorstand ihres Landesbetriebs das Zehnfache ihres Gehalts bekommt – obwohl der Bus trotzdem zu spät kommt.

Das Gefühl, dass sich manche die Taschen vollmachen, während andere das System am Laufen halten, frisst sich leise ins Bewusstsein. Und genau das macht die Stimmung im Land so explosiv.

Was bedeutet das für die Menschen, die normal arbeiten?

Viele fühlen sich schlicht abgehängt. Sie leisten, sie zahlen Steuern, sie halten die Maschine am Laufen – aber sie sehen, dass oben in den Chefetagen Summen fließen, die selbst in der Privatwirtschaft Seltenheitswert haben.

Das erzeugt Wut – nicht laut, sondern still. Diese stille Wut äußert sich in Zynismus: „Die da oben machen eh, was sie wollen.“ Oder in Rückzug: „Ich mach hier nur noch meinen Job, mehr nicht.“ Das ist die psychologische Kettenreaktion, die am Ende Loyalität, Vertrauen und Leistungsbereitschaft auffrisst.

Abgehängte fühlen sich nicht nur ökonomisch, sondern auch emotional abgekoppelt – und das ist die gefährlichste Form von Entfremdung.

Warum ist das gerade im öffentlichen Bereich so heikel?

Weil der öffentliche Dienst kein Wirtschaftsunternehmen ist. Er lebt nicht von Marktanteilen, sondern vom Vertrauen der Bürger. Wenn aber Vorstände öffentlicher Betriebe mehr verdienen als der Bundeskanzler, kippt das Bild:

Aus „dienender Verwaltung“ wird „selbstbedienende Verwaltung“. Die Krankenkasse, die Beitragserhöhungen ankündigt, während ihr Vorstand 350.000 Euro verdient – das passt in der Wahrnehmung der Menschen nicht zusammen.

Die Sparkasse, die Filialen schließt, während die Vorstände Boni kassieren – das wirkt wie ein Verrat am Auftrag. Vertrauen ist die Währung des öffentlichen Sektors. Wenn diese Währung entwertet wird, droht gesellschaftlicher Kursverlust.

Wie wirkt sich das auf die Stimmung im Land aus?

Wie eine schleichende Vergiftung. Menschen vergleichen. Sie rechnen. Und sie ziehen ihre Schlüsse. „Warum bekomme ich für 40 Stunden Arbeit 2.800 Euro, während jemand in einer staatlichen Holding an einem Tag das Gleiche verdient?“ Solche Gedanken bleiben nicht privat. Sie sickern in Kantinengespräche, Familienrunden, Wahlkabinen. Sie werden zu Sprüchen, zu Meinungen, zu Misstrauen

Wenn sich genug Menschen übergangen fühlen, entsteht Verdrossenheit – die gefährlichste Form gesellschaftlicher Kälte. Dann geht es nicht mehr um Zahlen, sondern um Haltung. Die Menschen sagen nicht mehr „zu viel Geld“, sondern „zu wenig Anstand“.

Christoph Maria Michalski, bekannt als „Der Konfliktnavigator“, ist ein angesehener Streit- und Führungsexperte. Mit klarem Blick auf Lösungen, ordnet er gesellschaftliche, politische und persönliche Konflikte verständlich ein. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.

Sind hohe Gehälter nicht trotzdem manchmal gerechtfertigt?

Natürlich – Verantwortung darf gut bezahlt werden. Aber entscheidend ist die Relation. Wer ein Milliardenunternehmen steuert, trägt ein Risiko, das honoriert werden muss. Doch bei öffentlichen Betrieben ist das Risiko überschaubar, der Markt abgesichert und der Auftrag klar definiert. Wenn also Manager dort Summen verdienen, die sich an Privatkonzernen orientieren, dann passt das System nicht mehr zum Anspruch.

Dann bleibt nur noch das Totschlagargument: „Sonst finden wir keinen Fähigen.“ Das ist bequem – aber schwach. Denn echte Führung misst sich nicht am Gehalt, sondern an Wirkung, Haltung und Vorbild. Hohe Bezahlung ersetzt keine innere Größe.

Was wäre die Lösung – weniger Geld oder mehr Haltung?

Beides – und zwar in dieser Reihenfolge. Die öffentliche Hand muss wieder Maß halten. Niemand verlangt, dass Manager im Staatsdienst schlecht verdienen. Aber sie sollten sich daran messen lassen, was sie wirklich verändern – nicht daran, was sie verhandeln. Transparenz hilft. Wer offenlegt, was gezahlt und geleistet wird, schafft Vertrauen.

Vor allem aber braucht es Haltung. Führung im öffentlichen Bereich ist Dienst, kein Thron. Und wer sich für das Gemeinwohl bezahlen lässt, sollte das Gemeinwohl auch verkörpern.

Solange die Menschen das Gefühl haben, dass oben abgesahnt und unten geschuftet wird, bleibt die Stimmung im Land frostig. Und Frost, das weiß jeder, der sich mit Konflikten beschäftigt, ist der Anfang von Stillstand. Erst wenn aus „Die da oben“ wieder „Wir zusammen“ wird, kann sich etwas bewegen.